Vor einiger Zeit musste die Sportart Bouldern noch erklärt werden. Doch heute wissen viele, dass es beim Bouldern „immer an der Wand lang“ geht. Von einer Randsportart ist Klettern und Bouldern zwar nicht „in der Mitte der Gesellschaft“ angekommen. Doch mit dem Schritt 2020 in Tokio zum ersten Mal olympisch zu werden, kann mehr Akzeptanz und die Hinwendung vom Elitären zum Breitensport erzielt werden. Maßgeblichen Anteil daran hat der weltweite Boom der Subdisziplin Bouldern (Klettern ohne Seil in Absprunghöhe). Doch wo Sonne ist gibt es immer Schattenseiten. Mediziner beobachten dabei veränderte und für den Klettersport bislang untypische Verletzungen, die zum Teil immer schwerwiegender werden.
Beharrliches Training, gute Technik und variiertes Können zeichnen Kletter-Sportler und Boulderer aus. Der Sport erfordert verschiedenste Fähigkeiten wie Beweglichkeit, Koordination, Kraft und Ausdauer, die von geschulten Trainern schon bei den Jüngsten spielerisch trainiert werden müssen. Denn inzwischen haben auch sportlich eher wenig aktive Personen die mittlerweile in jeder größeren Stadt verfügbaren Boulderhallen als Freizeitbeschäftigung für sich entdeckt.
Prof. Dr. med. Volker Schöffl (Klinikum Bamberg, Uni-Klinik Erlangen) und Dr. med. Christoph Lutter (Uni-Klinik Rostock) haben in ihren Untersuchungen eine Verschiebung bei typischen Verletzungsmustern und Überlastungsreaktionen aufgezeigt.
Entgegen der ursprünglichen Form des Kletterns, bei der Athleten meist senkrechte Wände empor kletterten, wird der Sport heute meist an steilen, ungleichmäßigen und oft trickreichen Wänden ausgeübt. Einflüsse aus anderen Sportarten wie beispielsweise dem Turnen oder dem Parcoursport sind hier ersichtlich. Der komplexe Einsatz von Armen, Beinen, Händen und Füßen in oftmals sehr untypischen Bewegungsabläufen führt zu neuen Verletzungsmustern wie z.B. „Heel-Hook Verletzungen“, Ringbandrissen, Schulterverletzungen, Frakturen im Bereich des Os Hamatum, Knochenödemen im Bereich des Handgelenkes oder auch höherwertigen Indoor-Sturztraumata (Wirbelsäulentraumata, Kniebandverletzungen oder Ellbogenluxationen). Männer und Frauen sind inzwischen gleichermaßen betroffen.
Die drei häufigsten Verletzungen sind nach wie vor klassische Klettersport-Verletzungen: Ringbandverletzungen, Sehnenscheidenentzündungen der Fingerbeuger und Capsulitiden der PIP/DIP Gelenke der Finger.
„Gerade bei Anfängern im Kletter- und Bouldersport zeigt sich jedoch zusätzlich eine deutliche Häufung an kletter-unspezifischen, höherwertigen Verletzungen, insbesondere im Bereich der unteren Extremitäten sowie der Wirbelsäule“, so Dr. Lutter.
Bei dieser Athletengruppe ist es von entscheidender Bedeutung, ein obligatorisches und strukturiertes Anfängertraining bzw. eine Einweisung zu etablieren, um Basics des Sports zu vermitteln (kontrolliertes Fallen und Abrollen beim Bouldern, Vermeidung von „Fallen“ in den gestreckten Arm/Schultergürtel, etc.). Die aktuell gängige „come in and play“- Praxis mancher kommerziellen Hallen ist hier definitiv verbesserungsfähig. Außerdem muss eine Anpassung von Wettkampf- und Trainingsstätten erfolgen.