Im Schulsport werden die Karrieren für den Leistungssport gelegt. Wenn dem so wäre, wären die Sportstätten übervölkert mit Talentsuchern. Doch der Scghulsport hat ganz andere Aufgaben: er soll die physische und psychische Gesundheit fördern, die kognitive Leistungsfähigkeit steigern, soziale Lernmöglichkeiten bieten, zu einem gesunden und bewegten Lebensstil erziehen, Grundfähigkeiten für ein lebenslanges Sporttreiben vermitteln und idealerweise gleichzeitig auch noch Spaß machen. Doch reichen dafür 2-4 Mal pro Woche 50 Minuten Sport-„Frontalunterricht“?
Mag. Brigitta Höger vom Institut für LehrerInnenbildung der Universität Wien hat das untersucht und berichtet über die Ergebnisse auf dem Kongress der Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin im Juni in Salzburg. Höger: „Schulsport scheint zum Breitbandantibiotikum für gesellschaftliche Defizite und Anliegen zu avancieren. Die Forderungen lassen sich grundsätzlich rechtfertigen, da empirische Befunde derartige Wirkweisen des Sportes grundsätzlich belegen. Als problematisch ist jedoch zu werten, dass jene Wirkmechanismen des Sportes, die unter meist hochspezifischen Bedingungen in empirischen Studien untersucht wurden, häufig uneingeschränkt auf das Unterrichtsfach Sport übertragen werden. „Sport macht klug!“ – „Sport steigert die Konzentrationsfähigkeit!“ – „Sport schützt vor Adipositas!“ Aber welcher „Sport“ ist denn gemeint?“
Vielseitiger Schulsport
Sport hat unzählige unterschiedliche Facetten: eine Bergwanderung, eine Yoga-Einheit, ein Ballspiel, ein Hindernisparcour, ein lateinamerikanischer Tanz, eine Jonglier-Übung, ein Dauerlauf – Sport ist nicht gleich Sport. Meist wird jedoch leider nicht hinterfragt, welche spezifische Form von Sport in welchem Umfang denn tatsächlich notwendig wäre, um eine relevante, „messbare“ Verbesserung einer Leistung herbeizuführen.
Fakt ist: je nach Schulstufe und Schulform sind in der Regel zwei- bis viermal pro Woche je 50 Minuten für das Fach Sport reserviert. Nach Abzug notwendiger Zeiten für Umziehen, Hin- und Wegräumen, Erklärung und Organisation bleiben Messungen zufolge nur durchschnittlich 8-10 Minuten für eine Bewegung in mindestens mittlerer Intensität. Dieser „Sport“ kann sich kaum positiv auf die aerobe Ausdauer und Fettverbrennung auswirken. Wie ist es dann erst mit Unterricht, der die Koordination fokussiert, um die Konzentrationsfähigkeit zu fördern, und eine sicherlich geringere Bewegungszeit und –Intensität aufweist?
Ausreichende Bewegung?
„Den einen Sportunterricht, der eine gesamte junge Generation gleichermaßen fit, gesund, klug, sozial kompatibel und selbstbewusst macht, gibt es nicht. Stattdessen gibt es unzählige verschiedene Ausprägungs- und Inszenierungsformen von Bewegung, Sport und körperlicher Aktivität, eine hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und Interessen äußerst diverse Schülerschaft, ein von Schule zu Schule spezifisches Setting und völlig verschiedene Lehrkräfte, die unterschiedlich intensive Anstrengungen unternehmen. Die erfolgreiche Umsetzung einzelner Forderungen wird immer auf Kosten anderer geschehen und läuft Gefahr, einen großen Teil der Schüler auf der Strecke zu lassen“, so Höger.
Daher muss Schulsport den Schülern (und ihren Eltern) verschiedene individuelle Möglichkeiten bieten. Er muss vor allem Gesundheitskompetenz vermitteln, in Form von Wissen, grundlegenden Fähigkeiten und Motivation zu einem reflektierten Umgang mit dem eigenen Körper und der eigenen Gesundheit. Wenn er das schafft, treiben viele Jugendliche auch außerhalb der Schule, z.B. in Vereinen, weiter Sport. Brigitta Höger: „Ob zwei bis vier 50-minütige Einheiten pro Woche ausreichen, sie dafür zu motivieren, sei dahingestellt. In jedem Fall werden voll ausgebildete Lehrkräfte gebraucht (im Gegensatz zu fachfremd unterrichtenden), die in der Lage sind, den Schulsport in einer mehrperspektivischen Weise zu gestalten und sich bewusst gegen einen limitierten Sportartenkanon und eine reine Leistungsorientierung entscheiden.“