Soziales Engagement

Wien_Senioren_Cafe 23-10-19Viele Menschen engagieren sich ehrenamtlich oder gegen ein geringes Entgelt um benachteiligten Mitmenschen zu helfen. Das geschieht nicht nur vor der eigenen Haustür sondern weltweit. Diese Freiwilligendienste sind eine Möglichkeit. Andererseits gibt es auch die Möglichkeit daraus ein Geschäft zu machen. Dabei steht dann nicht die Gewinnmaximierung – was immer das sein mag – im Vordergrund, sondern das soziale Engagement als wirtschaftliches Konzept. Dieses sogenanntes Social Business oder Sozialunternehmen wird oft auf den Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus zurückgeführt. In dem Bereich tätige Unternehmen wollen soziale und ökologische gesellschaftliche Probleme mit wirtschaftlichen Ansätzen lösen und damit den Kapitalismus zukunftsfähig machen.

Beispiele aus Wien

Mehlspeisen wie bei der Oma gibt es bereits seit einigen Jahren in der Vollpension im 4. Bezirk. In dem mit Vintage-Mobiliar eingerichteten Kaffeehaus backen seit 2015 SeniorInnen mit Teilzeit-Anstellung ihre besten Torten und Kuchen – und servieren diese mit ihren Lebensgeschichten. Das gemütliche Lokal fördert als Social Business den Austausch zwischen Jung und Alt und lässt Kindheitserinnerungen aufkommen. Ab Ende Oktober 2019 gibt es einen zweiten Standort des „Generationen-Cafés“ im 1. Bezirk, und zwar im Erdgeschoß der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (MUK) in der Johannesgasse. Habibi & Hawara ist ein seit 2016 von Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund gemeinsam mit Österreichern betriebenes Restaurant in der Wiener Innenstadt. Die Fusion-Küche präsentiert sich mittags als Buffet, abends gibt es Family-Dinner mit einem fixen, saisonalen, mehrgängigen Menü. Das erfolgreiche Konzept expandiert nun ins Stadtentwicklungsgebiet Nordbahnviertel im 2. Bezirk, wo Mitte November 2019 eine Habibi & Hawara-Filiale eröffnet. Für Frühjahr 2020 ist ein dritter Standort in der Siebensterngasse im 7. Bezirk geplant.

Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt

Das Restaurant Inigo gegenüber der Jesuitenkirche in der Innenstadt ist der Pionier der Wiener Gastronomie mit sozialökonomischem Hintergrund. Seit 1992 bietet es neben guter Küche mit regionalen Produkten Langzeitarbeitslosen eine Perspektive zum Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt. Auch das 2013 eröffnete Lokal Mittendrin, das Café, Bar und Restaurant vereint, ist Bestandteil eines innovativen Wiener Sozialprojektes. In dem Haus in der Währinger Straße im 9. Bezirk leben, lernen und arbeiten Studierende und ehemals obdachlose Menschen gemeinsam. BewohnerInnen und Gästen von außerhalb bietet das Lokal im Erdgeschoss eine kleine, feine Speisenkarte. Die Betreiber des Wiener Deewan vertrauen bereits seit 2005 auf die Eigenverantwortung und Fairness ihrer Gäste. „Pay as you wish“ lautet das Motto des Restaurants mit ausgezeichneter pakistanischer Küche: Jeder möge so viel bezahlen, wie er will und wie es ihm wert und möglich ist. Das dies funktioniert, beweisen die mittlerweile drei Wiener Standorte.

Kirchliches Business

Die Caritas ist eine soziale Hilfsorganisation der römisch-katholischen Kirche, die unter der Dachmarke Magdas mehrere Social Business in Österreich führt. Sie schaffen Arbeitsplätze für Menschen mit geringeren Jobchancen und verbinden Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, beruflichen Fähigkeiten und sozialer Herkunft. Der bekannteste Geschäftszweig in Wien ist das Magdas Hotel, das 2015 in der Nähe des Praters im 2. Bezirk in einem ehemaligen SeniorInnenheim eröffnet wurde. Die dort Beschäftigten sind vor allem Flüchtlinge, die zudem die charmante Vintage-Inneneinrichtung des Hotels durch Upcycling selbst umgesetzt haben. Nach dem Magdas-Konzept funktioniert auch die Kantine in der Brotfabrik, einem Kreativ-Cluster im 10. Bezirk. Gastronomieprofis und Menschen, die auf dem Weg dorthin sind (Arbeitslose, Flüchtlinge und Jugendliche), betreiben dort gemeinsam eine Kantine mit Kiosk und Catering. Magdas organisiert zudem alljährlich in Österreich das Recycling von rund 450.000 alten Handys, die im Rahmen einer Aktion des öffentlich-rechtlichen Radiosenders Ö3 gesammelt werden.

Menschen mit Einschränkungen

Die handgefertigten Designprodukte von Goodgoods stammen aus Werkstätten, in denen Menschen mit geistiger oder körperlicher Beeinträchtigung arbeiten. Die auf der Website angebotenen Taschen, Textilien und Küchengeräte sind Resultat einer Initiative der Wiener Designerinnen Sofia Podreka und Katrin Radanitsch („Dottings“). Sie vernetzen die Fähigkeiten der Werkstätten und der dort arbeitenden Menschen mit Designschaffenden. Altmaterialien aus Industrie und Gewerbe sind für Gabarage Upcycling Design Ausgangsmaterialien für kreatives Design: Aktenordner werden zu praktischen Taschen, Badminton-Bälle zu witzigen Lampen und U-Bahn-Rolltreppen zu bequemen Sitzgelegenheiten. Der sozialintegrative Betrieb bietet Arbeitsplätze für benachteiligte Personengruppen, zu kaufen gibt es die innovativen und ökologisch nachhaltigen Produkte im Web und im Showroom im 4. Bezirk.

Andere Lebenswelten erfahren

Shades Tours bietet keine Stadtführungen im herkömmlichen Sinn an, sondern Touren mit gesellschaftlich polarisierenden Themen (Armut, Obdachlosigkeit, Flucht, Abhängigkeiten), die von Betroffenen selbst geführt werden. Damit will Shades Tours Bewusstsein für Menschen in prekären Lebenssituationen schaffen, Vorurteile abbauen und über die Herausforderung und Komplexität dieser Themen aufklären. Auch bei Supertramps eröffnen sich neue Perspektiven auf Wien. Die sozialen Stadtrundgänge werden von (ehemaligen) Obdachlosen geleitet, die von ihrem Leben auf der Straße erzählen und Einblick in andere Lebenswelten geben. Bei den 90-minütigen Stadtrundgängen werden Stationen aufgesucht, die symbolisch für die individuelle Situation der Supertramp-Guides sind.