Klinikärzte wollen weniger Verwaltung

Klinik_Verwaltung_optimieren 27-10-19Wer schon einmal eine Klinik als Patient erfahren durfte, konnte sich vom bestehende Missmanagement persönlich überzeugen. Da wird dann bis zu fünf Mal der Name und alle persönlichen Daten abgefragt. Mehrere Mitarbeiterinnen und mindestens zwei Ärzte sind mit der Datenerhebung beschäftigt. Das dadurch Fehler passieren,  Zeit vergeudet wird und die Kosten in die Höhe schießen, ist unausweichlich. Das überrascht umso mehr, weil gerade im Gesundheitssystem erheblicher Fachkräftemangel besteht. Warum es immer noch keine zentrale Datenerhebung und -Verwaltung gibt, leuchtet dem Betrachter deshalb nicht ein.

Darüber hinaus kam es wohl zu erheblichen Falschabrechnungen. So hat der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) in den vergangenen Jahren immer mehr Krankenhausabrechnungen, um angebliche Falschabrechnungen aufzudecken. Was für die beauftragenden Kassen nicht selten erfreuliche Einsparungen zur Folge hat, wird von deutschen Klinikärzten zu 93 Prozent als Misstrauenskultur erlebt, die bei 79 Prozent eine Steigerung des Dokumentationsaufwands in den vergangenen fünf Jahren bewirkt hat und 85 Prozent der Stationsärzte und 68 Prozent der leitenden Ärzte frustriert. Das ergab eine Online-Befragung von 200 Klinikärzten über DocCheck im Auftrag der Asklepios Kliniken. Die Krankenhausärzte halten die Prüfung von Qualität, Kosten und Leistung stationärer Behandlungen zwar für sinnvoll, empfinden die Kontrolle durch die Krankenkassen mit Hilfe des MDK aber zu 92 Prozent als zu stark, wünschen zu 89 Prozent Standards für die Prüfungen und sogar 93 Prozent plädieren für eine unabhängige Kontrollinstanz. „Die Studienergebnisse bestätigen auf erschreckende Weise, wie sich der Missbrauch des Medizinischen Dienstes durch die Kostenträger auf die Kliniken auswirkt“, sagt Kai Hankeln, CEO der Asklepios Kliniken GmbH & Co. KGaA. „Mithilfe der Prüfungen erhalten sie einen immer größeren Anteil erbrachter Leistungen praktisch kostenfrei“, so Hankeln weiter, „der Versuch das zu vermeiden, erhöht ständig den Dokumentationsaufwand für die Kliniken und belastet das Personal in inakzeptabler Weise.“ Tatsächlich waren fast allen Klinikärzten Fälle von nicht erstatteten Leistungen aus den vergangenen zwölf Monaten bekannt, 22 Prozent gaben sogar an, dass dies „oft“ in ihrer Klinik vorgekommen sei. Bei Kliniken konfessioneller Träger berichteten das für die eigene Station 24 Prozent und für die eigene Klinik 32 Prozent. Aus Krankenhäusern öffentlicher und privater Trägerschaft wurde das für die eigene Station mit 13 bzw. 20 Prozent und für das eigene Haus mit 21 bzw. 15 Prozent berichtet.

Steigender Bürokratieaufwand

Ausufernde Bürokratie frustriert 85 Prozent der Stationsärzte und 68 Prozent der leitenden Ärzte Da die deutschen Kliniken aufgrund ihrer ökonomisch schwierigen Lage und der im internationalen Vergleich geringen Erlöse für die Fallpauschalen (DRG) auf die Kostenerstattung erbrachter Leistungen angewiesen sind, steigt der Aufwand, um dem MDK keinen Vorwand für Beanstandungen zu liefern. So haben alleine in den vergangenen fünf Jahren aus Sicht der Ärzte die Nachweispflicht um 89 Prozent, die Bürokratie um 88 Prozent und die Belastung durch Dokumentation und Administration um 86 Prozent zugenommen. Stationsärzte verbringen im Schnitt 46 Prozent ihrer Arbeitszeit mit Administration und Dokumentation, bei 32 Prozent macht dies mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit aus. 79 Prozent sehen sich gezwungen, deutlich mehr Zeit für Administration und Dokumentation aufzubringen als sie möchten, 74 Prozent der Ärzte frustriert das, 70 Prozent haben den Eindruck, dass die Kostenvorgaben der Krankenkassen über dem medizinischen Sachverstand der Ärzte stehen, und 62 Prozent können viel weniger Zeit für die Behandlung der eigenen Patienten aufbringen, als es nötig wäre. Mit 56 Prozent kann über die Hälfte Ablehnungen nicht nachvollziehen und jeder zweite Arzt fühlt sich bevormundet.

Wer will Klinikarzt werden?

Wenig überraschend, dass sich diese negativen Eindrücke auf die Attraktivität des Berufsbildes „Klinikarzt“ auswirken: Sie nahm parallel um 56 Prozent ab. Für die Betroffenen ist die Lösung naheliegend: Zu 97 Prozent sind sie dafür, dass Ärzte und Pflegekräfte sich weniger mit Verwaltung und Dokumentation beschäftigen sollten, sondern mehr mit der Behandlung ihrer Patienten. Mit dieser Forderung sind sie nicht allein, denn in einer repräsentativen Umfrage der Bevölkerung vertraten 94 Prozent der Befragten den gleichen Standpunkt. Auch andere Fachleute sehen es ähnlich, denn erst im Januar dieses Jahres hat die Hamburger Krankenhausgesellschaft unter dem Motto „Weg vom Schreibtisch – zurück zum Patienten“ ein Ende der Kontrollkultur und Bürokratieabbau gefordert.

Unabhängige Prüfinstanz gefordert

Die Klinikärzte wehren sich nicht prinzipiell gegen eine Qualitätskontrolle, sie wünschen sie sich lediglich zu 93 Prozent durch eine unabhängige Instanz, die nicht wie der MDK den Interessen einer anderen Partei unterworfen ist und gemäß nachvollziehbarer Standards für die Prüfungen. Die von 93 Prozent der Klinikärzte erlebte Misstrauenskultur geht eindeutig zu Lasten der Patienten: Entscheidungen nach Aktenlage gehen für 84 Prozent an deren Bedürfnissen vorbei, 67 Prozent sehen Patienten leiden, weil notwendige Rehabilitationen oder Hilfsmittel nicht bewilligt wurden. Für 62 Prozent erfolgt die Kostenkontrolle zu Lasten der Patienten und 27 Prozent finden, sie verhindert sogar teilweise, dass die Patienten gesund werden. Auch unter der Allgemeinbevölkerung findet die Idee einer unabhängigen Prüfinstanz mit 80 Prozent eine breite Zustimmung, und mehr Behandlung statt Dokumentation befürworten 94 Prozent der Befragten. Zugleich scheinen sie sich von idealistischen Vorstellungen gelöst zu haben und vermuten zu 78 Prozent, dass Ärzte mehr auf die Kosten als auf die Bedürfnisse der Patienten achten müssen. 64 Prozent vermuten als Grund für die Kontrollen, dass so ein Anstieg der Krankenkassenbeiträge vermieden werden soll.

Ja, eine unabhängige Prüfinstanz ist sicherlich eine sinnvolle Lösung. Doch eine Rechnungsprüfung des Zahlenden ist unabdingbar. Wenn dabei Unregelmäßigkeiten auftreten, so sind diese zu korrigieren. Wenn das mehrfach erfolgt, so ist auch die Strafverfolgung notwendig. Denn die Sozialversicherungen verwalten Gelder ihrer Mitglieder, also der Patienten. Da die Patienten meist nicht zur Rechnungsprüfung in der Lage sind – denn ihnen wird die Rechnung überhaupt nicht vorgelegt, und wenn, so verstehen Sie diese Rechnung nicht – so muss die Prüfung vom Beauftragten erfolgen. Und der Rechnungssteller muss diesem nachweisen und dokumentieren, was er berechnet. Die Studie soll den „Schwarzen Peter“ den Sozialversicherung zuschieben. Doch, liebe Krankenhausbetreiber, die Hausaufgaben müssen selbst gemacht werden. Interne Betriebsabläufe optimieren und die Datenverarbeitung und Sicherheit an die Erfordernisse anpassen, das ist die ureigenste Aufgabe von Kliniken. Einige private Häuser zeigen ja schon, wie es geht.