Fachkräftemangel

Die Klagen werden immer lauter: immer weniger Fachkräfte stehen zur Verfügung. Zwar wird das Renteneintrittsalter in den nächsten Jahren steigen, doch reicht das aus? Wie gut, dass es unermüdliche „Rentner“ gibt, die Tag für Tag ihren Dienst versehen. So ist es auch mit dem VW Bulli. Zwar ist die abgebildete Version heute nur noch selten auf unseren Straßen zusehen. Doch seine Kollegen prägen das Bild bei Handwerkern und Freizeitenthusiasten.

Nicht zu alt

70 Jahre ist es her, dass Volkswagen mit dem Typ 2 genannten Transporter das wirtschaftliche Leben Europas wieder ins Rollen brachte. Der Bulli, wie ihn im deutschsprachigen Raum jeder nannte, obwohl er so noch nicht heißen durfte, entwickelte sich mit großer Geschwindigkeit zum Welterfolg. Wie der Käfer wurde er zum Symbol des Wiederaufbaus und zum Motor des Wohlstands. Heute zählt der T1, die erste Modellgeneration, zu den Ikonen der Automobilgeschichte und ist weltweit als Oldtimer ein Sammlerobjekt.

Am 23. April 1947 zeichnet der noch im selben Jahr als niederländischer Volkswagen Importeur durchstartende Ben Pon mit wenigen Strichen einen Transporter in sein Notizbuch. Form follows function in seiner reinsten Form – denn was Pon auf dem Papier entworfen hatte, ist die Ur-Definition eines kompakten Nutzfahrzeugs mit maximaler Raumausnutzung: Boxermotor im Heck, Fahrer weit vorn und dazwischen sehr viel Platz. Die Pon-Zeichnung gilt als Initialzündung des T1 – der ersten Generation des Transporter. Die Verwirklichung des ehrgeizigen Plans nimmt Fahrt auf, als Heinrich Nordhoff 1948 als Direktor die Führung von Volkswagen übernimmt. Auch wenn in Wolfsburg das Geld und die Fertigungskapazitäten für eine zweite Modellreihe neben dem Volkswagen knapp sind, machen sich Dr.-Ing. Alfred Haesner und Konstrukteur Josef Kales ans Werk. Bereits der erste Prototyp zeigt jedoch, dass sich das Chassis des Käfer für die angedachte Belastung nicht eignet. Schon der zweite besitzt eine neue Bodengruppe mit selbsttragender „Flugzeug-Bauweise“ und zwei Längsträgern statt des Zentralrohrs. Nach 51-wöchiger Entwicklungszeit feiert der neue Transporter am 12. November 1949 Weltpremiere, am 8. März 1950 startet die Produktion des „Transporter 1“ alias T1 – es ist nichts weniger als die Geburtsstunde einer Legende.

Eher Kleinwagenformat

Zunächst fährt der T1 als Kastenwagen vom Band, 4,10 Meter lang, 1,66 Meter breit und 1,90 Meter hoch sowie mit einem Laderaum, der mehr als 4,5 Kubikmeter fasst. Die zweigeteilte „Split Window“-Frontscheibe, die dem Transporter in englischsprachigen Ländern den Spitznamen „Splittie“ einträgt, besteht aus ungewölbtem Glas. Das Lenkrad steht vergleichsweise flach, das Blech-Armaturenbrett wird direkt mit der Karosserie verschraubt. Die leicht rundliche Bugpartie mit der V-förmigen Sicke und dem großen VW-Logo senkt den Luftwiderstandsbeiwert auf cw 0,45 – damit ist der T1 windschnittiger als der Käfer (0,48). Um das von Nordhoff geforderte Leergewicht von 850 Kilogramm einzuhalten, entfallen zunächst auch Stoßfänger und die Heckscheibe. Mit dem 18 kW / 25 PS starken und 1,1 Liter großen Vierzylinder-Boxer aus dem Volkswagen fährt der kurz übersetzte T1 gut 80 km/h. Bis 1967 steigt der Hubraum auf 1,5 Liter, die Leistung auf 32 kW / 44 PS und die Höchstgeschwindigkeit auf 105 km/h.

Modellvielfalt

Zügig folgen weitere Karosserievarianten: die sogenannte Kombiwagen-Ausführung (verglaster Fond) steht schon einen Monat nach Produktionsbeginn bereit, danach auch der Kleinbus und ein Pritschenwagen mit klappbaren Bordwänden sowie einer vier Quadratmeter großen Ladefläche – sozusagen Europas Antwort auf den Pick-up. Jenes Sondermodell, das heute als begehrtestes Derivat der gesamten T1-Reihe gilt, debütiert im Juni 1951: der „Kleinbus Sondermodell“; im Volksmund „Samba-Bus“ genannt. Er bietet Platz für neun Personen und zeichnet sich durch bis zu 23 Fenster, eine Zweifarblackierung, viel Chromzierrat und eine luxuriöse Ausstattung inklusive Faltschiebedach aus.

Ungezählte Sonderausführungen als Krankenwagen, Camping- und Reisemobil, Polizei- und Feuerwehr-Fahrzeuge oder Verkaufswagen mit seitlicher Klappe kommen hinzu – die weltweite Nachfrage nach einem ebenso vielseitigen wie pflegeleichten und kostengünstigen Nutzfahrzeug, das in den gleichen Werkstätten gewartet und repariert werden kann wie der Käfer, ist in den 1950er-Jahren riesig. 1956 verlegt Volkswagen die Fertigung in das neue Werk Hannover, wo am 2. Oktober 1962 das einmillionste Exemplar montiert wird. 1958 ist der T1 auch als „Doka“ erhältlich, also ein Pritschenwagen mit Doppelkabine. Im Juli 1967 läuft die Produktion in der niedersächsischen Landeshauptstadt nach mehr als 1,8 Millionen Exemplaren zugunsten seines Nachfolgers T2 aus. In Brasilien wird der T1 sogar noch bis 1975 gebaut.

Eines war der ersten Generation des Transporter nicht vergönnt: Sie selbst durfte sich aus Markenschutz-Gründen nie „Bulli“ nennen – auch wenn sie dieser Spitzname im deutschsprachigen Raum treu begleitete. Erst 2007, zum 60. Jubiläum der Modellreihe, hat Volkswagen Nutzfahrzeuge die Rechte an der Wortmarke übernommen.