Aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung wegen der Gesundheitskrise wird vermutet, dass es nun mit der deutschen und weltweiten Wirtschaft steil bergab geht. Nun haben aber die Bundesregierung und die Europäische Union verschiedene Maßnahmen angeschoben um gerade einem steilen wirtschaftlichen Absturz zu verhindern. Auch wenn es in der EU noch einigen Abstimmungsbedarf benötigt, so scheinen die deutschen Regelungen schon erste Ergebnisse zu liefern.
Lehrstellen noch unbesetzt
Im Gebiet der Handwerkskammer Reutlingen gibt es 13.600 Handwerksbetriebe, davon bilden knapp 3.000 regelmäßig junge Menschen aus. Für viele Betriebe ist es in den letzten Jahren grundsätzlich schwieriger geworden, die dringend benötigten Nachwuchskräfte zu gewinnen. Demografischer Wandel und die immer stärker werdende Tendenz junger Menschen zu schulischen bzw. akademischen Bildungsgängen könnten Grund für den erheblichen Rückgang neu abgeschlossener Berufsausbildungsverträge sein. Dem widerspricht aber der erneut gestiegene Anteil an Abiturienten, die sich für eine Ausbildung im Handwerk begeistern – der Anteil der Abiturienten bei den neu abgeschlossenen Verträgen ist nunmehr auf 14,7 Prozent angestiegen. Das regionale Handwerk muss sich dieser Situation stellen.
„Die Bereitschaft auszubilden ist trotz Corona-Krise da, in diesem Jahr haben wir sogar 200 Lehrstellen mehr in unserer Lehrstellenbörse eingetragen als im vergangenen Jahr. Uns ist auch nicht bekannt, dass Betriebe schon abgeschlossene Ausbildungsverträge wegen der Krise aufgelöst hätten“, sagt Christiane Nowottny, Geschäftsbereichsleiterin Berufsausbildung, Prüfungs- und Sachverständigenwesen der Handwerkskammer Reutlingen. „Was uns und den Betrieben Sorge bereitet, ist, dass das Beratungsangebot in den Arbeitsagenturen und in den allgemeinbildenden Schulen coronabedingt eingeschränkt war und immer noch ist. Auch Berufsorientierungsmessen, Infobörsen und -tage und Veranstaltungen, auf denen wir und die Betriebe für das Handwerk geworben haben, konnten nicht stattfinden. Die größte Herausforderung ist daher aktuell, die Jugendlichen in die duale Ausbildung zu vermitteln“, erklärt Nowottny.
Freie Stellen
Aktuell sind für das Ausbildungsjahr 2020 noch 754 Lehrstellen zu besetzen. Zu den Gewerken mit den meisten offenen Lehrstellen im gesamten Kammergebiet gehören die Anlagenmechaniker für Sanitär, Heizungs- und Klimatechnik (73 freie Stellen), die Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk (62 freie Stellen), die Mauer (61 freie Stellen) und die Maler- und Lackierer (59 freie Stellen).
Ziel der Handwerkskammer ist es, in den nächsten Wochen durch entsprechende Maßnahmen wie Kinowerbung, Anzeigenschaltung, Azubicard und verstärkte Angebote in den sozialen Medien noch intensiver Jugendliche und Betriebe zusammenzubringen. „Darauf fokussieren sich unsere Aktivitäten, denn bis zum Start des Ausbildungsjahres sind es noch einige Wochen, da geht sicher noch so einiges“, so die Geschäftsbereichsleiterin. „Auch unsere neue WhatsApp-Sprechstunde, die Montag bis Donnerstag von 10 bis 16 Uhr und freitags von 10 bis 13 Uhr stattfindet, zielt ganz auf das kommunikative Verhalten der Schülerinnen und Schüler ab. Sie erhalten Antworten rund um Berufswahl, Voraussetzungen und Tipps zur Bewerbung, und zwar unkompliziert, schnell und völlig anonym.“
Laut einer Studie vertrauen 50 bis 60 Prozent der Jugendlichen ihren Eltern, wenn es um die berufliche Orientierung geht. „Die Elterneinbindung in der Berufsorientierung darf nicht außer Acht gelassen werden. Jugendliche schätzen ihre Eltern als kompetente Unterstützer. Deshalb müssen wir die mit ins Boot holen und die Vorzüge einer Ausbildung im Handwerk immer wieder betonen. In vielen Fällen sind die Möglichkeiten, die eine Berufsausbildung im Handwerk bietet, Eltern und Lehrern nicht bekannt. Das müssen wir in Zukunft ändern“, sagt Nowottny.