Multiresistent

Haben Sie das schon einmal erlebt: Ihr Arzt verschreibt Ihnen aufgrund einer Erkrankung ein Medikament und die erhoffte Wirkung bleibt aus. Und nicht nur das: Die Schmerzen werden stärker. Auch ein weiteres Medikament hilft nicht. Jetzt ahnen Sie, liebe Leserinnen und Leser, worum es geht: multiresistente Bakterien haben ihren Körper heimgesucht. Dann helfen nur noch sehr wenige Medikamente.

Antibiotika

Antibiotika waren viele Jahre das Allheilmittel für eine Vielzahl von Erkrankungen. Doch aufgrund deren inflationären Verwendung bildeten sich Resistenzen. Die Wirkung lies nach. Wie kam es dazu? In der Tierproduktion unter anderen bei Schweinen als auch in Aquakulturen wie bei Lachs und Muscheln wurde und wird aufgrund der Massentierhaltung zwecks Vermeidung von Krankheiten Antibiotika vorbeugend verwendet. Darüber hinaus nahmen die Tiere auch schneller Gewicht zu. Das versprach mehr wirtschaftlichen Erfolg. Doch die Folgen wurden erst später erkannt, aber nicht konsequent verhindert. Nun liegen erste wissenschaftliche Ergebnisse aus dem maritimen Bereich vor, die die Resistenz auch dort bestätigen.

Forschende rund um Privatdozent Dr. Jörn Petersen vom Leibniz-Institut Braunschweig haben erstmals die Relevanz von Antibiotikaresistenzen in der Gruppe der marinen Roseobacter-Bakterien untersucht und konnten nachweisen, dass ein über den horizontalen Gentransfer aufgenommenes Plasmid eine um über 50-fach erhöhte Toleranz gegenüber dem Breitbandantibiotikum Chloramphenicol vermittelt.

Roseobacter sind bereits Teil des Resistoms der Weltmeere

Bakterien der Roseobacter-Gruppe machen bis zu einem Viertel der Bakterien in den Ozeanen aus. Die Arbeitsgruppe um den Mikrobiologen Jörn Petersen erforscht seit einigen Jahren diese Alphaproteobakterien. Sie spielen eine zentrale Rolle im globalen Kohlenstoff- und Schwefelhaushalt und besitzen aufgrund ihres vielseitigen Stoffwechsels ein großes Potential für die biotechnologische Nutzung. Im Rahmen der jetzt veröffentlichten Studie untersuchten die Forschenden eine bisher noch nicht charakterisierte Gruppe von Plasmiden, ringförmigen DNA-Molekülen, die sich unabhängig vom Bakterienchromosom in der Bakterienzelle vervielfältigen. Mit Hilfe von Plasmiden tauschen Bakterien genetisches Material schnell und unkompliziert untereinander aus und tragen damit entscheidend zur Entstehung multiresistenter Krankenhauskeime bei. Das hier untersuchte konnte sehr einfach durch eine Art molekulare Rohrpost in weitere Meeresbakterien übertragen werden. Basierend auf ihren Ergebnissen gehen die Forschenden davon aus, dass die in der Studie untersuchten Roseobacter-Stämme aus spanischen Aquakulturen vor relativ kurzer Zeit die Antibiotikaresistenz über horizontalen Gentransfer von entwicklungsgeschichtlich entfernt verwandten Gammaproteobakterien übernommen haben. Untermauert wird die Hypothese von der Tatsache, dass das Resistenzgen bisher in keiner weiteren Art der untersuchten Meeresbakterien gefunden wurde, es aber häufig auf Plasmiden von für Mensch und Tier gefährlichen Krankheitserregern wie Salmonella enterica oder Vibrio cholerae vorkommt.

Muscheln aus spanischen Aquakulturen betroffen

Da die von uns untersuchten Bakterien von Muscheln aus spanischen Aquakultur-Farmen isoliert wurden, ist davon auszugehen, dass die erworbene Toleranz gegenüber Chloramphenicol eine genetische Altlast früheren Antibiotikaeinsatzes ist.“ erläutert der Erstautor der Studie Lukas Birmes. In Aquakulturen wurden früher häufig Antibiotika eingesetzt, um prophylaktisch möglichen Krankheiten vorzubeugen oder das Wachstum zu fördern. Aufgrund der Konsequenzen für Mensch und Natur wurde der Einsatz solcher Medikamente in den letzten Jahren aber in vielen Ländern stark reduziert. Bemerkenswert ist, dass in mehr als einem Dutzend anderer nah verwandter Phaeobacter-Stämme, deren Genom komplett entschlüsselt ist und die in den Meeren vor Dänemark, Frankreich, Deutschland und Australien isoliert wurden, das Gen für die Chloramphenicol-Toleranz nicht vorhanden ist. Man wolle keine Schuldzuweisungen aussprechen, stellen die Forschenden klar. „Aber Ergebnisse wie das unsrige zur Verbindung von Gesundheitswesen, Tierzucht und mariner Aquakultur machen deutlich, wie eng die Welt heutzutage aus biologischer Sicht vernetzt ist. Der Mensch sollte sich bewusst sein, welchen Fußabdruck er im Anthropozän hinterlässt.“ fasst Jörn Petersen zusammen.