Fairtrade muss sein

Was vielen Käufern von Fairtrade-Produkten nicht immer gegenwärtig ist, dass gerade die Arbeitsbedingungen für diese Produkte höheren Standard erfüllen müssen. Es geht also neben der ökologischen Anbauweise und einem „gerechtem“ Preis um die Arbeitsbedingungen vor Ort. Anscheinend gibt es dort Handlungsbedarf, wie luckx – das magazin erfuhr.

Bauwollanbau in Indien

So wurde die Fairtrade Organisation dazu aufgerufen, den im Baumwollanbau in Indien angewendeten Fairtrade-Standard für Vertragsproduktion nachzubessern. Damit soll den Ergebnissen einer Vor-Ort-Recherche auf indischen Baumwollfeldern Rechnung getragen werden. Diese führte das SÜDWIND-Institut zusammen mit dem indischen Partner Center for Labour Research and Action (CLRA) in der Saison 2020/21 durch. Verglichen wurden in dieser nicht-repräsentativen Untersuchung die Arbeitsbedingungen auf Fairtrade-zertifizierten Baumwollfarmen mit denen auf konventionellen Baumwollfarmen.

Die Befragung von rund 270 Feldarbeiter im Baumwollanbau in Indien zeigte, dass sich die Arbeitsbedingungen auf den Fairtrade-zertifizierten Baumwollfarmen kaum von jenen auf konventionellen Baumwollfarmen unterschieden: ob bei der Unterschreitung von Mindestlöhnen, bei Kinderarbeit außerhalb familiärer Arbeitszusammenhänge, bei Diskriminierungserfahrungen oder bei der fehlenden medizinischen Versorgung. Beobachtete Unterschiede scheinen eher im Zusammenhang mit verschiedenen Anbauregionen zu stehen:

So wurden zum Beispiel in den Bundesstaaten Madhya Pradesh und Odisha die Mindestlöhne auf Fairtrade- und konventionellen Farmen deutlich unterschritten, während sie in Gujarat näher am Mindestlohn lagen oder diesen sogar überstiegen“, so Dr. Sabine Ferenschild vom SÜDWIND-Institut. Während die beobachtete Kinderarbeit im Zusammenhang mit der Covid-19-Krise stehen könnte und deshalb weiterer Nachforschungen bedarf, sieht das Institut die Ergebnisse zur Lohnsituation der Feldarbeiter sehr kritisch. Menschenwürdige Arbeit kann mit solch niedrigen Löhnen nicht sichergestellt werden.

Zertifizierungsprobleme und Reaktion von Fairtrade

Die Grundproblematik liegt im angewandten Fairtrade-Standard: „Die vier untersuchten Kooperativen sind nach dem Fairtrade-Standard für Vertragsproduktion zertifiziert“, so Ferenschild weiter. „Dieser Standard enthält in Bezug auf Arbeitsrechte nur die Kriterien ‚Keine Kinderarbeit‘, ‚Keine Zwangsarbeit‘ und ‚Keine Diskriminierung‘. Damit formuliert der Standard nicht einmal explizite Kriterien zu allen Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), zu denen auch die Gewerkschaftsfreiheit gehört. Das geht so nicht. Fairtrade muss diesen Standard dringend nachbessern.“

Dazu legte Fairtrade eine schriftliche Stellungnahme vor. Neben Kritik am Zeitpunkt der Untersuchung in der Corona-Pandemie und an methodischen Aspekten äußerte Fairtrade aber auch: „Als lernende Organisation nehmen wir die Kritik sehr ernst und sind bemüht, auch unsere Standards und Programme entsprechend weiterzuentwickeln. Die Studienerkenntnisse werden sowohl in die Überarbeitung des Standards für Vertragsanbau als auch indirekt in die nächste Überarbeitung des Baumwollstandards einfließen. Eine Überprüfung der Standards ist bereits beantragt.“

Es erscheint schon sehr überraschend, dass nun auch das Corona-Virus für die aufgeweichten Arbeitsbedingungen herhalten muss. So etwas darf von Fairtrade nicht angeführt werden, wenn tatsächlich die Arbeitsbedingungen als ein wesentlicher Faktor für Fairtrade gelten soll. Hier muss mehr auf die Einhaltung der eigenen Standards geachtet werden um nicht unglaubwürdig zu erscheinen. Denn das gibt den konventionellen Produzenten immer Argumente für ihre Produktionsmethoden. Und Konsumenten fühlen sich getäuscht.