Missbraucht wird der Bierdeckel vornehmlich als Unterlage für Biergläser und Bierkrüge. Doch auch Politiker meinen mit dem Deckel ihre politische Karriere fördern zu wollen. Luckx – das magazin hat recherchiert.
Steuererklärung
Seine Bekanntheit verdankt der Politiker Friedrich Merz seinem Vorschlag, die Steuererklärung müsste auf einem Bierdeckel passen. Das war 2003. Bis heute ist er seinem Ansinnen nicht ein Schritt näher gekommen, obwohl seine Partei 16 Jahre lang dazu Gelegenheit hatte. Doch anstatt das Steuersystem zu vereinfachen – was die bierseligen Intention wohl einmal war –, ist das System immer komplizierter geworden. Doch das liegt weder am dem Deckel noch an dem Bier, was darauf steht.
Nun hat Merz bestimmt nicht an eine Sonderform des Bierdeckels von mehreren Seiten gedacht. Wohl eher an dem gebräuchlichem Durchmesser von 110 mm und 1,2 bis 1,5 mm Dicke. Doch warum gibt es eigentlich so einen Bierdeckel?
Wolle oder Pappe?
Bier gibt es schon seit vielen hundert Jahren in Deutschland und hat sich zu einem Volksgetränk entwickelt. Doch das Volk war nicht immer mit der Qualität ihres Saftes zufrieden. Um es nicht zu Unstimmigkeiten kommen zu lassen, haben dann die bayerischen Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig X. in Ingolstadt am 23. April 1516 eine Landesordnung erlassen. Darin wurde festgelegt, dass zur Bierherstellung nur Wasser, Malz und Hopfen verwendet werden dürfen. Später kam dann noch die Hefe dazu. Damit ist das deutsche Reinheitsgebot das älteste Lebensmittelgesetz der Welt.
Doch wenn dann die bierselige Gemeinschaft im Biergarten saß, passierte das, was nicht passieren sollte: Ungeziefer und Laub konnten das Bier verunreinigen. Also musste eine Abdeckung her. Zwar tranken im 19. Jahrhundert die reicheren Leute das Bier aus Bierseideln mit Deckeln aus Zinn oder Silber. Einfachere Leute benutzten Krüge ohne Deckel. Als Untersetzer dienten damals Filze, die so genannten Bierfilze. Diese waren meist aus Wolle und konnten bei Verschmutzung einfach gewaschen werden. Trank man Bier im Freien, dann legte man diese Filze auf den Krug. Aus dieser Funktion des Abdeckens stammt der Name Bierdeckel. Diese Bierfilze waren meist feucht und begünstigten die Vermehrung von Bakterien, sie waren also recht unhygienisch. Hinzu kam das Problem ihrer Wiederverwendung. Die feuchten Bierfilze wurden von der Bedienung beim Abräumen wieder eingesammelt und in Bierfilzständern, Einsätzen oder dachziegelartig aufgereiht luftgetrocknet.
Erfindung des Bierdeckels
Ab 1880 stanzte die Kartonagenfabrik und Druckerei Friedrich Horn in Buckau bei Magdeburg Bierglasuntersetzer aus Pappe und druckte verschiedene Motive auf. Schließlich erfand Robert Sputh aus Dresden 1892 den Vorläufer des heutigen Bierdeckels, die so genannten Holzfilzplatten oder Faserguss-Untersetzer, bei denen der Papierbrei in runde Formen gefüllt und getrocknet wurde. Diese Holzfilzplatten hatten bereits einen Durchmesser von 107 Millimeter, waren 5 Millimeter dick und wurden in der Sputhmühle in Mittelndorf produziert.
Bereits 1872 übernahm Robert Sputh als 29jähriger die Papiermühle Seifersdorf nahe der heutigen „Bierstadt Radeberg“ und tüftelte immer wieder an speziellen und praktischen Artikeln für den täglichen Bedarf. Der Anstoß für die Serienproduktion entstand, wie so oft, aus einer Krise, die 1890/91 in der Holzindustrie mit Überproduktion bestand. Mit dem „Verfahren der Herstellung von Holzfilzplatten oder Holzfilzdeckeln“ patentierte er dann 1892 die ersten Bierglasuntersetzer. Der saugfähige Bierdeckel aus Holzschliff ersetzte dann den bis dahin in der Gastronomie verwendeten Untersetzer aus Filz.
Heute ist die Vielfalt der Verwendung des Bierdeckels als Marketingprodukt, praktischer Helfer und für Sammler ein ganz besonders interessanter Artikel, der aus dem Alltag kaum wegzudenken ist. Zwar sind immer mal neue Materialien, wie Kunststoff und Glas zum Einsatz gekommen, doch die Besonderheit des saugfähigen Bierdeckels ist einfach besser.