Das letzte Wochenende hat es wieder einmal gezeigt: ein paar Tage frei und schon staut es sich überall. Und zwar auch dort, wo es eigentlich nicht zu einem Stau kommen müsste. Was beim Stau so alles beachtet werden sollte, hat luckx – das magazin recherchiert.
Lass uns Samstag fahren
Wer garantiert in einem Stau landen möchte, sollte unbedingt an einem Samstag unterwegs sein. Denn nichts ist attraktiver, als ein Kurztrip an einem Wochenende. Reiseprofis vermeiden insbesondere diese Hauptreisezeiten. So sind auch die bekannten und gefürchteten Sonntagsfahrer unterwegs. Meist mit wenig Fahrerfahrung. Da ist dann kein Unterschied zwischen jung und alt festzustellen. Außer: die jüngeren sind aggressiv-unsicher und die älteren meist verhalten-unsicher. Beides führt zu Staus; insbesondere an einfachen Stellen wie zum Beispiel einer Fahrspurreduzierung. Dort gilt das Reissverschlußsystem: bis zur Engstelle in beiden Spuren fahren und dann fädelt jeweils ein Fahrzeug von links und rechts nacheinander in die eine Spur ein. Einfach, oder? Doch immer wieder kommt es gerade an solchen Stellen zu gefährlichen Verkehrssituationen, weil zu früh eingefädelt werden will oder mit zu hoher Geschwindigkeit an die Engstelle gefahren wird. So mancher fühlt sich dann persönlich angegriffen und lässt andere Verkehrsteilnehmer rechtswidrig nicht einfädeln.
Stau ändert nichts am Vorfahrtsrecht
Fahrzeuge, die von einer Einfädelungsspur auf eine Fahrbahn auffahren, müssen das Vorfahrtsrecht auf der Fahrbahn beachten. Auch wenn dort Stau oder Stop-and-go-Verkehr herrscht, dürfen sie sich nicht einfach dazwischendrängeln. In einem konkreten Fall versuchte ein Pkw-Fahrer, sich von der Einfädelungsspur vor einen Lkw zu quetschen. Der Lkw-Fahrer übersah das kleinere Fahrzeug und es kam zum Auffahrunfall. Der Fall landete vor Gericht, weil der Pkw-Fahrer Schadensersatz forderte. Doch es besteht keinerlei Anspruch dartauf, denn das Vorfahrtsrecht gilt uneingeschränkt und unabhängig von der Verkehrslage. Wer einfädelt, muss zudem ein Höchstmaß an Sorgfalt an den Tag legen; auch die hatte der Pkw-Fahrer vermissen lassen. Darüber hinaus muss allen Verkehrsteilnehmern bekannt sein, dass ein Lkw-Fahrer allein aufgrund der erhöhten Bauart seines Gefährts eine eingeschränkte Sicht auf den Vorder- und Seitenbereich hat. Den Schaden musste der Pkw-Fahrer begleichen (Oberlandesgericht Hamm, Az.: 9 U 23/20). Etwas mehr Glück hatte ein Ferrari-Fahrer, der immerhin 25 Prozent des Schadens in einem ähnlichen Fall erstattet bekam. Er war ebenfalls mit einem Lkw kollidiert, nachdem er vom Beschleunigungsstreifen auf eine Fahrbahn auffuhr, auf der Stau herrschte. Dabei war er sogar über die durchgezogene Linie am Anfang der Beschleunigungsspur gefahren. Der Lkw reagierte zu spät und rammte die Luxus-Karosse. Die Richter waren allerdings der Ansicht, dass sich aus der Betriebsgefahr eines Lkw eine Mithaftung von 25 Prozent ergibt (Oberlandesgericht Celle, Az.: 14 U 186/20).
Warnblinker am Stauende
Autofahrer sind grundsätzlich verpflichtet, an einem Stauende den Warnblinker einzuschalten, wenn sich aufgrund des Staus eine Gefahr für den nachfolgenden Verkehr ergibt. In einem konkreten Fall war das nach richterlicher Ansicht aber nicht der Fall und der Kläger verlor. Er war auf einen Lkw aufgefahren, der wegen eines Staus abgebremst hatte, ohne den Warnblinker einzuschalten. Da es aber keine Gefahr für nachfolgende Fahrzeuge gegeben hatte, sondern der Pkw-Fahrer einfach nur unaufmerksam gewesen war, wurde die Klage abgelehnt (Landgericht Hagen, Az.: 1 O 44/22).
Nutzung des Seitenstreifens
Auch wenn die Blase drückt: Auf dem Standstreifen anhalten, um sich am Grünstreifen zu erleichtern, oder an allen vorbeizufahren, um schneller zur nächsten Ausfahrt zu kommen, ist tabu, Auch zum Telefonieren, Windeln wechseln oder für sonstige Aktivitäten darf nicht auf einem Seitenstreifen angehalten oder gefahren werden. Liegt kein Notfall vor, ist er für den fließenden Verkehr gesperrt. Gleiches gilt übrigens während Staus oder im Stop-and-go-Verkehr, wenn die Räder nur teilweise rollen. Und wenn es auf dem Seitenstreifen kracht, müssen die Beteiligten mit einer Aufteilung der Schuld rechnen (Landgericht Bochum, Az.: 11 S 44/15).
Stau-Regeln
Wenn es sich staut, muss eine Rettungsgasse gebildet werden. Auf mehrspurigen Autobahnen wird diese Gasse zwischen der äußersten linken und der rechts daneben liegenden Fahrspur gebildet. Wer hier unaufmerksam ist, muss im schlimmsten Fall mit über 300 Euro Bußgeld, zwei Punkten in Flensburg sowie einem Monat Fahrverbot rechnen. Keinesfalls darf man im Stau aussteigen, wenden oder rückwärtsfahren; auch hier drohen hohe Bußgelder, Punkte in Flensburg und Fahrverbote. Übrigens: Auch Motorradfahrer müssen sich im Stau hinten anstellen und dürfen sich nicht an allen Fahrzeugen vorbeischlängeln. Erlaubt ist hingegen das Überholen auf der rechten Spur, wenn der Verkehr auf der linken Fahrbahn steht oder höchstens 60 Stundenkilometer (km/h) schnell ist. Dann dürfen Autofahrer, die sich auf der rechten Spur befinden, mit maximal 20 km/h mehr als die Fahrzeuge auf der linken Spur fahren.