Schreibenlernen

Wer vor 60 Jahren seine Schulkarriere begann, musste reihenweise l oder e malen. Solange, bis die Bögen schön rund gelangen. Dann kamen die nächsten Buchstaben an die Reihe. Heute ist es in der Schule anders, wie luckx – das magazin recherchierte.

Mehr als Buchstaben üben

Schreibenlernen ist mehr als Buchstaben üben: Es geht um feinmotorische Präzision, kognitive Verknüpfungen und Motivation. Digitale und hybride Lernmittel können dabei eine wertvolle Unterstützung sein – wenn sie richtig eingesetzt werden. Für die Erstklässler steht der Schulstart vor der Tür – für viele Kinder bedeutet das, die ersten Schritte in Richtung Schreibenlernen zu gehen. Doch wie gelingt dieser wichtige Lernprozess am besten? Und welche Rolle können digitale Tools dabei spielen? „Untersuchungen aus den USA belegen, dass spielerische Übungen auf Tablets, insbesondere solche mit integrierten Belohnungssystemen, die Motivation von Kindern deutlich steigern können“, erklärt Dr. Tal Hoffmann, Geschäftsführerin des Schreibmotorik Instituts. „Schreibübungen mit digitalen Stiften ermöglichen Bewegungen, die denen des analogen Schreibens teilweise ähneln. Allerdings deuten weitere Forschungen darauf hin, dass Kinder auf der glatten Oberfläche von Tablets häufig größere Schwierigkeiten haben als beim Schreiben auf Papier“, so Hoffmann weiter. Grund dafür seien unter anderem der fehlende Widerstand und die reduzierte haptische Rückmeldung.

Unterschiedliche Methoden

Ein aktuelles Forschungsprojekt des Schreibmotorik Instituts (SMI) hat genau diese Fragen untersucht. Eltern und Lehrkräfte testeten drei verschiedene Ansätze zum Schreibenlernen – einen analogen (klassisches Schreiblernheft), einen digitalen (App plus Digitalstift) und einen hybriden (Kombination aus App, Digitalstift mit analoger Schreibfunktion und Heft) – und zogen Bilanz: Alle Methoden haben ihre Stärken, aber auch Schwächen. Aus den Erkenntnissen wurden konkrete Tipps entwickelt, die Eltern und Pädagogen helfen sollen, das passende Tool für ihre Kinder oder Schüler zu finden.

Bevor ein Lernmittel gewählt wird, sollte klar sein: Was genau soll gefördert werden? Feinmotorik? Motivation? Schreibdruck? Unterschiedliche Tools eignen sich für unterschiedliche Schwerpunkte – eine bewusste Entscheidung ist der erste Schritt zum Lernerfolg.

Motorische Förderung durch Haptik

Schreiben mit Stift und Papier ist wertvoll, um die Feinmotorik und die natürliche Stifthaltung sowie Schreibewegungen zu fördern. Bei der Auswahl eines Lernmittels (insbesondere bei digitalen oder hybriden Tools) ist darauf zu achten, dass es die natürliche Schreibbewegungen unterstützt.

Motivation und Lernspaß

Digitale/hybride Elemente sind in die analoge Lernumgebung des Kindes zu integrieren. Digitale Elemente oder spielerische Ansätze können die Motivation der Kinder steigern und das Üben attraktiver machen.

Direktes und differenziertes Feedback

Besonders wertvoll sind digitale und hybride Tools, die unmittelbares, kindgerechtes Feedback geben. Die Kinder erkennen auf diese Weise ihre Fortschritte und können gezielt an Schwächen arbeiten.

Individuelle Anpassbarkeit

Bei der Wahl eines Lernmittels ist darauf zu achten, dass es möglichst den Schwierigkeitsgrad und die Inhalte an den Lernstand und die Bedürfnisse des Kindes anpasst.

Sinnvolle Kombination, wo möglich

Digitale/hybride Tools mit analogen sollten sinnvoll kombiniert werden, je nach Mehrwert und Ziel. Eine Mischung aus analogen (z. B. klassische Hefte) und digitalen/hybriden Methoden bietet gute Lernchancen und eignet sich zur Vorbereitung auf das digitale Leben. Gleichzeitig deckt es verschiedene Lernbedürfnisse ab.

Übersicht und Fortschrittskontrolle

Lernmittel sollten Eltern und Lehrkräften eine einfache Übersicht über Lernfortschritte und Übungserfolge bieten.

Ergonomische Stiftform und Handhabung

Eine kindgerechte, ergonomische Stiftform, sollte genutzt werden, die sowohl Rechts- als auch Linkshändern eine natürliche und gesunde Stifthaltung ermöglicht. Vermieden werden sollten digitale Tools, bei denen die Hand nicht problemlos auf die Schreibunterlage gelegt werden kann, um eine natürliche Haltung zu fördern.

Geringe Ablenkung durch digitale Elemente

Bei digitalen und hybriden Tools ist darauf zu achten, dass spielerische Inhalte nicht zur Ablenkung werden und der Fokus auf dem Schreiben bleibt.

Einsatzkontext bedenken (Schule, Zuhause, Therapie)

Lernmittel sind auch an die jeweiligen Rahmenbedingungen anzupassen – etwa ob es in der Schule, zu Hause oder in der Nachmittagsbetreuung eingesetzt wird und ob jemand das Kind dabei begleiten und anleiten kann. Zu Hause zum Beispiel, wo die Infrastruktur und die Voraussetzungen besser sind, können digitale und hybride Tools oft besser eingesetzt werden als in der Schule.

Pädagogische Qualität

Marken sollten nicht das Auswahlkriterien sein. Entscheidend ist, ob das Lernmittel pädagogisch sinnvoll, zielgerichtet und kindgerecht gestaltet ist.

Schreibenlernen bleibt ein hochkomplexer Prozess, an dem der gesamte Körper sowie 12 Gehirnareale aktiv beteiligt sind. Studien belegen, dass das Schreiben mit der Hand die Entwicklung der Lesefähigkeit fördert und die Rechtschreibkompetenz verbessert. Zudem unterstützt es das Gedächtnis und erleichtert das Erlernen neuer Informationen. „Das Handschreiben ist somit auch im digitalen Zeitalter für die gesunde motorische und kognitive Entwicklung von Kleinkindern sowie für den schulischen Erfolg von großer Bedeutung“, betont Dr. Tal Hoffmann. „Digitale und hybride Tools bieten allerdings heute neue Chancen, Kinder individuell zu fördern. Wer gezielt auswählt und den Einsatz gut begleitet, kann das Beste aus beiden Welten nutzen: digitale Motivation und analoge Motorikförderung. Denn am Ende zählt, was wirklich beim Kind ankommt“, so die Schreibmotorik-Expertin weiter.

Zur Studie

Das Projekt zum Vergleich von analogen, digitalen und hybriden Schreiblernmethoden wurde mit 27 Eltern und Lehrkräften von Vorschul- bis Zweitklässlern durchgeführt. Ziel war es, herauszufinden, welche Methoden welchen Mehrwert bieten – für eine fundierte, praxisnahe Orientierungshilfe zum Schulstart.