Was bei uns Menschen aufgrund von Datenschutzbestimmungen unmöglich ist, wird gerade in Lettland praktiziert: mit der Überwachungskamera wird ins Schlafzimmer einer Schreiadler-Familie geschaut. Und das hat seinen besonderen Grund: Die Deutsche Wildtier Stiftung lässt beobachten, ob Mama- und Papa-Schreiadler genug Nahrung finden oder nicht. So lässt sich per Webcam die Fütterung des Nachwuchs verfolgen: www.Schreiadler.org. Dort wartet ein Schreiadlerküken auf Nahrung. Gibt es heute Frosch oder Maulwurf zum Frühstück? Wer das Küken beobachtet, kann manchmal in der die Motorsägen der Forstarbeiter hören. Doch noch sitzt der kleine Hoffnungsträger im Nest. Bei uns in Deutschland ist sein ursprünglicher Lebensraum bereits auf wenige Relikte zusammengeschrumpft. Nehmen auch in Lettland Störungen und Nahrungsmangel weiter zu, wird es im nächsten Jahr keinen Nachwuchs im Adlerhorst mehr geben.
Biologische Vielfalt
Der Rückgang der Biologischen Vielfalt ruft gerade Staats- und Regierungschefs auf den Plan. Der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) veröffentlicht alarmierende Berichte, Brüssel will den „Green Deal“ mit einer ehrgeizigen Biodiversitätsstrategie bis 2030 und Bundesumweltministerin Svenja Schulze spricht von Biologischer Vielfalt als Lebensgrundlage und Schutzschirm vor Pandemien. „In der Umweltpolitik ist gerade die Zeit der großen Worte und Versprechen“, sagt Dr. Andreas Kinser, stellvertretender Leiter Natur- und Artenschutz der Deutschen Wildtier Stiftung. „Wir hoffen, dass am Ende nicht nur heiße Luft produziert wird, denn es geht um das Überleben unzähliger Arten.“
Zu ihnen zählt der Schreiadler. Intensive Land- und Forstwirtschaft vernichten in Deutschland ebenso wie in Lettland dichte Wälder, in denen er brüten kann, und Wiesen und Brachflächen, auf denen er seine Beutetiere findet. Der fortschreitende Ausbau von Windenergieanlagen verändert das Landschaftsbild und die störanfälligen Vögel geben angestammte Brutplätze auf. Deshalb fordert die Deutsche Wildtier Stiftung, dass Windkraftanlagen nur in einem Abstand von sechstausend Metern zu einem Schreiadler-Horst errichtet werden dürfen.
Der Bestand der Schreiadler hat sich in Deutschland zwar leicht erholt – die Zahlen stiegen in den letzten Jahren auf etwa 130 Brutpaare – doch das reicht bei Weitem nicht für das langfristige Überleben der Art. Deshalb hat die Deutsche Wildtier Stiftung gemeinsam mit Land- und Forstwirten eine schreiadlerfreundliche Landbewirtschaftung entwickelt, um den Lebensraum für den bedrohten Vogel zu verbessern. „Denn jedes einzelne Küken ist für den Erhalt der Art enorm wichtig“, sagt der Schreiadler-Experte der Deutschen Wildtier Stiftung. „Und am Ende helfen dem Küken keine großen Versprechungen, sondern ein paar Hektar mehr Wiesen, auf denen ihm seine Eltern sein Frühstück erjagen können.“