Fliegen war schon immer ein Ziel von uns Menschen. Vielleicht auch deswegen, weil wir nicht unbedingt zum Fliegen geeignet sind. So ist es verständlich, dass Flugversuche immer wieder unternommen werden. Nun hat die Deutsche Sporthochschule in Köln untersucht, ob ein Ganzkörper-Exergaming in der virtuellen Realität zu Trainings- und Therapiezwecken geeignet ist. Epidemiologische Studien zeigen bedeutende Zusammengänge zwischen Sitzzeiten und der Prävalenz von chronischen Erkrankungen. Dies gilt auch für Kinder und Jugendliche.
Körperliche Aktivitäten
Die fehlende Motivation ist eines der größten Hindernisse für körperliche Aktivität. Die Lösung könnte Icaros sein: ein Flugsimulator, der in Kombination mit Exergaming Unterhaltung verspricht und zugleich fit hält.
Icaros ist ein Trainingsgerät, mit dessen Hilfe die klassische Übung des Unterarmstützes (Plank) dynamischer gestaltet werden kann, da es beweglich ist. Bewegungssensoren auf dem frei schwingenden Metallgestell erfassen die Richtungsänderungen des Benutzers, der in Bauchlage waagerecht in dem Gerät liegt – und übersetzen sie in eine virtuelle Realität (VR).
Eine VR-Brille und ein großer Bildschirm vermitteln das Gefühl, wirklich zu fliegen. „Im Idealfall kann Icaros in der Prävention und in der Rehabilitation eingesetzt werden, denn sowohl in der Prävention als auch in der Therapie ist die Bewegungsqualität ein wesentlicher Bestandteil eines wirksamen, der Gesundheit zuträglichen Krafttrainings“, sagt Studienleiter Dr. Boris Feodoroff, Wissenschaftler am Institut für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation.
Er und sein Team ließen 33 Männer (alle unter 30 Jahre, BMI unter 25, zwischen 170 und 190 cm groß) je zweimal fünf Minuten fliegen, um herauszufinden, welche Auswirkungen das VR-basierte Trainingssystem auf deren Herz-Kreislauf-System hat und welches Potenzial für ein effektives Kraftausdauertraining besteht. Weitere Augenmerke lagen auf Cyberkrankheitssymptomen (Bewegungskrankheit), der wahrgenommenen Anstrengung und dem Unterhaltungsfaktor der Probanden.
Die Probanden flogen über Bergketten und sollten dabei durch 63 Ringe navigieren, was die Veränderung ihres Körperschwerpunktes voraussetzte. Anschließend erklärten sie in Fragebögen ihre mentale, physische und emotionale Belastung. Während der Simulation wurden Herzfrequenz, Muskelaktivität und Gerätebewegung kontinuierlich erfasst. Acht Teilnehmer mussten das Experiment wegen Anzeichen von Übelkeit oder Unbehagen, die auf die Bewegungskrankheit hinwiesen, abbrechen.
Nach Auswertung der Ergebnisse der verbliebenen Probanden lässt sich feststellen: Die Teilnehmer empfanden die Flüge als sehr angenehm, obwohl sie sie als körperlich sehr anstrengend beschrieben. Die dorsale Muskelkette (Nacken, Schulter, Rücken) wurde aktiviert – ein Rumpfkrafttraining ist also möglich. Bei allen anderen untersuchten Muskelgruppen lag die durchschnittliche Aktivität unter 30 Prozent, was nur für eine Mobilisierung der Muskeln sorgt. Die Herzfrequenz blieb innerhalb einer niedrigen aeroben Intensitätsstufe (höchstens 110 bpm). Icaros scheint also im Vergleich zum konventionellen Training wenig bis gar keinen kardiovaskulären Nutzen zu bieten. „Zukünftige Ganzkörperkonzepte sollten sich auf die Steigerung der dynamischen Muskelaktivierung konzentrieren“, so ein Fazit des Wissenschaftlers Feodoroff. Die wichtigste Erkenntnis aus dem Icaros-Experiment ist aber, dass das neue Trainingssystem Anreize zu gesteigerter körperlicher Aktivität schafft. Alle wollen fliegen. Und diese Sehnsucht könnte das Vehikel sein, das Menschen in Bewegung bringt. Feodoroff: „Das Motivieren der Öffentlichkeit zu körperlicher Aktivität ist wahrscheinlich eine der wichtigsten und schwierigsten Aufgaben des Gesundheitssektors. Die Gamifizierung von körperlicher Bewegung kann nicht nur zur Motivation von körperlicher Aktivität beitragen, sondern auch den sozialen Kontakt und die Interaktion fördern.“