Heute schon getankt?

Unser Kollege Patrick Skiberg ist gerade von einer längeren Reise durch Osteuropa zurück (Bericht folgt). Dabei hat er sich verwundert die Augen gerieben: Kostete in Deutschland der Diesel etwa 2,30 Euro, so konnte er in Ungarn für 1,28 Euro tanken. Aber die Rettung naht: Bald will die Bundesregierung 14 Cent (!) Preisnachlass auf den Dieselpreis gewähren. Doch das bringt weder Berufspendler noch die Transporteure aus der Kostenspirale, wie luckx – das magazin recherchierte.

LKW stehen lassen

Schon seit einiger Zeit fordert der Berufsverband Camion Pro e.V. die Branche auf, die LKW lieber stehenzulassen, abzumelden und die Fahrer in Kurzarbeit zu schicken, als permanent Verluste zu generieren. Dass diese Vorgehensweise weniger eine Protestaktion, sondern eine ernstzunehmende Alternative für Transportunternehmen darstellt, wird klar, wenn man sich mit den rechtlichen Grundlagen der Vertragsanpassung und des Kurzarbeitergelds vertraut macht.

Seit einigen Wochen versuchen verzweifelte Unternehmen eine drohende Insolvenz ihres Unternehmens abzuwenden. In vielen Fällen scheint es so zu sein, dass die aktuellen Treibstoffpreise die Kosten-/Ertragskalkulation ins Negative bringen. Das heißt, dass das Unternehmen bei jedem gefahrenen Kilometer Geld drauflegt. Das würde bedeuten, mit jedem gefahrenen Kilometer verschlimmert sich die Situation zusätzlich.

Dazu Andreas Mossyrsch, Chef des Berufsverbandes: „In solch einer Situation gibt es nur eines: Frachtpreise rauf oder LKW stehenlassen!“ Wie soll das in der Praxis aussehen, und ist das rechtlich überhaupt machbar? „Ja“, meint Mossyrsch, „Treibstoff, Maut und Lohn sind die größten Kostenfaktoren im Straßen-Güterverkehr. Durch das Stilllegen des LKW, kann man fünf der sechs wichtigsten Betriebskosten auf „null“ stellen“, so Mossyrsch weiter. Rechtlich müsse sich der Unternehmer dabei natürlich absichern. Mossyrsch erläutert die Vorgehensweise, die er mit Rechtsanwälten angestimmt hat.

Sonderkündigungsrecht

Wer keine längerfristigen Verträge mit festen Frachtpreisen hat, ist hier im Vorteil. Man muss nur keine neuen Aufträge annehmen und kann den LKW einfach stilllegen. Bei längerfristigen Frachtaufträgen muss der Befrachter zunächst darüber in Kenntnis gesetzt werden, dass der Spediteur aufgrund der Treibstoffkostenentwicklung nicht mehr kostendeckend arbeiten kann und ein höherer Frachtpreis vereinbar werden muss, da andernfalls die Durchführung der Transporte eingestellt werden müssen.

Der § 313 BGB „Störung der Geschäftsgrundlage“, „Sonderkündigungsrecht aus wichtigem Grund“ sowie „Anpassungsanspruch durch Änderung der Geschäftsgrundlage“ sind dabei die Schlüsselwörter und stellen hier die Rechtsgrundlagen dar. Wenn der Kunde die Erhöhung nicht akzeptiert, kann der Vertrag durch den Frachtführer kurzfristig beendet werden. Die Frist, die dem Auftraggeber, bis zur Einstellung der Transporte eingeräumt werden sollte, sollte sich mindestens auf eine Woche belaufen. 100 % Gewissheit gibt es darüber aber nicht, da im Transportgewerbe solche Situationen bisher kaum aufgetreten sind und entsprechende höchstrichterliche Urteile fehlen. Aus anderen Verfahren liegen aber Rechtsprechungen vor, die eine Wochenfrist für ausreichend erscheinen lassen. Wichtig ist: Man muss die Fahrten auch tatsächlich einstellen; eine spätere Geltendmachung der höheren Kosten ist zum Beispiel nicht möglich.

Kurzarbeitergeld

Wenn für die LKW keine Aufträge vorliegen, kann der Fahrer vom Arbeitsamt Kurzarbeitergeld beziehen. Das Gleiche gilt auch für andre Beschäftigte im Betrieb, wie zum Beispiel für die Mitarbeiter der Verwaltung. Kurzarbeitergeld ist in anderen Branchen zum Beispiel aufgrund der Pandemie eines der wichtigsten Instrumente, um einen Betrieb durch eine vorübergehende, problematische Situation zu bringen. Wenn sich die Frachtpreise bzw. Treibstoffpreise angepasst haben, kann das Unternehmen sofort wieder durchstarten.

Es kann sinnvoller sein, die Verluste auf einige Fixkosten zu reduzieren, als bei jedem gefahrenen Kilometer Geld zu verlieren. Zudem verschärft jede Ladung, die unter Preis gefahren wird, das Problem des Frachtpreisverfalls noch weiter“. Gibt Mossyrsch zu bedenken.

Doch was auf der einen Seite die Unternehmen und Fahrer betrifft, hat auch starke Auswirkungen für uns alle. Denn ohne die Transportleistungen bleiben die Regale sowohl im Einzelhandel als auch in den Fabriken und Werkstätten leer. Lieferengpässe bedrohen somit nicht nur die Versorgung mit Lebensmittel sondern auch direkt alle Arbeitsplätze.