Studie: Auf Pump leben

Bei vielen Menschen ist trotz der guten wirtschaftlichen Lage in Deutschland der Monat zu lang um bis zum Ende mit dem verdienten Geld auszukommen. Das ist in anderen europäischen Ländern noch stärker ausgeprägt. So wird sich Geld geliehen um das Monatsende zu erreichen. Eine Ausleihkultur ist überall zu beobachten, besonders bei den jungen Europäern. Immer mehr Menschen (24%) müssen kämpfen: Sie haben sich Geld geliehen oder sind nah am Kreditkartenlimit, um ihre Rechnungen zu bezahlen. Das ist fast jeder vierte Europäer. Die Quote ist deutlich gestiegen: Vor vier Jahren waren es noch 13 Prozent, 20 Prozent im letzten Jahr. In Haushalten mit Kindern äußern sogar 48 Prozent der Eltern, dass die zu zahlenden Rechnungen über dem Einkommen liegen.

Seit 2013 analysiert Intrum jährlich die finanzielle Situation europäischer Verbraucher in 24 Ländern und veröffentlicht den European Consumer Payment Report (ECPR) nun zum siebten Mal. Basis sind Daten von 24.004 Verbrauchern – davon 1.000 aus Deutschland. Neu wird nun auch das finanzielle Wohlbefinden der Verbraucher in 24 europäischen Märkten verglichen. Deutschland belegt hier insgesamt den ersten Platz. Die deutschen Verbraucher*innen haben mit einem durchschnittlichen Einkommen der Haushalte von 29.062 EUR den höchsten verfügbaren Pro-Kopf-Wert in Europa.

Insgesamt zeigen die Ergebnisse des ECPR, dass die finanzielle Belastung der Haushalte in Europa zunimmt. Fast die Hälfte (45%) der befragten europäischen Verbraucher*innen sagen, dass die Summe ihrer zu zahlenden Rechnungen schneller steigt, als ihr Einkommen. Das beeinflusst ihr allgemeines Wohlbefinden negativ. Konsumenten aus Frankreich (63%) und Griechenland (61%) stehen dabei an der Spitze, Dänemark (26%) und Schweden (31%) am unteren Ende. Positiv ist zu verzeichnen, dass die Mehrheit (75%) der europäischen Verbraucher es immer noch schafft, jeden Monat einen Teil ihres Gehalts zu sparen, obwohl über die Hälfte (52%) mit dem Betrag unzufrieden ist. Die europäischen Verbraucher*innen haben Schwierigkeiten, sich in einer zunehmend unsicheren Welt zurechtzufinden und für ihre langfristige finanzielle Sicherheit zu sparen. 36 Prozent der Verbraucher geben an, dass sie Probleme sehen, sich nach dem Erwerbsleben einen komfortablen Ruhestand leisten zu können.

Schnelle Kredite

Die europäischen Verbraucher sind zunehmend auf Kredite angewiesen, um ihre Lebenshaltungskosten zu decken. Diese Kultur wird durch den Druck der sozialen Medien, den verbesserten Zugang zu schnellen Krediten und Online-Einkäufen angeheizt. Etwa die Hälfte (51%) der befragten 18- bis 21-Jährigen gibt an, dass soziale Medien Druck auf sie ausübten, mehr zu konsumieren, als sie sollten.

Ein neues Element im European Consumer Payment Report 2019 ist die Einführung des Financial Wellbeing Barometers. Das Barometer bietet zusätzliche Möglichkeiten, das finanzielle Wohlergehen der europäischen Verbraucher in 24 europäischen Märkten zu vergleichen und langfristig zu beobachten. Das Barometer misst das finanzielle Wohlergehen anhand von vier Schlüsselfaktoren: Fristgerechtes Bezahlen von Rechnungen, finanzieller Spielraum, für die Zukunft sparen und finanzielle Allgemeinbildung. In einem Scoringverfahren erzeugt es für jedes Land unter jeder der Säulen eine Punktzahl (1-10). Das Barometer gibt einen Gesamtwert für das finanzielle Wohlergehen für jedes Land an, der die Ergebnisse aller vier Faktoren kombiniert. Deutschland, Österreich und Schweden liegen an der Spitze. Griechenland, Litauen und Polen sind Schlusslichter. Deutschland belegt dabei den ersten Platz. Zwei Faktoren waren hier bemerkenswert: Neunzig Prozent der deutschen Verbraucher sind zuversichtlich, dass sie ihre Rechnungen jeden Monat bezahlen können – der höchste Wert in Europa. Und fast drei Viertel der Deutschen haben im vergangenen Jahr alle ihre Rechnungen pünktlich bezahlt – der europäische Durchschnitt liegt mit 65 Prozent deutlich darunter.

Infos sind wichtig

Finanzausbildung muss dennoch dringend ausgebaut werden. 69 Prozent der Befragten glauben, dass ihre finanzielle Bildung ausreichend war. Doch es ist offensichtlich, dass die europäischen Konsumenten ihre Finanzkompetenz überschätzen. Bei einem Test konnten 37 Prozent die grundlegenden Finanzbegriffe wie beispielsweise Inflation, variabler Zins, Budget etc. nicht ihren korrekten Definitionen zuordnen. Noch kritischer sah es in der Altersgruppe von 18 bis 21 aus – hier scheiterten 50 Prozent bei dem Finanztest. 63 Prozent der Befragten (2018: 57 Prozent) sind der Meinung, dass Schulen Verantwortung übernehmen und den Kindern mehr über die Verwaltung ihrer Haushaltsfinanzen beibringen sollten.

So bleibt zu hoffen, dass die Erkenntnisse aus dieser Studie nochmal einen Impuls setzt und die Verantwortlichen sich für eine schnelle Umsetzung erforderlicher Maßnahmen in den Schulen einsetzen, um die Finanzkompetenz zu entwickeln. Damit würden der finanzielle Stress und auch die Belastung im Laufe des Lebens deutlich verringert werden – und die Lebensqualität erhöht.