Hitzewelle

In den letzten Monaten haben wir uns alle mit der Gesundheitskrise beschäftigt. Der Umweltschutz ist etwas aus dem medialen Fokus geraten, obwohl sich das eigentlich nicht von der Gesundheitskrise trennen lässt. Denn manche Gesundheitsrisiken entstehen gerade durch mangelhaften Umweltschutz; sei es zum Beispiel durch verschmutztes Wasser oder mit Schadstoffen belastete Luft. So bedroht der Klimawandel unser Leben. In den letzten Wochen haben wir das alle den den Hitzewellen selbst erlebt.

Es ist heiß

Hitzewellen wie in diesen Tagen sind nicht bloß sommerliches „Rekordwetter”, sondern sie werden, angetrieben durch den Klimawandel, zunehmend zur Bedrohung von Gesundheit und Leben. Regional werden dabei bis zu rund 60 Prozent der Bevölkerung kritischen Grenzwerten ausgesetzt, zeigt zum Beispiel eine Analyse für die Stadt Köln. Gefährdet sind vor allem chronisch Kranke, Kleinkinder, alleinstehende und ältere Menschen. „Deutschland ist für Hitzewellen nicht gerüstet!” kritisiert deshalb Dr. med. Martin Herrmann von der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG), einem bundesweiten Zusammenschluss von Ärzte und Ärztinnen, Pflegeberufen und weiteren im Gesundheitssektor Beschäftigten. „Es gibt kein für alle verbindliches Alarmsystem, keine Identifizierung von Gefahrenzonen und Risikogruppen, keine Hitzeleitstellen, keine Kühlzonen und keine Fortbildung für Niedergelassene, Krankenhaus- und Pflegeheim-Angestellte, mit ganz wenigen Ausnahmen.”

Die Folgen sind gravierend: „Während Hitzewellen sterben acht bis zwölf Prozent mehr Menschen”, betont KLUG-Mitglied Ralph Krolewski, Vorstand im Hausärzteverband Nordrhein, der für seine Patienten eine eigene Klimasprechstunde eingerichtet hat. „Dass man viele der Hitzetoten verhindern kann, zeigt das Beispiel Frankreich. Dort lösen Temperaturen ab 32 Grad schon die erste Alarmstufe in Kommunen und Gesundheitswesen aus, ab 38 Grad wird der Zivilschutz aktiv. Die einzelnen Präfekturen reagieren dann auf der Basis eines nationalen Hitzeschutzplanes.“

Positive Beispiele und Deutschland

Im Nachbarland Frankreich sind Städte und Regionen auch verbindlich an den nationalen Wetterdienst angeschlossen – im Gegensatz zu Deutschland. So gibt es zwar hierzulande seit 2005 ein bundesweites Hitzewarnsystem des Deutschen Wetterdienstes (DWD) mit Kanälen zu Alten-und Pflegeeinrichtungen, Landesministerien oder zuständigen Gesundheits-und Aufsichtsbehörden. „In der Praxis funktioniert es aber nur eingeschränkt und von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Die Hitzewarnungen sollten bei allen Betroffenen, Pflegenden und Multiplikatoren ankommen. Alle Informationskanäle, wie Newsletter oder auch Teletext sollten genutzt werden. Hitze betrifft nicht nur ältere Menschen, sondern alle”, so Prof. Dr. Andreas Matzarakis, Leiter des Zentrum für Medizin-Meteorologische Forschung des Deutschen Wetterdienstes.

Analysen zeigen viele regionale Schwachstellen: In Niedersachsen leiten die Heimaufsichtsbehörden laut einer Untersuchung von 2017 die Informationen „unzuverlässig oder verzögert” an die Pflegeeinrichtungen weiter. In Hessen werden Krankenhäuser und Arztpraxen „nur selten” gewarnt. In Berlin erhalten „die Gesundheitsämter, die Alten-und Pflegeheime, Sozialstationen, ambulante Pflegedienste, Krankenhäuser, Einrichtungen zur Kinderbetreuung sowie Wohnheime für kranke und behinderte Menschen keine Hitzewarnungen” (2015).

Fehlende Infos

Aufklärung und Verhaltensempfehlungen für Risikogruppen fehlen in Deutschland fast vollständig, zum Beispiel für Eltern von Säuglingen und Kleinkindern oder Betreuer in Schulen und Kindertagesstätten. Es gibt auch nur selten Gebäudeanpassungen in Kliniken, Heimen und Arztpraxen – wie Thermoschutz, Begrünung oder Trinkwasserspender. Dazu sagt Dr. Andrea Kaifie-Pechmann, Ärztin und Public Health- Wissenschaftlerin am Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universitätsklinik RWTH Aachen: „Kinder sind von der Hitze besonders betroffen, sie mindert unter anderem die geistige Leistungsfähigkeit. Ein gesundes Lernklima ist bei den aktuellen Temperaturen kaum möglich.”

Hitzestress

Hitzestress führt nicht nur zu Herz-Kreislauf- oder Atemwegserkrankungen. UV-Strahlung und hohe bodennahe Ozonkonzentrationen führen unter anderem auch zu Muskelkrämpfen in Armen oder Beinen, Bauchkrämpfen, Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen und erhöhtem Puls. Betroffenen sind vor allem ältere Menschen und chronisch Kranke. Damit überschneiden sich die Risikogruppen der Wellen von Hitze und Corona-Infektionen – eine zusätzliche Belastung für das Gesundheitssystem. Experten vom Helmholtz Zentrum München, dem Universitätsklinikum Heidelberg und KLUG haben Informationsmaterialien für diese besondere Herausforderung zusammengestellt: allgemeine Hinweise für besonders betroffene Bevölkerungsgruppen, für Ärzte, für Pflegeheime und für medizinisches Personal, das bei großer Hitze in Schutzausrüstung arbeiten muss (www.hitze2020.de).

Der Gründer der Stiftung Gesunde Erde-Gesunde Menschen, Dr. med. Eckart von Hirschhausen, weist darauf hin: „Auch die Innentemperaturen in vielen älteren Gebäuden von Altenheimen und Krankenhäusern steigen brutal, wenn es draußen heiß wird. Hohe Außentemperaturen sind ein medizinischer Notfall für Patienten und Profis. Wie soll jemand für einen Patienten da sein, wenn er selber kurz vor dem Umkippen steht? Deshalb unterstütze ich von Herzen das Aktionsbündnis #healthforfuture, denn gegen die Klimakrise hilft keine Tablette, sondern nur wirksame Politik.”