Unterschätzte Stressfolgen

Schon ohne Corona-Pandemie haben viele unserer Mitmenschen unter Stress-Belastungen gelitten. Sei es privat oder im Beruf. Die anhaltenden Belastungen und Beschränkungen durch die Corona-Pandemie verursachen bei vielen Menschen noch mehr Stress. Die Folgen sind unabsehbar. Deshalb ist es wichtig, frühzeitig zu sensibilisieren, aufzuklären und zu einem besseren Umgang mit kritischen Lebenslagen zu befähigen. Luckx – das magazin versucht eine Aufklärung.

Über- oder unterfordert: Was verursacht Stress?

Was viele falsch einschätzen oder nicht wissen: Stress kann sowohl aus einer Über- als auch aus einer Unterforderung resultieren. Und beides kann zu Erkrankungen oder Störungen bis hin zu Depressionen führen. Auffällig viele junge Menschen lassen sich wegen ihrer akuten Depression in eine Klinik einweisen. Eine im Dezember veröffentlichte Befragung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung untermauert dies: Der Anteil von Frauen bis 60 Jahre mit moderat bis schwer ausgeprägten depressiven Symptomen stieg bereits im ersten Lockdown deutlich von 6,4 auf 8,8 Prozent. Deshalb ist eine intensivere, flächendeckende Informationskultur einerseits, Akzeptanz bei den Betroffenen selbst andererseits, so dass sie in einem frühen Stadium entsprechende körperliche Anzeichen erkennen und sich für professionelle Hilfe öffnen lernen.

Stresswarnsymptome

Dass Stress die körperliche Reaktion auf eine Über- oder Unterforderung ist, können oder wollen Betroffene nicht immer selbst realisieren. Auf seinen Körper zu hören und sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, erscheint manchem unangenehm. Jedoch: Körperliche Anzeichen haben eine Bedeutung. So sind zum Beispiel Schmerzen grundsätzlich ein Alarmsignal und können auch ein Stresswarnsymptom sein. Anerzogene Verhaltensmuster oder Durchhalteparolen sind daher absolut fehl am Platz. Das Ignorieren von Kopf- oder Rückenschmerzen, Magenproblemen, Zähneknirschen, Verspannungen oder anderen Beschwerden wie Erschöpft- oder Ausgelaugtsein führt auf Dauer zu einer Verschlimmerung – sowohl der Beschwerden selbst als auch der seelischen Verfassung, denn auch Schmerzen selbst bereiten dem Körper Stress. Der erste Schritt sollte deshalb immer das medizinische Abklären sein, beispielsweise bei Haus- oder Facharzt. Sind die Symptome seelisch bedingt, stehen deutschlandweit unter anderem Ergotherapeuten, die im Bereich Psychosomatik und Psychiatrie spezialisiert sind, zur Auswahl.

Stressfaktoren herausfinden

Es ist davon auszugehen, dass sich durch die Bedingungen in der Pandemie wie Homeoffice, Kontaktbeschränkungen, Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit bei vielen vermehrt soziale und/oder berufliche Stressoren zu einer Belastung auswachsen, die die Betroffenen auf Dauer nicht alleine bewältigen können. Soziale Stressoren sind beispielsweise Isolation, Konflikte oder ein negatives Familienklima; berufliche Stressoren Zeit- und Leistungsdruck, Monotonie, Über- oder Unterforderung. „Nicht jedem ist bewusst, wie sehr bestimmte Faktoren ihn – möglicherweise mit der Zeit – stressen, gerade, wenn er- oder sie sich an eine Situation gewöhnen möchte“, sagt der Ergotherapeut Fabian Heringhaus und erklärt, es sei ein typisch ergotherapeutisches Vorgehen, sein Gegenüber feinfühlig zu befragen, mit viel Gefühl auf Zwischentöne zu achten und nötigenfalls weiter und tiefer nachzuhaken. Der Ergotherapeut fährt fort: „Bereits im Gespräch oder spätestens bei der jeweils folgenden gemeinsamen Reflexion oder durch Selbstreflexion kommen die nötigen Erkenntnisse und die Zusammenhänge zwischen Symptomen und Stressoren, zutage“. Zusätzlich sind Modelle aus der Psychiatrie hilfreich. Heringhaus arbeitet unter anderem mit dem Modell von Matthias Hammer. Mithilfe von Schaubildern wie dem sogenannten WEG-Modell können Betroffene ihren jeweiligen Status quo leichter beschreiben. Sind sie auf dem Weg der optimalen Anforderung, sprich: können sie alle Situationen des Alltags gut bewältigen? Oder ist die Belastung so groß, dass sie sich Richtung Abgrund bewegen? Unterforderung wird im Wegmodell als Sumpf dargestellt – eine Metapher, die nicht nur Betroffene selbst gut nachempfinden können.

Persönliche Schutzfaktoren

Was gestresste Menschen im Laufe einer solchen ergotherapeutischen Intervention ebenfalls lernen, ist: verstehen, dass es eine Schwelle gibt, an der sie an ihre persönliche Grenze kommen, weil sie zu viel Stress in sich aufgenommen haben. Überschreiten sie diese Grenze immer wieder oder dauerhaft, kann es zu Depressionen kommen. Um dem entgegenzuwirken, sind die Bewältigungs- und Schutzstrategien herauszufinden. Hilfreich können regelmäßige Meditation, Yoga, Muskelrelaxation, Spaziergänge in der Natur sein. Aber auch sich beim Sport auspowern sind klassische Bewältigungsstrategien, um das Stresslevel herunterzufahren.