Mikroplastik filtern

Wir Menschen haben uns eine Welt geschaffen, die – fast – unbeherrschbar ist. Über viele Jahrzehnte schafften wir Produkte, um unser Leben zu verbessern und zu vereinfachen. Heute stellen wir fest, dass vieles davon unser Leben nicht verbessert, sondern unsere Umwelt zerstört und damit unsere Lebensmöglichkeiten verschlechtert. Lebenswichtig für uns Menschen sind Luft und Wasser. Sehr aufwändig versuchen wir nun diese lebensnotwendigen Stoffe wieder genießbar zu machen. Luckx – das magazin hat recherchiert, wie Mikroplastik herausgefiltert werden kann.

Filtern

Plastikflaschen, Fischernetze, Plastiktüten schwimmen seit Jahrzehnten durch die Weltmeere. Ganze Plastikinseln haben sich schon gebildet. Durch das ständige aneinander Mahlen werden die Plastikteile immer kleiner. Wellengang und Brandung verfeinern Plastikteile immer kleiner bis sie mit bloßem Auge nicht mehr zu erkennen sind. Doch nicht nur im Wasser entsteht so Mikroplastik. Schon an Land spült Regenwasser Reifenabrieb, Bremsstaub und vieles mehr in die Kanalisation. Nun hat Audi mit seiner Umwetlstiftung gemeinsam mit der TU Berlin Filter für den Straßenablauf entwickelt. Sie verhindern, dass der Abrieb von Reifen und andere umweltschädliche Partikel zusammen mit dem Regenwasser in Kanalisation und Gewässer gespült werden.

Bei jeder Fahrt mit dem Auto entstehen Reifen- und Fahrbahnabrieb. Geschätzt 110.000 Tonnen davon gelangen jedes Jahr allein in Deutschland als Mikroplastik auf die Straße. Von dort verteilt es sich über den Wind in der Umwelt – oder wird vom Regen über den Straßenablauf und die Kanalisation in Böden, Flüsse und Ozeane gespült, meist ungereinigt.

Ursachen

Nicht nur Autoreifen, auch Fahrradmäntel, die Rollen von Skateboards oder Schuhsohlen verursachen diese umweltschädlichen Feinpartikel. Vermeiden lassen sie sich nicht. „Aber wir können präventiv etwas tun, damit weniger Mikroplastik in die Umwelt gelangt und sie belastet“, sagt Rüdiger Recknagel, Geschäftsführer der Audi Stiftung für Umwelt.

Zusammen mit der TU Berlin (Fachgebiet Siedlungswasserwirtschaft) und weiteren Partnern – dazu zählen Filterhersteller, Softwareentwickler und Wasserbetriebe – entwickelt die Kooperation optimierte Sedimentfilter für Straßenabläufe. Sie fangen die jeweils anfallenden Schmutzpartikel möglichst nahe am Entstehungsort auf – noch bevor sie durch Regenwasser in die Kanalisation geschwemmt werden. Im September 2020 ist das Projekt gestartet; es läuft über einen Zeitraum von dreieinhalb Jahren.

Unterschiedliche Filter

Die Sedimentfilter werden modular konzipiert und können dadurch optimal an unterschiedliche Straßensituationen, Verkehrs- und sonstige Schmutzbelastungen angepasst werden. So entsteht beim Stop-and-go-Verkehr, auf einer sehr kurvigen Strecke oder an einer Ampelkreuzung durch das ständige Abbremsen und Wiederanfahren mehr Reifenabrieb als auf einer freien geraden Strecke. Joachim Wloka, Greenovation-Projektleiter bei der Audi Stiftung für Umwelt und zuständig für URBANFILTER, sagt: „Daneben wollen wir auch noch möglichst viele andere Schadstoffe abfangen, die auf und an Straßen anfallen – Getränkedosen und Zigarettenkippen, die leider häufig auf dem Gehweg landen, genauso wie eigentlich natürliche Partikel wie Sand, Blätter und Pollen von Bäumen.“

Die Sedimentfilter sind in die drei Zonen Straße, Schacht und Ablauf unterteilt. „Insgesamt entwickeln wir neun verschiedene Module für verschiedene Straßen- und Verkehrsbedingungen“, erläutert Daniel Venghaus, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Siedlungswasserwirtschaft an der TU Berlin. „Aus diesem Baukasten können dann bis zu drei Module miteinander kombiniert werden, um je nach Einsatzort das beste Ergebnis zu erzielen.“ Im obersten Bereich (Straße) kann das eine spezielle Ablaufrinne oder entsprechender Asphalt sein. Darunter, im Gulli-Schacht selbst, werden Feststoffe beispielsweise mithilfe eines optimierten Laubkorbs oder eines sogenannten Filterrocks grob herausgefiltert. Im untersten Bereich (Ablauf) geht es um die Feinfiltration. „Hier erproben wir gerade ein Magnetmodul“, sagt Venghaus. „Magnete halten in unseren Vorversuchen besonders feine Partikel zurück, ohne dabei verstopfen zu können.“ Noch befinden sich die Module größtenteils in der Planung. Doch noch im Laufe dieses Jahres sollen sie bereits praktisch erprobt werden.

Wartung erforderlich

Selbstverständlich müssen die Filter regelmäßig gewartet und geleert werden. Hier kommt die intelligente Vernetzung ins Spiel. Viele unterschiedliche Informationen fließen dafür zusammen: die Termine der Straßenreinigung, das Verkehrsaufkommen auf der jeweiligen Straße, wann hier Rushhour ist, Stoßzeiten wie Ferienbeginn und -ende sowie die Wettervorhersage. Aber auch, ob an der Straße viele Bäume stehen oder häufig Hunde ausgeführt werden. „Aus all diesen Angaben können wir den Verschmutzungsgrad der einzelnen Filter prognostizieren und ermitteln, wann der optimale Zeitpunkt zur Entleerung ist. Im Grunde ist das dieselbe Idee wie bei der Predictive Maintenance, der prädiktiven Wartung, die in der Automobilindustrie fest verankert ist“, sagt Joachim Wloka. „Wir sorgen hier für eine sektorenübergreifende Vernetzung und Übertragung optimaler Prozesse.“

Vorausschauendes Handeln

Vor allem die Wettervorhersage spielt bei der intelligenten Vernetzung eine entscheidende Rolle und ermöglicht vorausschauendes Handeln. Bei Sturm und Regen wird je nach Jahreszeit besonders viel Schmutz in die Straßenabläufe gespült. Die Filter setzen sich dann schneller zu und es kann passieren, dass über den Notüberlauf ungefiltertes verschmutztes Wasser in Flüsse und Seen gespült wird. „Kündigt die Wettervorhersage nach einer längeren Trockenzeit starken Regen an, können wir direkt reagieren und die Straße vor dem Niederschlag mithilfe von Straßenkehrmaschinen reinigen lassen“, sagt Venghaus. So wäre der Eintrag in die Gewässer verhindert und der Filter könnte länger im Einsatz bleiben.