Mikroplastik aus der Umwelt filtern

Warum soll sich eigentlich ein Automobil-Hersteller um die Mikroplastikabfälle auf den bundesdeutschen Straßen kümmern? Aus kommerziellen Überlegung, wegen einer guten PR oder aus Verantwortung? Das ist eigentlich egal, wie luckx – das magazin meint. Hauptsache ist doch, dass diese Feinpartikel aus unserer Umwelt verschwinden.

Reifenabrieb

Was wenigen bewusst ist, dass durch die täglichen Fahrten mit dem Auto als auch mit dem Bus Mikroplastikabfälle durch den Reifenabrieb in die Umwelt gelangen. Die Audi Stiftung für Umwelt hat deshalb zusammen mit der TU Berlin Filter für den Straßenablauf entwickelt. Sie verhindern, dass Reifenabrieb und andere umweltschädliche Partikel zusammen mit dem Regenwasser in Kanalisation und Gewässer gespült werden. Erste Praxis- und Labortests zeigen jetzt die Effizienz des Systems.

Bei jeder Fahrt mit dem Auto entstehen Reifen- und Fahrbahnabrieb. Geschätzt 110.000 Tonnen davon gelangen jedes Jahr allein in Deutschland in Form von Mikroplastik auf die Straße. Von dort verteilt es sich über den Wind in der Umwelt oder es wird vom Regen über den Straßenablauf und die Kanalisation in Böden, Flüsse und schlussendlich in die Ozeane gespült. „Unser Ziel ist es, wo irgend möglich präventiv einzugreifen und weniger Mikroplastik in die Umwelt gelangen zu lassen“, sagt Rüdiger Recknagel, Geschäftsführer der Audi Stiftung für Umwelt.

Zusammen mit der TU Berlin (Fachgebiet Siedlungswasserwirtschaft) entwickelt die Audi Stiftung für Umwelt deshalb ein neuartiges Filterkonzept für Straßenabläufe. Diese Filter sind je nach Verkehrssituation individuell kombinierbar und halten die jeweils anfallenden Schmutzpartikel möglichst nahe am Entstehungsort zurück – noch bevor sie durch Regenwasser in die Kanalisation geschwemmt werden. Das Projekt ist im September 2020 an den Start gegangen.

Tests im Labor und auf der Straße

Tests im Labor der TU Berlin zeigten, dass die Filter sehr effektiv arbeiten. Sie schafften es, „echten“ Straßenkehricht, Zigarettenfilter, Mikroplastik in Form von Kunststoffgranulaten bis zu drei Millimeter Größe, Bonbonpapier oder auch Deckel von Coffee-to-go-Bechern dauerhaft zurückzuhalten, ohne zu verstopfen. „Das System schafft das nicht nur bei leichtem oder schwachem Nieseln, sondern auch wenn es richtig stark regnet“, sagt Daniel Venghaus, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Siedlungswasserwirtschaft an der TU Berlin.

Seit mehr als einem Monat ist zudem ein Filter in einer vielbefahrenen Straße in Berlin im Einsatz. Den ersten Stresstest in Form der Sturmserie Mitte Februar konnte der URBANFILTER erfolgreich meistern. Er soll noch bis Ende des Jahres seinen Dienst verrichten. Die Forschenden wollen hier sowohl Proben des Zulaufs als auch des abfließenden Wassers nehmen, um den Wirkungsgrad im Realbetrieb im Verlauf der Jahreszeiten zu bestimmen. Weiterhin laufen bereits erste Gespräche mit dem ADAC-Fahrsicherheitszentrum Berlin-Brandenburg, um Filter an den Fahrstrecken zu installieren und so ein besseres Verständnis für die Filterung des Abriebs in unterschiedlichen Fahrsituationen zu erhalten.

Possible module combinations of the urban filter: Depending on the catchment area, different filters are required to filter the floating, suspended and sedimentable particles from the water. The filters contribute to a continuous improvement of the water quality and relieve rivers and lakes. Technically, both fine pore structures such as larger retention spaces, but also sieves of different mesh sizes, magnetic fields and the possibility of local infiltration in the modules are used. The service life and performance of the filters can be significantly increased by an intelligent networking concept that is additionally adapted to the filters, for example to optimize street cleaning. From left to right: combination of side inlet grille and filter skirt and sedimentation module, in the middle: combination of retention space in the curb, funnel and infiltration in the shaft, right: combination of porous asphalt, optimized leaf basket and magnetic module.

Neun Module für unterschiedliche Einsätze

Die Sedimentfilter sind in die drei Zonen Straße, Schacht und Ablauf unterteilt und bestehen aus neun Modulen. Bis zu drei Module können miteinander kombiniert werden, um je nach Einsatzort das beste Ergebnis zu erzielen. Im obersten Straßenbereich kann das eine spezielle Ablaufrinne sein. Darunter, im Gullischacht selbst, werden Feststoffe beispielsweise mithilfe eines optimierten Laubkorbs oder eines sogenannten Filterrocks grob herausgefiltert. Im untersten Bereich, dem Ablauf, geht es um die Feinfiltration, wofür ein Magnetmodul zum Einsatz kommen kann.

Dieses Filtern feinster Partikel stellt die Forschenden rund um Daniel Venghaus noch vor Herausforderungen. „Tests mit Reifenmehl von 20 bis 1.000 Mikrometer (µm) Größe und leichtem bis mittlerem Regen hat das System bestanden“, erklärt Venghaus, „Nun arbeiten wir daran, die Filterleistung auch bei starkem Regen zu verbessern.“ Allerdings verhalte sich das Reifenmehl, das zu Prüfzwecken verwendet werde, anders als echter Reifenabrieb. Hier sollen Praxistests an Straßen weiteren Aufschluss geben.

Intelligente Vernetzung führt zum Erfolg

Ziel der Tests und der weiteren Entwicklungen sei es, dass der URBANFILTER in der Praxis bis zu ein Jahr lang im Einsatz sein kann, ohne gewartet und gereinigt werden zu müssen. Hier kommt die intelligente Vernetzung ins Spiel. Viele unterschiedliche Informationen fließen dafür zusammen: die Termine der Straßenreinigung, das Verkehrsaufkommen auf der jeweiligen Straße, Stoßzeiten sowie die Wettervorhersage. Aber auch, ob an der Straße viele Bäume stehen oder häufig Hunde ausgeführt werden. Aus diesen Faktoren lässt sich der Verschmutzungsgrad der einzelnen Filter prognostizieren und ermitteln, wann der optimale Zeitpunkt zur Entleerung ist. So könnte ein Filter beispielsweise präventiv geleert werden, bevor starke Regenfälle aufkommen. „Wir stehen in engem Austausch mit weiteren Partnern, etwa der Ingenieurgesellschaft IAV und weiteren Forschungseinrichtungen, die sich gezielt mit intelligenter Verkehrsführung und -planung beschäftigen“, sagt Daniel Venghaus.