Es ist schon Jahrzehnte her, da fuhren die Züge nachts durch Deutschland und Europa. Es war eher eine unangenehme Reisemöglichkeit. Es ruckelte und schaukelte und dauerte lange. Also von Express keine Spur. Nun wird diese Reisemöglichkeit wieder belebt, wie luckx – das magazin erfuhr.
Auf dem Abstellgleis
Mit der Einführung des ICE sollte bei der Bahn ein neues Zeitalter beginnen. Weg von der Straße, hin zur Bahn. 1991 war es dann soweit. Auf den langen Strecken zum Beispiel von Hamburg nach München war dann der ICE auch deutlich schneller als das bisherige rollende Material. Das machte dann auch die Nachtzüge mehr und mehr überflüssig. So landeten Schlaf- und Liegewagen auf dem Abstellgleis. Doch jetzt scheint die Zeit für die Revitalisierung wieder gekommen. So erleben Nachtzüge vor allem im Hinblick auf Nachhaltigkeit derzeit eine Renaissance. Darüber hinaus ist es durchaus praktisch, durch die Nacht zu reisen und am nächsten Morgen ausgeruht am gewünschten Ziel dem Zug zu entsteigen. Zwar ist die Deutsche Bahn wieder ins Nachtzug-Geschäft eingestiegen, aber ihre Schlaf- und Liegewagen bleiben weiterhin abgestellt. Reisewillige können jedoch auf das Angebot der Nachbarländer mit Stopps in Deutschland zurückgreifen – nirgendwo auf der Welt ist das Schienennetz dichter als in Europa. So gibt es neben den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) zum Beispiel noch die Intercités de Nuit der Société Nationale des Chemins de fer Français (SNCF) in Frankreich und den Berlin-Night-Express nach Schweden. Eine gute Übersicht der Strecken findet sich bei den Anbietern wie ÖBB, SNCF selbst, aber auch bei Omio und der Deutschen Bahn. Hunde und Katzen dürfen auch mitfahren, wenn ein Abteil zur alleinigen Benutzung reserviert wird.
Komfort kostet
Die Kosten für Zugtickets liegen je nach Anbieter und Strecke zwischen 20 und 200 Euro und sind auch abhängig vom gewünschten Komfort und ob man sich das Abteil mit anderen Reisenden teilen oder es lieber für sich beziehungsweise seine Familie allein haben möchte. Bei den Anbietern sind drei Buchungsklassen üblich: Sitzwagenabteile für sechs Personen sind dabei am günstigsten. Couchette bzw. Liegewagen bieten dagegen schon einen besseren Komfort, weil sich die Sitze in ein Bett umklappen lassen. In der Regel „bewohnen“ vier bis sechs Personen ein Abteil. Sowohl bei Sitz- als auch Liegewagenabteilen werden dabei Waschräume und Toiletten mit anderen Mitreisenden geteilt. Die dritte Buchungsklasse sind sogenannte Schlafwagen. Sie bieten mit vollwertigen Betten und eigener Waschgelegenheit für bis zu vier Personen den größten Komfort. Neben Privatabteilen sind auch Rollstuhl-, separate Frauen- und Familienabteile buchbar. Wer einen längeren Trip durch mehrere Länder plant, dem sei ein Interrail-Tickets empfohlen, mit dem man – auch nachts – mit allen Zügen durch 33 Länder reisen kann. Ob einmalige Reise oder Interrail, bei jeder Reise sollte der Nachtzug immer vorab gebucht werden.
Sicher durch die Nacht
Zug bleibt Zug, so sind auch Nachtzüge an sich erst einmal ein sehr sicheres Fortbewegungsmittel. Zumal das Sicherheitspersonal der Streckenanbieter den Zug sichtet und Polizisten regelmäßig durch die Nachtzüge patrouillieren. Dennoch sollten Reisende aufmerksam sein und ihre Wertsachen mit Vorkehrungen schützen. Das gilt schon für den Start am Bahnhof. „Freundliche“ Kofferträger könnten auch dreiste Diebe sein. Im Zug kann man sein Gepäck beispielsweise ganz einfach mit einem Fahrradschloss an der Ablagefläche festketten. Damit man auch in der Nacht die Fahrt sicher und ohne Angst vor Diebstahl genießen kann, sind Geld, Kreditkarten und Pässe sicher zu verstauen oder noch besser in einem Brustbeutel immer eng am Körper zu tragen und, falls möglich, Liege- als auch Schlafwagen immer abzuschließen.
Nachtfahrten dauern grundsätzlich länger. Einerseits haben nämlich Güterzüge nachts auf vielen Strecken Vorrang, andererseits ist die verlängerte Fahrdauer sogar gewollt, damit Reisende nicht mitten in der Nacht am Zielbahnhof ankommen. Empfehlenswert ist, das Handgepäck so zu packen, dass alle notwendigen Dinge für die Übernachtung (Zahnbürste, etc.) griffbereit sind. Geräuschempfindlichen Menschen sollten Ohrstöpseln bereit halten. Unbegründet ist allerdings die Sorge, deshalb den Halt zu verschlafen: Zugbegleiter wecken Reisende normalerweise eine Stunde vor Ankunft und bringen auf Wunsch auch noch das Frühstück. Ob zusätzlich ein Speisewagen vorhanden ist, sollte vor Reiseantritt beim Anbieter erfragt werden. Und auch wenn das Frühstück mitgebucht wurde, lohnt es sich immer, selbst ausreichend Verpflegung einzupacken. Auch auf Mobilität vor Ort muss bei einer Reise mit dem Zug nicht verzichtet werden: Autos, Motorräder und Fahrräder werden auf einigen Nachtzugstrecken mittransportiert. Wichtig: Tickets frühzeitig reservieren, da die Kosten steigen, je näher das Reisedatum rückt.
Alles was Recht ist
Wer mit der Bahn unterwegs ist, steht nicht rechtlos da, wenn sich die geplante Ankunft verspätet. Das gilt auch für Nachtzüge. Geregelt sind die Ansprüche in der EU-Fahrgastrechte-Verordnung, die seit 2009 in Kraft ist. Verzögert sich die Ankunft am Zielort um mindestens 60 Minuten, haben Fahrgäste danach ein Anrecht auf eine Entschädigung in Höhe von 25 Prozent des Fahrpreises für die einfache Fahrt. Bei zwei Stunden Verspätung und mehr sind es 50 Prozent. Wurde eine Hin- und Rückfahrkarte gekauft, berechnet sich die Entschädigung auf Basis der Hälfte des insgesamt bezahlten Fahrpreises. Die Regelung gilt laut Europäischem Gerichtshof (EuGH) auch für den Fall, dass die Verspätung auf höherer Gewalt beruht (Az.: C-509/11). Das ändert sich allerdings am 7. Juni 2023: Dann tritt die Neufassung der EU-Fahrgastrechte-Verordnung in Kraft, nach der bei nachweislich höherer Gewalt keine Entschädigung mehr gezahlt werden muss. Bei mehr als einer Stunde Verspätung müssen den Fahrgästen zudem Betreuungsleistungen in Form von Verpflegung und Telefonaten angeboten werden. Wird aufgrund einer solchen Verspätung eine Übernachtung nötig, erhält der gestrandete Reisende auch die Kosten einer angemessenen Hotelunterkunft erstattet. Zeichnet sich bereits vor der Abfahrt eine Verspätung von mehr als 60 Minuten ab, können Reisende auch auf die Fahrt verzichten und sich den Ticketpreis erstatten lassen. Alternativ können sie die Fahrt zu einem späteren Zeitpunkt durchführen. Da der Fahrgast die Verspätung des Zuges nachweisen muss, sollten sich Reisende von der Eisenbahngesellschaft eine Bescheinigung über die Verspätung ausstellen lassen.