Wenn ein Schuldner erbt

Erben kann eine feine Sache sein: Ohne viel Arbeit lässt sich an ein großes Vermögen herankommen. Doch was sich so einfach anhört, hat irgendjemanden eine Menge Arbeit gekostet. Sparsamkeit und geschickte Vermögensvermehrung waren daneben mit viel Schweiß Teil dieses Ergebnisses wie luckx – das magazin recherchierte.

Geld und Moral

In den nächsten Jahren werden wieder viele kleine und große Vermögen vererbt. Das ist jedenfalls aus Veröffentlichungen von Statistiken und Prognosen zu entnehmen. Dabei wird auch so mancher „Nichtsnutz“ – wie der Volksmund erfolglose Nachfahren Begüterter nennt – mit einem großen Batzen Geld bedacht. Doch wie gewonnen kann schon bald nichts mehr davon übrig bleiben. So mancher Berufssohn oder manche Berufstochter sieht sich dann dem Forderungsvollstrecker gegenüber. Doch so manches „schwarze Schaf“ ist gut beraten, sich bei finanziellen Schwierigkeiten dem Erblasser zu öffnen und einen Entschuldungsstrategie zu finden. Denn so etwas ist sicherlich auch im Interesse des Vererbenden.

Doch die Erbschaft eines Schuldners ist die eine Seite, ob diese dann dem Gläubiger etwas davon abbekommen lässt, steht auf einem ganz anderen Blatt. Denn nach den Erfahrungen von Zwangsvollstreckern bleibt dieses ‚Blatt‘ meist leer. Doch wie kann so etwas passieren?

Schon Theodor Fontane stellte fesg: „Moral ist gut, Erbschaft ist besser“. In der Gesellschaft ist immer häufiger zu beobachten, dass die Moral abhanden kommt, wenn Geld im Spiel ist. Dass Gläubiger aus einer Erbschaft vom Schuldner bedient werden, kommt eher selten vor. Aber, und das muss erwähnt werden, werden dem Schuldner von Seiten der Gesetzgebung auch einige verlockende Angebote gemacht.

Erbe annehmen oder ausschlagen

Die gesetzlichen Regelungen zum Thema ‚Erbschaft‘ sind im 5. Buch des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), in den §§ 1922 bis 2385 zu finden (ausgenommen insbesondere Regelungen zur Erbschaftsteuer). Da nicht nur Vermögen vererbt werden kann, sondern auch Schulden, gesteht der Gesetzgeber dem Erben die Möglichkeit zu, das Erbe auszuschlagen. Einzig der Fiskus kann die ihm als gesetzlichem Erbe angefallene Erbschaft nicht ausschlagen. Eigentlich eine gerechte Sache, sollte man meinen. Es gibt aber durchaus die Möglichkeit, dass ein verschuldeter Erbe zwar die Erbschaft für sich ausschlägt, aber im Namen seiner minderjährigen Kinder diese annimmt. Die Kinder erben das Vermögen, der Schuldner kann aber für sie z. B. ein Haus erwerben und sich ein lebenslanges Wohnrecht darin sichern. Alles legal, auch wenn dadurch die Gläubiger wissentlich und vorsätzlich benachteiligt werden.

Regelungen der Insolvenzordnung

Lässt schon das Erbrecht ein Ausschlagen des Erbes zu, selbst wenn es sich dabei nicht, oder nicht zum überwiegenden Teil um Schulden handelt und eventuelle Gläubiger davon bedient werden könnten, so tut die Insolvenzordnung ein Übriges. In § 83 Absatz 1 Insolvenzordnung (InsO) heißt es, dass es im Fall einer Erbschaft vor oder während eines Insolvenzverfahrens allein dem Schuldner zusteht, eine Erbschaft anzunehmen oder auszuschlagen. Die Annahme eines Erbes muss nicht ausdrücklich erklärt werden, die Ausschlagung hingegen schon – innerhalb einer Sechswochenfrist nach Kenntnisnahme von der Erbschaft. Eine Ausschlagung ist also immer ein bewusster Akt des Erben – und nicht etwa seines Insolvenzverwalters –, und wenn sie bereits vor der Insolvenz geschieht, kann sie der Insolvenzverwalter auch nicht anfechten.

Wohlverhalten

Einem Schuldner kann nach – im Regelfall – drei Jahren ab Insolvenzeröffnung eine Restschuldbefreiung erteilt werden, wenn er einige Bedingungen erfüllt. Dazu gehört, dass er über diese drei Jahre (Wohlverhaltensperiode) sich um Einkommen bemüht und dieses seinen Gläubigern teilweise zur Verfügung stellt. Die Erbschaft ausschlagen kann er aber auch in dieser Zeit, ohne dadurch die Restschuldbefreiung zu gefährden.

Normalerweise muss der Schuldner dann, wenn er die Erbschaft – anders als bisher beschrieben – nicht ausschlägt, sondern annimmt, sie auch zur Befriedigung seiner Gläubiger verwenden (bzw. können die Gläubiger in diese Erbschaft vollstrecken). Ist ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners aber erst einmal beendet, so gilt das nur noch eingeschränkt: Hat der Schuldner bereits Restschuldbefreiung erlangt, kann er die Erbschaft komplett behalten (es sei denn, einzelne Gläubiger sind von der Restschuldbefreiung nicht betroffen). Läuft die Wohlverhaltensperiode noch, wenn der Erbfall eintritt, dann muss der Schuldner gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 2 Insolvenzordnung (InsO) lediglich die Hälfte seines Erbes an die Gläubiger abführen.

Ein Schuldner schuldet einem anderen etwas. Wie der Name deutlich sagt. Dem Gläubiger im Falle einer Erbschaft selbst von Seiten des Gesetzgebers nicht das zuzugestehen, worauf er ein Recht hat, ist ein Angebot ganz besonderer Art. Moral ist gut, aber erben eben besser.

Alternativen in anderen Ländern

Je mehr Europa zusammenrückt, wird auch über die Grenzen geschaut und werden Vorgehensweisen verglichen. So haben z. B. in Frankreich, Spanien, Italien, Schweiz usw. Gläubiger das Recht, im Falle dessen, dass ein Schuldner sein Erbe ausschlägt, diese Erbausschlagung anzufechten. In diesem Fall erbt dann nicht der Schuldner, sondern kommt die Erbmasse den Gläubigern zu Gute.

Solange also von Seiten der Gesetzgebung die Gläubigerrechte nicht umfassend gestärkt werden, ist jedem Unternehmer als auch Privatpersonen zu raten, es mit den grundsätzlichen Dingen im (Unternehmens-)Alltag sehr genau zu nehmen: Schriftliche Dokumentation aller Vorgänge, aktuelle Buchhaltung, konsequentes Mahnwesen, individuelle Geschäftsbedingungen mit Regelungen zum Eigentums- und zum verlängerten Eigentumsvorbehalt usw. Wenn dann noch eine Erbschaft kommt, auf die zugegriffen werden kann, umso besser.