Eine undichte Silikonfuge lässt sich nur schwer erkennen. Gerade wenn diese nicht fachmännisch ausgeführt wurde. Manchmal wird auch über die defekte Fuge einfach etwas von der „Pfuscher-Paste“ drüber „geschmiert“. Was zu tun ist, hat luck x- das magazin recherchiert.
Silikonfuge
Sie wirkt so harmlos und kann doch immense Kosten verursachen: die Silikonfuge. Denn bei porösen und undichten Stellen besteht die Gefahr, dass Wasser in die Wände, den Boden oder andere Bereiche gelangt. Schimmelbildung, Rost an Metallteilen oder aber Wasserschäden sind die Folge. Kommt es tatsächlich zu einem Wasserschaden, so konnten sich Betroffene bis Ende 2021 in vielen Fällen auf das Entgegenkommen ihrer Wohngebäudeversicherung verlassen. Obwohl umstritten war, ob Wasserschäden durch undichte Silikonfugen vom Gebäudeversicherer zu regulieren sind, zeigten sich die Versicherer recht großzügig. So schien „auch bei Prozessvertretern der Versicherungen wohl noch (…) die Ansicht vorherrschend gewesen zu sein, dass jedenfalls bei typischen Duschanlagen mit Duschwanne und Duschabtrennung auch dann ein versicherter Leitungswasserschaden gegeben ist, wenn das Duschwasser“ aufgrund einer undichten Fuge in die Bausubstanz eindringt“, schreibt Rechtsanwalt Florian Martin Genz in seinem Aufsatz „Die Kunst der Fuge“ zum BGH-Fugen-Urteil, der in der Zeitschrift r+s recht und schaden erschien (2022, 49. Jahrgang, S. 66). Dieses Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 20.10.2021 (Aktenzeichen IV ZR 236/20) veränderte die Rechtslage maßgeblich.
BGH-Urteil zwingt Versicherter zu erhöhter Achtsamkeit
In dem Rechtsstreit verlangte ein Kläger aufgrund eines Wasserschadens Leistungen aus seiner Wohngebäudeversicherung. Verursacht wurde der Wasserschaden durch eine undichte Silikonfuge im Duschbereich. Der BGH entschied, dass Gebäudeversicherer nicht für Nässeschäden zahlen müssen, wenn das Leitungswasser infolge undichter Silikonfugen ausgetreten ist. Sie müssen demnach nur leisten, wenn das Wasser direkt aus dem Rohrleitungssystem austritt. Da eine undichte Silikonfuge nicht mit dem Rohrsystem des Gebäudes verbunden ist, muss auch die Leitungswasserversicherung innerhalb der Gebäudeversicherung nicht für den Folgeschaden aufkommen
Obwohl Wohngebäudeversicherer nach Einschätzung des BGH nicht verpflichtet sind, für Schäden aufgrund undichter Silikonfugen zu zahlen, sollten Versicherungsnehmer dennoch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) ihres Wohngebäudeversicherungsvertrags genauestens prüfen. Und zwar daraufhin, ob in dem Vertrag dieselbe oder aber eine andere vom BGH-Urteil abweichende Klausel vereinbart wurde. Dies ist insbesondere bei Alt-Verträgen der Fall. Handelt es sich tatsächlich um eine abweichende Klausel, muss die Rechtslage gegebenenfalls anders bewertet werden.
Schadenregulierung anfragen
Zudem lohnt es sich, eigeninitiativ beim Versicherer nachzuhaken, ob Schäden weiter reguliert werden. „Versicherte sollten auf ihren Wohngebäudeversicherer zugehen und in Textform fragen, wie er mit der neuen Rechtsprechung umgeht: Leistet dieser weiterhin bei undichten Silikonfugen oder nicht? Die Antwort können Versicherte dann als Beleg aufbewahren. Manche Versicherer sehen tariflich auch Leistungen hierfür vor oder gehen von allein auf ihre Versicherten zu, beispielsweise mit dem Angebot, 40 Euro extra im Jahr für den Einschluss undichter Silikonfugen zu zahlen“, sagt BdV-Berater Christian Drewes.
Das BGH-Urteil unter der Lupe
In seinem Urteil vom 20.10.2021 hält der BGH fest, dass der Versicherer gemäß den Versicherungsbedingungen zwar unter anderem für Schäden durch bestimmungswidrig ausgetretenes Leitungswasser aufkommen muss. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an, so die Ansicht des BGH. Im Fugen-Fall kommt der BGH zu dieser Beurteilung:
Es lag kein Bruchschaden vor, weil das ausgetretene Wasser nicht aus den Rohren der Wasserversorgung oder den damit verbundenen Schläuchen kam.
Die undichte Fuge war nicht mit dem Rohrsystem verbunden, daher kann sie nicht als „sonstige Einrichtung“ betrachtet werden. Mit „sonstige Einrichtungen“ sind verschiedene Bestandteile einer Dusche wie unter anderem das Waschbecken, Spülklosetts oder Armaturen gemeint, die mit dem Rohrsystem verbunden sein müssen, und Wasser führen können. Die undichte Silikonfuge im Duschbereich eines Versicherungsnehmers ist nicht als „sonstige Einrichtung“ im Sinne der Versicherungsbedingungen anzusehen. Somit war auch der Schaden an der Fuge nicht als versicherter Schaden anzusehen, da sie keine direkte Verbindung zum Rohrsystem hatte.
Außerdem gibt es verschiedene Arten von Duschen, die nicht alle als „mit dem Rohrsystem verbundene Einrichtungen“ angesehen werden können. Dazu gehören beispielsweise niveaugleiche, barrierefreie, gegebenenfalls seitlich offene Duschen ohne Duschwanne oder Duschen in Schwimmbädern und Sporteinrichtungen. Letztere könnten den gesamten Raum umfassen, seien demnach kaum abgrenzbar und können deswegen nicht als „mit dem Rohrsystem verbundene Einrichtungen“ verstanden werden.