Kindheitserinnerungen

Der Frau-Holle-Teich liegt auf dem Hohen Meißner.

Die Heimat der Brüder Grimm liegt im Hessischen. Die Sprachwissenschaftler und Volkskundler schrieben ihre wesentlichen Werke in Göttingen, wo sie auch Professoren waren. Bekannt sind sie durch ihre Märchenbücher. Nun lässt sich auch entlang der Märchengeschichten wandern, wie luckx – das magazin recherchierte.

Wanderweg

Mystisch, manchmal grausam, sind Märchen. Wenn eine Großmutter vom Wolf gefressen oder ein Schneewittchen mit einem Apfel vergiftet wird. Auch wenn ein Hänsel bei der Hexe im tiefen Wald in den Backofen soll, kommt Grusel auf. Doch was so grausam klingt, war in der Realität nicht vorhanden, jedenfalls heute unvorstellbar. Doch die Märchen wurden von den Brüdern Grimm nur gesammelt. Von den Märchenerzählern wurden sie dramatisiert und an mythische Orte im Wald verbracht. Auch wenn wir heute den Wald mehr zu Erholung und Regeneration als zur Heldenreise durchstreifen, versetzen uns manche Wälder durch ihre besondere Atmosphäre in die Geschichten unserer Kindheit. Mit einer Reise entlang der Deutschen Märchenstraße können diese Geschichten wieder aufleben.

Der Spessart

Geboren in Hanau, dem Tor zum Spessart und aufgewachsen in Steinau, im Westen des Mittelgebirges: Nicht ohne Grund gilt der Spessart als Heimat der Brüder Grimm. Das märchenhafte Symbol dieser Verbundenheit des Spessarts mit den Brüdern Grimm ist der Spessartthron aus robustem Eichenholz aus den Wäldern des Spessarts. Sieben Märchenthrone laden in Bad Orb, Bad Soden-Salmünster, Gelnhausen, Wächtersbach und in der Brüder-Grimm-Stadt Steinau an der Straße zu einer kleinen Pause mit märchenhaften Fotos ein. Einmal im Jahr wandert einer der Märchenthrone durch die Region. Aktuell findet man den Wanderthron in der Nähe der Spessartspur „Schwarzenfelser Sonnenseite” in der Burg Schwarzenfels – ein idealer Platz für eine kurze Pause. Im größten zusammenhängenden Laubmischwaldgebiet Deutschlands begeistert der Wanderweg „Spessartbogen“ alle Wandernden auf einer Strecke von fast 90 Kilometern – von Langenselbold bis Schlüchtern. Gekrönt wird der Wandergenuss von sieben Extratouren, den „Spessartfährten“. Die neuen Spazierwanderwege „Spessartspuren“ erschließen kleinräumige Wanderparadiese, in denen man mit etwas Glück einen Blick auf den Biber oder die scheue Wildkatze erhaschen kann.

Naturpark Knüll

Im jüngsten Naturpark Deutschlands, dem nordhessischen Naturpark Knüll, laden 20 neue Wanderwege zu fabelhaften Wanderungen ein. Wer auf den Fabelwegen die Wälder durchstreift, entlang gurgelnder Bäche, blühender Wiesen und vorbei an alten Burgen, Schlössern und Mühlen wähnt sich zurückversetzt in die Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hat. Eine wahrlich märchenhafte Kulisse, die sich den Wandernden mitten in Deutschland bietet. Nicht umsonst liegt der Großteil des Naturparks Knüll im märchenhaften Rotkäppchenland. Und auch der Wolf des Rotkäppchenlands wohnt im Knüll: Gut bewacht im Wildpark Knüll. Die virtuelle „Fabula“ – eine von verschiedenen Augmented Reality Figuren der Deutschen Märchenstraße – erzählt den Wandernden Geschichten und Hintergründe zum jeweiligen Fabelweg, wie zum Beispiel die „Sage der weißen Frau“ am Fabelweg „Bächeweg“. Facettenreiche Hörerlebnisse, die Landschaft und Natur mit einem anderen Blick erleben lassen.

Frau Holle

Auf den Spuren von Frau Holle wandeln, das kann man im Geo-Naturpark Frau-Holle-Land. Zahlreiche Spuren der wohl bekannten Märchenfigur, die gleichzeitig auch eine Sagenfigur ist, kann man insbesondere auf dem Hohen Meißner, Nordhessens höchstem Berg, aber auch in Bad Sooden-Allendorf, Eschwege, Hessisch Lichtenau und Witzenhausen entdecken. Allein zehn sagenhafte Orte auf dem Hohen Meißner werden Frau Holle zugeschrieben. Der wohl eindrucksvollste ist der Frau-Holle-Teich nahe dem Aussichtspunkt Schwalbenthal. Der idyllisch gelegene Teich, an dessen Rand eine über drei Meter hohe Holzskulptur steht, gilt als Eingang in das unterirdische Reich der Frau Holle. Wenn man zur richtigen Zeit dort ist, der Wind gut steht und man ein wenig Glück hat, kann man Frau Holles Gesang an diesem Teich hören. Der 13 Kilometer lange Wanderweg P1 Hoher Meißner hält viele weitere Orte der Frau Holle bereit, wie beispielsweise die Kitzkammer, eine aus fünf- bis sechseckigem Säulenbasalt bestehende Felswand mit großem Hohlraum. Hier soll Frau Holle zänkische Mädchen in Katzen verwandelt und eingesperrt haben.

Naturpark Reinhardswald

Ein uralter Wald voller Zauberwesen – das ist der Urwald Sababurg im Naturpark Reinhardswald nördlich von Kassel. Lugt dort ein Waldgeist unter dem Stamm hervor? Erklingt da ein leises Wispern hinterm Farn? Warum schaut die alte Frau aus dem Stamm? Harrt noch immer die verzauberte Jagdgesellschaft auf ihre Erlösung und warum gibt es weiße Hirsche im Wald? Hier, in Hessens ältestem Naturschutzgebiet, verzaubern die bis zu 600 Jahre alten knorrigen Baumriesen mit ihrer mystischen Atmosphäre Groß und Klein. Diese besondere Atmosphäre des Urwalds Sababurg ist durch die frühere Nutzung als Hutewald entstanden. Bis in die Nachkriegszeit trieben die Menschen Kühe, Schweine, Schafe und Ziegen zur Mast in den Wald, damit sie sich dort mit Bucheckern und Eicheln sattfressen konnten. So wurde der niedrige Bewuchs ständig abgeknabbert, während die größeren Bäume ausreichend Licht und Platz erhielten, um sich zu imposanten Baumgestalten zu entwickeln. Die mystischen Gebilde aus uralten knorrigen Bäumen und Totholz lassen viel Raum für Fantasien und Geschichten, die durch beeindruckende Führungen mit Ritter Dietrich oder der Jägerin aus dem Reinhardswald lange im Gedächtnis bleiben.

Teutoburger Wald

Das Wandergebiet Köterberg wurde schon von Wilhelm Grimm durchwandert, den auch in Ostwestfalen sammelten die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm Sagen und Volkslieder. Daher ist es nur konsequent, dass die Deutsche Märchenstraße auch durch den Naturpark Teutoburger Wald/Eggegebirge führt. Der Naturpark erstreckt sich zwischen Bielefeld und dem Diemeltal und ist mit 2.700 Quadratkilometern einer der größten Naturparke Deutschlands. Besonders sagenhaft wird es rund um den Köterberg. Von weithin ist der markanteGipfel des 496 m hohen Köterbergs zu erblicken. Die unbewaldete Kuppe mit dem Fernmeldeturm und dem Köterberghaus bildet die südliche Grenze der Osterräderstadt Lügde. Hier treffen sich die nordrhein-westfälischen Kreise Lippe und Höxter und der niedersächsische Landkreis Holzminden. Der Panoramaausblick bietet eine fantastische Fernsicht, die vom Hermannsdenkmal in Detmold bis zum Brocken im Harz reicht. Wilhelm Grimm höchstpersönlich erwanderte 1814 den Köterberg und berichtete: „An ihn haben sich natürlich viele Sagen geknüpft und durch ihn erhalten“. Man erzählte ihm von einem Schäfer, der mithilfe einer Springwurzel als Schlüssel den Eingang zur Schatzkammer im Berg fand, und das Märchen von den drei Vögelchen. Diese Sagen fanden dann auch einen Platz in der Sagen- und Märchensammlung der Brüder.