Was beim Patienten Schmerzen verursacht, ist auf dem Röntgenbild als Schere sichtbar. Das mag sicherlich ein von luckx – das magazin erfundene Situation sein. Doch hin und wieder wird bei einer Operation der eine oder andere Tupfer vermisst und später – wie oben beschrieben – wiedergefunden. So etwas sollte nicht passieren, aber passiert doch. Was ist zu tun?
Nachlässigkeit mit Folgen
Wenn die verschriebenen Tabletten unerwünschte Nebenwirkungen haben, der Therapieerfolg gänzlich ausbleibt oder die Schmerzen nach erfolgter OP sogar noch schlimmer werden, bröckelt das Bild vom „Gott in Weiß“. Über 10.000 Patienten warfen ihren Ärzten 2018 Behandlungsfehler vor und stellten einen Antrag auf ein Schlichtungsverfahren – so die offizielle Statistik der Bundesärztekammer. In immerhin 1.499 Fällen konnten die Gutachter den Vorwurf bestätigen, dass durch eine fehlerhafte Behandlung gesundheitliche Schäden entstanden sind. Die meisten Arztfehler wurden bei der Behandlung von Knochenbrüchen, bei Knie- und Hüftoperationen und bei der Therapie von Brustkrebs begangen. Doch wie muss man als Patient eigentlich vorgehen, wenn man das Gefühl hat, falsch behandelt worden zu sein? An wen muss man sich wenden und wie stehen überhaupt die Chancen auf eine erfolgreiche Klage?
Was ist ein Behandlungsfehler?
Das vergessene OP-Besteck in der Bauchhöhle ist sicher ein einfach zu belegender Behandlungsfehler. Doch wie verhält es sich mit falschen Diagnosen, einer mangelhaften OP-Aufklärung oder einer fehlerhaften Verordnung von Medikamenten? Fehler sind menschlich, doch wann spricht man rechtlich von einem ärztlichen Behandlungsfehler? Rechtsanwalt Joachim Indetzki erklärt: „Der Arzt ist verpflichtet, Patienten fachgerecht zu behandeln. Von einem Behandlungsfehler spricht man also immer dann, wenn die erfolgte medizinische Maßnahme nicht dem allgemein anerkannten Standard entspricht, den der Patient zu diesem Zeitpunkt erwarten kann.“ Übrigens: Für die Genesung selbst ist der Mediziner nicht verantwortlich. Hat er den Patienten den Richtlinien entsprechend behandelt, liegt kein Arztfehler vor, auch wenn die eingeleiteten Maßnahmen nicht zum Erfolg geführt haben.
Was tun bei einen Behandlungsfehler?
„Der Patient sollte am besten direkt ein Gedächtnisprotokoll über den Ablauf der Behandlung fertigen. Denn je mehr Zeit vergeht, umso eher geraten Details möglicherweise in Vergessenheit“, rät Rechtsanwalt Joachim Indetzki. Ein wichtiger Ansprechpartner bei einem ersten Verdacht auf einen Behandlungsfehler ist die Krankenkasse: Denn die gesetzlichen Krankenkassen sind verpflichtet, ihre Mitglieder bei der Verfolgung von Schadenersatzansprüchen, die aus Behandlungsfehlern entstanden sind, kostenlos zu unterstützen. So können diese bei Verdacht auf eine fehlerhafte Behandlung ein Sachverständigengutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) einholen, um zu klären, ob überhaupt ein Behandlungsfehler vorliegt. Ein Vorteil dieses Verfahrens: „Ein negatives Gutachten des medizinischen Dienstes bekommt nur der Patient selbst, nicht die Gegenseite zu sehen. Das kann vorteilhaft sein, wenn der Patient mit Hilfe eines Anwalts trotzdem gerichtlich vorgehen möchte“, so der Medizinrechtsanwalt.
Auch die Ärzteschaft verfügt über Einrichtungen, die Patienten kostenlos bei der Klärung eines Behandlungsfehlerverdachts unterstützen. Diese Gutachterkommissionen oder Schlichtungsstellen sind meistens bei der jeweils zuständigen Landesärztekammer oder der Landeszahnärztekammer angesiedelt. „Diese greifen Fälle auf, die noch nicht Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sind und die in der Regel nicht länger als fünf Jahre zurückliegen dürfen“, erklärt Joachim Indetzki. Ein Manko gibt es allerdings: „Schlichtungsstellen können nur angerufen werden, wenn beide Parteien damit einverstanden sind.“ Dennoch hat dieses Verfahren einen Vorteil: Während des Verfahrens wird die Verjährung gehemmt. Normalerweise verjähren die Ansprüche aus Behandlungsfehlern nach drei Jahren. Die Frist beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Grundsätzlich ist dabei entscheidend, wann der Patient Kenntnis über den Fehler und dessen Verursacher hatte. Das bedeutet: Die Frist beginnt erst, wenn der Patient vermutet oder erfahren hat, dass ein Arztfehler vorliegt. Das kann auch Jahre nach der Behandlung der Fall sein.
Was ist zu tun, wenn sich der Verdacht bestätigt?
„Am besten erörtern Patienten den Sachverhalt mit einem versierten Fachanwalt für Medizinrecht, damit dieser ihr Recht durchsetzen kann. Der Anwalt kann zunächst die Erfolgsaussichten auf Schadenersatz einschätzen. Wenn durch das Gutachten belegt wird, dass tatsächlich ein Fehler gemacht wurde und dieser zu gesundheitlichen Schäden geführt hat, stehen die Chancen auf Schadenersatz, zum Beispiel für den Verdienstausfall durch einen längeren Klinikaufenthalt, oder auf Schmerzensgeld gut. Aber: „Ein positives Gutachten des medizinischen Dienstes verpflichtet noch nicht zur Zahlung“, so der Rechtsanwalt. Das Gutachten diene zunächst einmal als fachliche Grundlage für eine weitere gerichtliche oder außergerichtliche Klärung. „Oftmals gelingt es, eine Regulierung mit dem zuständigen Haftpflichtversicherer bereits außergerichtlich zu erreichen“, berichtet Joachim Indetzki. Scheitern die außergerichtlichen Bemühungen allerdings, besteht die Möglichkeit, eine Klage bei Gericht einzureichen.
Gegen wen richtet sich eine Klage?
Nicht nur Ärzten, sondern auch Krankenpflegern, Hebammen, Heilpraktikern oder Psychotherapeuten können in ihrem Berufsalltag Fehler unterlaufen. Somit kann sich eine Klage auch gegen anderes medizinisches Personal richten. „Dass die Behandlung nicht planmäßig und zielführend verläuft, kann aber auch daran liegen, dass nicht ausreichend qualifiziertes Personal die Behandlung durchführt oder die Abläufe in der jeweiligen Klinik schlecht aufeinander abgestimmt sind“, so Rechtsanwalt Indetzki. In diesem Fall liege ein Organisationsfehler vor, der dem Krankenhaus zur Last gelegt werden kann.
Wie lange dauert ein Gerichtsverfahren?
Je nach Sachlage und Forderungen gibt es hier starke Unterschiede, wie der Rechtsanwalt erklärt: „Manche Gerichtsverfahren werden nach ein bis zwei Jahren abschließend entschieden. Wenn der Prozess hingegen durch mehrere Instanzen geht, kann es deutlich länger dauern – und entsprechend teuer werden.“ Hilfreich sei hierfür, wenn der Patient über eine Rechtsschutz-Versicherung verfügt, die für die anfallenden Gerichts, Anwalts- und Sachverständigenkosten aufkommt. Aber auch wer über keine entsprechende Absicherung verfügt, kann sein Recht unter bestimmten Bedingungen kostenfrei durchsetzen: „Größere Versicherungen bieten die Möglichkeit der Prozessfinanzierung. Das bedeutet, die Versicherer übernehmen bei aussichtsreichen Klagen alle Prozesskosten gegen eine Beteiligung am erstrittenen Betrag.“