Liquiditätsnöte

Was interessieren uns die Zahlungsprobleme in anderen Ländern? Gerade in unseren Nachbarstaaten können Zahlungsprobleme schnell zu unseren Problemen werden. Unsere Wirtschaftsbeziehungen sind in unserer europäischen Gemeinschaft am stärksten ausgeprägt. Durch unsere Einfuhren aus den Nachbarstaaten entstehen dort Einnahmen von über 600 Milliarden Euro. Dadurch werden rund 5 Millionen Arbeitsplätze dort gesichert was auch zu unserem Wohlstand beiträgt. Vielfach sind es zum Beispiel Zulieferprodukte. Wenn diese fehlen, lassen sich unsere Erzeugnisse nicht fertig produzieren. Welche Ausmaße das Annehmen kann, haben wir im Frühjahr und Sommer 2020 erlebt. Wenn jetzt Zahlungsausfälle dort entstehen und die Unternehmen geschlossen werden müssen, wird sich dies direkt auf unsere Wirtschaft aus. Das zeigt die Studienreihe Zahlungsmoralbarometer. Seit dem ersten Lockdown im März mussten Firmen in Bulgarien, Polen, Rumänien, der Slowakei, der Tschechischen Republik, der Türkei und Ungarn insgesamt 6 % ihrer Forderungen als uneinbringlich abschreiben, weil sie nicht bezahlt wurden. Das entspricht einer Versechsfachung gegenüber der Vorjahresstudie. Damals lag der Wert der Abschreibungen der befragten Unternehmen in Osteuropa noch bei 1 % ihres Umsatzvolumens. Die deutliche Verschlechterung der Geldzuflüsse nach erbrachter Leistung trägt erheblich dazu bei, dass das Insolvenzrisiko unter den osteuropäischen Firmen stark gestiegen ist, insgesamt 51 % von ihnen melden ernsthafte Liquiditätsengpässe seit dem Ausbruch der Pandemie.

Verkaufsrückgänge sorgen für Liquiditätsengpässe

In Osteuropa gaben 57 % der befragten Unternehmen an, dass sie während der Pandemie auf eine Absicherung ihrer Außenstände mithilfe einer Kreditversicherung gesetzt haben. 59 % der Befragungsteilnehmer berichteten aber auch, dass sie infolge der Pandemie erhebliche Umsatzeinbußen verzeichnen mussten.

Auch die Zahlungsverzögerungen haben deutlich zugenommen, wie die aktuelle Studie zeigt: In Osteuropa wurden nach Ausbruch der Corona-Pandemie im März 45 % der Außenstände erst nach dem Fälligkeitstermin bezahlt. In der Vorjahresbefragung lag dieser Wert noch bei 24 % des Gesamtumsatzes. Im weltweiten Vergleich liegen die osteuropäischen Firmen damit im Mittelfeld: In Westeuropa waren laut Zahlungsmoralbarometer zuletzt 47 % der Rechnungen am Fälligkeitstag noch unbezahlt, in Nord- und Südamerika insgesamt 43 %. In Asien kam es infolge von Corona dagegen bei mehr als der Hälfte der Forderungen (52 %) zu Verzögerungen.

Finanzkosten steigen

Außer häufigeren Liquiditätsengpässen verursachten die gestiegenen Forderungsrisiken auch steigende Einzugskosten für offene Zahlungen bei Europas Lieferanten und Dienstleistern. Darauf weist unter anderem der zuletzt gestiegene DSO-Wert (Days Sales Outstanding, durchschnittliche Forderungslaufzeit in Tagen) hin. Der DSO-Wert misst den Zeitraum zwischen der Rechnungsstellung und dem Zahlungseingang. Je kürzer diese Spanne ist, desto effizienter können Firmen ihre Außenstände einziehen und Liquidität generieren.

In Osteuropa liegt der DSO-Wert der Firmen aktuell bei 103 Tagen, 89 % der befragten Firmen berichteten hier zuletzt von einem Anstieg ihrer DSO. Auch der Wert der zu spät bezahlten Rechnungen nahm bei Osteuropas Firmen äußerst stark zu mit durchschnittlich 88 %.

Forderungsmanagement

Trotz des erheblichen Anstiegs der verspäteten Zahlungen und der beträchtlichen Anzahl von Unternehmen, die angaben, zuletzt mit Liquiditätsproblemen konfrontiert gewesen zu sein, blicken die Firmen in Osteuropa insgesamt optimistisch ins kommende Jahr.

Zahlungsmoralbarometer

Das Atradius Zahlungsmoralbarometer für Osteuropa enthält die Befragungsergebnisse zum Zahlungsverhalten im Firmengeschäft in sieben Ländern aus den vergangenen zwölf Monaten. Insgesamt 1.400 Firmen in Bulgarien, Polen, Rumänien, Slowakei, der Tschechischen Republik, der Türkei und Ungarn wurden befragt.