Abzocke

Es kann schon erschüttern, wie mit unserem Rechtssystem umgegangen wird. Gerade dann, wenn von den handelnden Personen prinzipiell ein anderes Verhalten erwarten werden kann. Was war passiert?Gleich mehrere hessische Verbraucher erhielten Schreiben einer Inkasso-Firma. Ein Rechtsanwalt forderte sie auf, 298,76 Euro aus einem angeblichen Dienstleistungsvertrag mit Anbietern von Gewinnspielen zu zahlen. Das Geld sollen die Verbraucher auf ein französisches Konto überweisen.

Die angeschriebenen Verbraucher sollen sich angeblich telefonisch bei einen Gewinnspiel-Unternehmen angemeldet haben. „Sie haben der kostenpflichtigen Dienstleistung mit Ihren persönlichen Daten zugestimmt und den Betrag für die Dienstleistung unseres Mandanten bis heute nicht beglichen“, heißt es in dem Schreiben. Aufgeführt sind Forderungsposten und Mahnkosten. Die Empfänger werden aufgefordert, den Betrag auf ein Konto mit einer französischen IBAN zu überweisen. Mit Verweis auf eine mangelnde Zahlungsbereitschaft wird mit der Androhung einer „Vorpfändung“ und alsbaldigen Kontosperrung zusätzlicher Druck aufgebaut. Offenbar steckt dahinter ein Betrugsversuch. Betroffene können die Forderungen ignorieren.

Typische Masche

Offenbar ist das eine typische Inkasso-Betrugsmasche mit frei erfundenen Forderungen“, sagt Peter Lassek, Rechtsanwalt bei der Verbraucherzentrale Hessen. „Das fordernde Inkasso-Unternehmen ist nicht beim Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen gelistet.“ Außerdem deuten die Kontoverbindung im Ausland sowie viele Rechtschreibfehler in dem Schreiben darauf hin, dass keine berechtigte Forderung dahinter steckt.

Standard-Inkassoschreiben

Neben diesen kriminellen Machenschaften gibt es noch den ganz normalen Wahnsinn. So musste der Bundesgerichtshof (BGH) wiederholt Anwälte in ihre Schranken weisen. So hat der BGH mit großer Deutlichkeit entschieden, dass Anwälte, die ein Masseninkasso betreiben, keine hohen (1,3) Gebühren für Standardschreiben vom Schuldner fordern dürfen. Machen Sie es trotzdem, stellt sich für den BGH die Frage der Strafbarkeit und damit der Zulässigkeit. Der BGH stellt klar, dass für Massenschreiben allenfalls eine 0,3 Gebühr gefordert werden könne. Die Erfahrung zeige, dass Standardschreiben im Inkasso keinen hohen Arbeitsaufwand bedeuteten. Oft würden die Schreiben voll automatisiert erstellt und versandt werden. Daher sei keine hohe Gebühr für die Tätigkeit des Anwalts gerechtfertigt.

Unseriös

Alles über einer 0,3 Gebühr sei Abzocke und unseriös. Das macht für viele Rechtsanwälte und Inkassobüros, die das Massengeschäft betreiben, das Forderungsmanagement von Massenforderungen wenig lukrativ. Der Vorteil für Betroffene: Erhalten Sie ein Schreiben eines Rechtsanwaltes oder Inkassobüros, das auf ein Masseninkasso schließen lässt, müssen sie statt einer 1,3 Gebühr allenfalls eine 0,3 Gebühr für die Tätigkeit des Rechtsanwalts bzw. Inkassobüros zahlen. Das Einfordern einer höheren Gebühr als eine 0,3 Gebühr wird nicht gerichtlich durchsetzbar sein. Daher muss sich niemand von Anwaltsschreiben beeindrucken lassen, die im Masseninkasso hohe Gebühren fordern. Es stellt sich sogar die Frage, ob überhaupt von einem Inkassoanwalt noch eine 0,3 Gebühr eingefordert werden kann, wenn er meinte, bereits eine 1,3 Gebühr für seine Tätigkeit geltend machen zu wollen. Dies zu fordern, ist nach BGH strafbar. Strafbare Handlungen haben zivilrechtlich zur Folge, dass deren Rechtsgeschäfte wegen Verstosses gegen ein Gesetz nichtig sind. Ist ein Teil eines zivilrechtlichen Rechtsgeschäftes nichtig, würde das zur Gesamtnichtigkeit führen. Kurzum: Inkassoanwälte, die eine 1,3 Gebühr fordern, könnten am Ende dann überhaupt nichts mehr einfordern können, nicht einmal eine 0,3 Gebühr.