Wir haben das alle schon einmal erlebt: kaum ist die Garantie abgelaufen, fangen die Mängel so richtig an. Ob Handy, Waschmaschine oder Auto: größere Reparaturen folgen meist kurz nach Ende der Garantiezeit oder des Gewährleistungsanspruch. Wenn dann Ersatzteile bestellt werden müssen, können schon mal mehrere Monate ins Land gehen. Denn die Produzenten sitzen meistens im Ausland.
Aktionsplan
Anscheinend ist nun auch unter neuen Kommisionspräsidentin Ursula von der Leyen ein anderer Wind in der EU eingetreten. Auch wenn viele damit noch nicht einverstanden sind, doch ist eine Bewegung zu beobachten. Um Müll zu vermeiden soll in einem Aktionsplan den Herstellern und Händlern größere Auflagen gemacht werden. Geräte sollen länger nutzbar werden, Verbraucher ein „Recht auf Reparatur“ bekommen und Hersteller ihre Produkte von vorneherein entsprechend konstruieren. Umweltschützer und Entsorger finden den Ansatz gut. Doch aus der Industrie kommt Gegenwind.
Mit ihrem Aktionsplan will die EU-Kommission endlich der seit Jahrzehnten angestrebten „Kreislaufwirtschaft“ näher kommen. Denn heute produziert jeder Europäer nach Angaben der Entsorger jährlich 488 Kilogramm Haushaltsmüll. Pro Kopf entfallen 176 Kilo Verpackungsabfall. „Der einzige Weg ist: nach unten“, sagte EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius. Sonst sei auch das Ziel einer klimaneutralen EU bis 2050 nicht zu schaffen.
Der Aktionsplan ist im wesentlichen ein Katalog von Ankündigungen, die in den nächsten Monaten und Jahren in Gesetzesvorlagen gegossen werden sollen. Dazu zählen:
– Vorschriften für die Konstruktion von Handys, Tablets und Laptops, die in der EU verkauft werden. Die Geräte sollen reparierbar und dadurch länger nutzbar werden, etwa mit austauschbaren Akkus und Software-Updates. Der Rahmen dazu ist die Ökodesign-Richtlinie.
– ein Verbot der Vernichtung unverkaufter haltbarer Waren
– neue Vorschriften gegen „übermäßige“ Verpackungen
– neue Vorschriften zur Verwendung von recyceltem Material in Kunststoffen, zur Vermeidung von Mikroplastik und zur Nutzung von biologisch abbaubaren Kunststoffen.
– ein Gesetzesvorstoß, um Wegwerfverpackungen und Besteck in der Fast-Food-Branche mit wiederverwendbaren Alternativen zu ersetzen
– eine Strategie zum Recycling von Kleidung und Textilien
– eine Strategie zur Wiederverwendung von Baustoffen, die heute zu 80 Prozent als Schutt enden.
Die Kommission argumentiert vor allem mit dem Nutzen für Umwelt und Klima. Die Hälfte aller Treibhausgase entstehe beim Abbau und bei der Verarbeitung neuer Rohstoffe, die bei Wiederverwendung geschont werden. Heute kämen aber nur zwölf Prozent der genutzten Rohstoffe zurück in den Wirtschaftskreislauf. „Wir haben nur einen Planeten Erde, aber 2050 werden wir so viel konsumieren, als hätten wir drei davon“, formulierte Sinkevicius. Wiederverwertung müsse die Norm werden.
Auch Entsorger und Recycler sehen den Vorstoß aus Brüssel positiv entgegen. „Die Initiative könnte ein Meilenstein für den Klima- und Ressourcenschutz in der EU werden“, lobte der Verband Kommunaler Unternehmen, in dem auch Entsorger organisiert sind. Entscheidend sei nun, dass die Pläne nicht verwässert würden. Doch von Industrie- und Verbandsseite ist Gegenwind zu beobachten. So warnt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag vor einer Überforderung kleiner Unternehmen. Bitkom als Branchenverband der Elektronikbetriebe kritisiert die Pläne für ein „Recht auf Reparatur“ und findet kuriose Argumente dagegen. Das Verhalten der Verbände erinnert an die Einführung des Katalysators für Benzinbetriebene Kraftfahrzeuge: zu teuer, Leistungseinbußen, hoher Spritverbrauch. Und heute? Von alledem ist keine Rede mehr. Die Selbstverständlichkeit hat Einzug gehalten. Anstatt nun nach gemeinsamen Lösungen zu suchen, wird – wie immer – auf hohem Niveau gejammert. Schade, hier wird abermals eine Chance vertan und Zeit verschwendet, die deutsche und europäische Wirtschaft zu stärken.