Die Kur ist ein alter Hut. So jedenfalls ist es in vielen Köpfen verankert. Doch wer schon einmal eine Kur gemacht hat, kann lange Zeit von den Erfahrungen profitieren. Dabei gibt es nicht DIE Kur. Für jeden und jede ist in unseren deutschen Kurorte eine spezielle Anwendung verfügbar. Luckx – das magazin berichtet in unregelmäßigen Abständen über die verschiedenen Möglichkeiten der Gesundheitsvorsorge durch eine Kurmaßnahme.
Schrothkur
Sie werden um 4 Uhr morgens in feuchtkalte Tücher gewickelt, um ein künstliches Fieber zu erzeugen und nehmen nur 400 bis 600 Kalorien pro Tag zu sich: Schroth-Gästen wird einiges abverlangt. Wie hart die Kur wirklich ist, was das über 200 Jahre alte Naturheilverfahren so besonders macht und warum es gerade jetzt so einen Hype erlebt, erzählt Eleonore Perschl im Interview. Sie arbeitet seit über 30 Jahren als „Packerin“ in Oberstaufen – Deutschlands einzigem Schrothheilbad – und bereitet sich selbst jeden Herbst mit einer Schrothkur auf den Winter vor.
Frau Perschl, was kann die Schrothkur, was andere Diäten nicht können?
Eine Schrothkur ist nicht in erster Linie Diät. Der Gewichtsverlust ist nur ein willkommener Nebeneffekt. Viel wichtiger: Während der Kur wird der Körper entgiftet, Krankheiten wie Migräne, Bluthochdruck und Diabetes können gelindert und die Selbstheilungskräfte aktiviert werden. Schrothler sind weniger anfällig für Stress und Erkältungskrankheiten, der Effekt hält bis zu neun Monate an.
Warum erlebt die Schrothkur derzeit so einen Hype?
Die Kur entspricht dem aktuellen Bedürfnis, sich ganzheitlich etwas Gutes zu tun: Der gesamte Körper wird entschlackt und entgiftet. Die erlaubten Speisen sind vegan und basisch – auch das liegt im Trend. Kurz gesagt: Das Naturheilverfahren erfüllt das verstärkte Bewusstsein für sich und die Umwelt.
Sie machen selbst jedes Jahr eine Schrothkur. Was glauben Sie: Wie würde es Ihnen heute ohne Schrothkur gehen?
Ich bin mir sicher: Es ist der Schrothkur zu verdanken, dass ich seit 30 Jahren nicht einen einzigen Tag krank zuhause bleiben musste.
Bitte beschreiben Sie kurz den Tagesablauf eines „Schrothlers“.
Außer sonntags wecke ich die Schroth-Gäste zwischen 4 und 5 Uhr mit Kräutertee sowie Zwieback, um sie anschließend erst in ein nasskaltes Tuch, dann in mehrere Schichten trockene Decken und Mollton mit Wärmflasche zu wickeln. Das erzeugt ein künstliches Fieber. So bleibt der Schrothler maximal zwei Stunden liegen, schläft oder schaut einen Film. Nach dem Auspacken fallen die meisten nochmal in einen tiefen, ruhigen Schlaf. Der Wechsel von Trocken- und Trinktagen ist eine wichtige Säule der Kur. An den Trockentagen sind nur leichte Spaziergänge und Entspannungsübungen angeraten. Ansonsten stehen Bewegung, Tanzen und Wandern auf dem Programm. Das Sportangebot ist hinsichtlich Intensität an diesen Wechsel angepasst. Die Tagebucheinträge zwei meiner Kolleginnen geben einen guten Einblick in den Schroth-Alltag.
Die Schrothkur hat den Ruf, dass es dabei recht lustig zugeht. Woher kommt das?
An den Trinktagen wird Wein zum Abendessen angeboten, an den Trockentagen ist immerhin ein „Aufgestockter“ erlaubt, also ein Wacholderschnaps mit Orangen- und Grapefruitsaft. Außerdem gehen viele an den Bewegungstagen zum Tanzen. Das Schöne ist, dass man dort immer Gleichgesinnte trifft, mit denen man fachsimpeln kann.
Wie häufig kommt es vor, dass ein Schrothgast die Kur abbricht, weil er/sie nicht durchhält?
Ich kann mich an keinen einzigen Fall erinnern. Bei uns geht es nicht so streng zu, wie es sich vielleicht anhört. Wir gehen auf alle Wünsche ein: Wenn jemand beispielsweise nicht mumienartig eingewickelt sein mag, lassen wir die Arme draußen. Manche essen heimlich mal ein Stück Kuchen. Das ist zwar schade, weil es das positive Ergebnis der Kur abschwächt, aber die Entscheidung überlassen wir jedem selbst.