Unser Herz

Rund 100.000 Mal schlägt unser Herz täglich. Wie selbstverständlich wird dabei Blut durch die Arterien gepumpt und fließt dann durch die Venen zurück. So werden die fünf bis sechs Liter Blut tägliche viele Male in eine Umlaufbau geschickt. Veränderungen an diesem System passieren meist schleichend, so dass wir eine Erkrankung gar nicht wahrnehmen. Zwar gibt es Kriterien wie Blutdruck, Inhaltsstoffe usw., die auf eine Erkrankung hindeuten können. Da wir aber zu selten einen Gesundheitsscheck durchführen, werden Erkrankungen meist viel zu spät erkannt. Dabei sind laut WHO kardiovaskuläre Erkrankungen mit rund 17,9 Millionen Todesfällen jährlich die weltweit häufigste Todesursache. Vor allem akute Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall werden hier beachtet. Dabei schränken auch chronische Herzkrankheiten viele Patienten stark ein. Wenn die Kardiologie digitale Methoden implementiert, kann sie mehr Betroffene erreichen.

Gesundheitsdaten

Wenn sich die Kardiologie digitalisiert, kann sie mehr Patienten erreichen, die sonst wenig oder keine Möglichkeit hätten, einen Arzt zu besuchen. Denn wie bei allen chronischen Erkrankungen gehören zum optimalen Management auch regelmäßige Besuche beim Hausarzt oder Kardiologen, der die Herzfunktion mittels Bildgebung und EKG untersucht. Für Menschen in Ländern mit mittlerem und geringem Einkommen, wo ein umfassend ausgebautes Gesundheitssystem fehlt, ist das aber nicht immer möglich. Gerade hier stellen aber laut WHO die Herzkreislauferkrankungen auch die stärkste Belastung dar, denn zwei Drittel der weltweiten Todesopfer sind hier zu verzeichnen. Aber auch in Ländern mit hohem Einkommen gibt es Regionen mit schwacher Infrastruktur, die regelmäßige Arztbesuche erschwert, und Patienten, die dazu nicht mobil genug sind.

Digitale Kardiologie

Ihnen können eHealth und mHealth helfen. Sie ermöglichen es Patienten, selber Daten zu ihrer Krankheit zu sammeln, diese über eine sichere Verbindung an ihren Arzt zu übertragen und per Telefon oder Videochat mit ihm zu besprechen. Dann müssen sie ihn nur noch in Ausnahmefällen persönlich aufsuchen. Der Haken: Kardiologische Daten sind komplexer als Blutzucker und Blutdruck, die viele Patienten routinemäßig zu Hause messen können. Für die Diagnose von Herzrhythmusstörungen etwa ist ein EKG notwendig. Rhythmusstörungen können die Entstehung von Blutgerinnseln im Herzen fördern, die mit dem Blut ins Gehirn gelangen und dort einen Schlaganfall auslösen können. Wenn solche Störungen entdeckt werden, können sie aber behandelt werden, um der Entstehung von Gerinnseln vorzubeugen.

Gerätemedizin

Heute werden sie noch mit EKG-Geräten diagnostiziert, die Patienten im Alltag für 24 Stunden tragen müssen. Das ist unkomfortabel und einschränkend. Die sich stetig verbessernde Smartphone-Technik und die CE- und FDA-zertifizierte App FibriCheck können hier helfen. Diese nutzt die Kamera des Smartphones und die Photoplethysmographie, die Messung der Lichtabsorption. Dabei wird die Haut an der Fingerkuppe mit dem Blitz der Kamera durchleuchtet. Die FibriCheck-App misst, wie viel Licht in der Fingerkuppe absorbiert wird: Die Absorption variiert zusammen mit dem Herzschlag, denn jeder Schlag pumpt Blut durch den Körper und die kleinen Kapillargefäße im Finger. Wenn diese mit einem Herzschlag an Dicke zunehmen, absorbieren sie mehr Licht, zwischen den Schlägen entsprechend weniger. Diese Schwankung wird 60 Sekunden lang gemessen und kann eventuelle Unregelmäßigkeiten im Herzschlag zeigen.

Mit App checken

FibriCheck und andere Kardiologie-Apps sind gute Ansätze, um Patienten zu unterstützen. Gerade, wenn sie beispielsweise mit Wearables kombiniert werden, um eine unaufdringliche und kontinuierliche Kontrolle des Herzens zu ermöglichen. Seit Kurzem kann FibriCheck auch mit Fitbits verwendet werden. Trotzdem unterliegen Selbstmessungen durch Patienten potenziell mehr Fehlern als die durch geschultes Personal.

In Praxis und Krankenhaus erweitern, unterstützen und ergänzen digitale Helfer bestehende Untersuchungsmethoden. Das Frankfurter Start-up Cardisio bringt ein neues, KI-basiertes Screening-Verfahren für die koronare Herzkrankheit in kardiologische Praxen. Mit dem Cardiosiograph werden mittels Elektroden die elektrischen Ströme in der Brust der Patienten gemessen, die Auskunft über die Aktivität des Herzmuskels geben. Aus den gesammelten Daten errechnet ein Algorithmus ein dreidimensionales Modell des Herzens, aus dem Rückschlüsse auf die Durchblutung und eventuelle Gefäßverengungen möglich sind. Die Methode ist einfach anzuwenden und nicht-invasiv. Sie erzeugt außerdem ein präziseres Bild als bestehende Verfahren. Damit kann sie der Ausgangspunkt für eine erweiterte Diagnostik sein und sich für Screening-Untersuchungen eignen.

Zusammen mit neuen Untersuchungsmethoden ebnen Apps und Wearables den Weg für eine bessere zukünftige Versorgung chronischer kardiologischer Erkrankungen. FibriCheck und Cardisio sind nur zwei Beispiele dafür, wie junge Unternehmen die Kardiologie unterstützen und in die Digitalisierung führen können. Sie binden Patienten in das aktive Management ihrer Krankheit ein, entlasten Ärzte und Personal und sparen damit letztendlich Kosten im Gesundheitssystem.

Ihre Möglichkeiten gehen aber über einen reinen Spareffekt hinaus, denn sie können die kardiologische Versorgung dort verbessern, wo es weder Praxen noch Krankenhäuser gibt, sich aber zumindest eine (mobile) Internetverbindung und eine Stromversorgung realisieren ließen. Damit tragen sie gerade in den Ländern zu einer besseren Versorgung bei, in denen kardiovaskuläre Erkrankungen eine besonders große Belastung darstellen.