Wer kann das verstehen?

Zwar wird uns das Corona-Virus noch lange Zeit begleiten. Doch die wirtschaftliche Entwicklung hat in der Bundesrepublik Deutschland wieder kräftig Fahrt aufgenommen. Arbeitslosen- und Kurzarbeiterzahlen sind schon wieder rückläufig. Trotzdem hakt es an einigen Stellen. Autos stehen auf Halde, weil Computer-Chips fehlen; Bauvorhaben stocken trotz voller Auftragsbücher, weil Holz fehlt. An ersteres haben wir uns ja schon gewöhnt. Doch wie kann es sein, dass der Wald voller Holz ist und Bauholz nicht lieferbar ist? Luckx – das magazin hat recherchiert.

Wald voller Bäume

Eigentlich sollte die Läger voller Holz sein. Denn der Holzeinschlag erreicht 2020 aufgrund von Waldschäden einen neuen Rekordwert. Doch wo ist das Holz geblieben? Soviel kann trotz kaltem Winter nicht im Ofen gelandet sein.

2020 war ein gutes Jahr für die Forstwirtschaft. Es wurden in den deutschen Wäldern 80,4 Millionen Kubikmeter Holz eingeschlagen. Das konnten die heimischen Forstleute gar nicht schaffen und wurden durch ausländische Fachkräfte unterstützt. Damit erreichte der Holzeinschlag einen neuen Rekordwert: Nie zuvor seit der deutschen Vereinigung ist in Deutschland mehr Holz geschlagen worden als 2020. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, stieg der Holzeinschlag damit noch einmal um 16,8 % gegenüber dem bisherigen Höchstwert von 68,9 Millionen Kubikmetern im Jahr 2019. Diese Entwicklung ist durch vermehrte Waldschäden infolge des auch durch Trockenheit und Hitze begünstigten Insektenbefalls begründet: So machte der Schadholzeinschlag aufgrund von Insektenschäden über die Hälfte (53,8 %) des gesamten Holzeinschlags im Jahr 2020 aus.

Fichte, Tanne, Douglasie und sonstiges Nadelholz

Mit einer Holzeinschlagsmenge von 62,2 Millionen Kubikmetern machte die Holzartengruppe „Fichte, Tanne, Douglasie und sonstiges Nadelholz“ im Jahr 2020 einen Anteil von mehr als drei Vierteln (77,3 %) des Gesamtholzeinschlags aus. Zum Vergleich: In den Jahren 2010 bis 2017 lag der jährliche Holzeinschlag dieser Holzartengruppe mit 25,2 bis 30,4 Millionen Kubikmetern nicht einmal halb so hoch und nahm einen Anteil von etwa 48 bis 56 % des Gesamtholzeinschlags (durchschnittlich 54 Millionen Kubikmeter) ein. Der seit drei Jahren sichtbare Trend zu vermehrtem Einschlag dieser Holzartengruppe setzte sich somit weiter fort: 2018 wurden 39,4 Millionen Kubikmeter eingeschlagen, was einem Anteil von 61,1 % am Gesamtholzeinschlag von 64,6 Millionen Kubikmetern entsprach. 2019 belief sich der Einschlag bereits auf 47,8 Millionen Kubikmeter und einen Anteil von 69,5 %.

Dagegen waren die Holzeinschlagsmengen bei den Laubholzarten sowie bei Kiefer und Lärche im Jahr 2020 rückläufig. So sank die Einschlagsmenge für Laubholz im Vergleich zu 2019 um 12,9 % auf 10,2 Millionen Kubikmeter und für Kiefer und Lärche um 13,7 % auf 8,0 Millionen Kubikmeter.

Waldschäden

Die Menge des aufgrund von Waldschäden eingeschlagenen Holzes ist besonders deutlich gestiegen: Der bereits sehr hohe Vorjahreswert von 46,2 Millionen Kubikmetern Schadholz stieg im Jahr 2020 um 30,0 % auf 60,1 Millionen Kubikmeter. Damit hat sich der Schadholzeinschlag seit dem Jahr 2017 fast verfünffacht (2017: 12,3 Millionen Kubikmeter). Sowohl die Menge des Schadholzeinschlags als auch sein Anteil am Gesamtholzeinschlag in Höhe von fast drei Vierteln (74,8 %) waren noch nie so hoch wie im Jahr 2020. Schäden durch Insekten waren 2020 für den Einschlag von 43,3 Millionen Kubikmetern und damit 72,0 % des Schadholzeinschlages verantwortlich, weitere 16,9 % entstanden durch Wind- und Sturmschäden. Der Schadholzeinschlag durch Insekten überstieg damit deutlich die Mengen der bisherigen Rekordjahre 2018 mit 11,3 Millionen Kubikmetern und 2019 mit 31,7 Millionen Kubikmetern. Im Vergleich zu 2017 hat sich die Menge sogar mehr als versiebenfacht: So lag der jährlich durch Insekten verursachte Schadholzeinschlag in den Jahren 2010 bis 2017 lediglich zwischen 0,9 und 6,0 Millionen Kubikmetern.

Die Holzartengruppe „Fichte, Tanne, Douglasie und sonstiges Nadelholz“ hat am gesamten Schadholzeinschlag einen Anteil von 88,9 %. Die enormen Einschlagsmengen in dieser Holzartengruppe und das erhöhte durch Insekten verursachte Schadholzaufkommen unterstreichen eine in den letzten Jahren häufig thematisierte problematische Entwicklung: Der Borkenkäfer verbreitet sich rasant in heimischen Wäldern und befällt dabei vorrangig Fichten.

Bauholz

Doch wo ist das Holz geblieben? Der Borkenkäfer knabberte zwar an der Rinde. Doch das schadet der Holzqualität nicht. Denn die Borke wird meist im Wald abgeschält bevor das Holz weiterverarbeitet wird. Ursache ist der Bauboom während der Corona-Pandemie. Er hat die Nachfrage nach Holz als Baustoff im In- und Ausland angekurbelt. So exportierte Deutschland im Jahr 2020 insgesamt rund 12,7 Millionen Kubikmeter Rohholz im Wert von 845 Millionen Euro. Im Vergleich zum Jahr 2019 ist dies eine mengenmäßige Steigerung um 42,6 %. Der Exportzuwachs setzt sich zu Beginn des Jahres 2021 nicht fort: Im Januar und Februar 2021 sank der mengenmäßige Export im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 12,4 % auf 1,5 Millionen Kubikmeter (Wert: 100 Millionen Euro).

Im langfristigen Vergleich hat sich die Menge von ausgeführtem Rohholz seit dem Jahr 2015 mehr als verdreifacht (+238 %). 2015 waren es noch 3,8 Millionen Kubikmeter im Wert von rund 329 Millionen Euro. Die Importmenge ging im gleichen Zeitraum um ein Drittel (-32,4 %) auf 5,9 Millionen Kubikmeter zurück.

Für den Exportboom sorgte die hohe Nachfrage nach Fichten- und Tannenholz. Im Jahr 2020 machte dieses Holz 83,8 % des exportierten Rohholzes aus.

Wichtigster Absatzmarkt war im Jahr 2020 die Volksrepublik China: Die Hälfte des Exportes (50,6 %, 6,4 Millionen Kubikmeter) ging nach Fernost. Der Anteil nahm seit 2015 deutlich zu – damals lag er noch bei 10,1 %. Auf den Plätzen zwei und drei folgten im Jahr 2020 Österreich (19,2 % / 2,4 Millionen Kubikmeter) und Belgien (9,2 % / 1,2 Millionen Kubikmeter).

Preissteigerungen

Die Anbieter von Rohholz profitieren derzeit kaum von der wachsenden Nachfrage: Die Rohholzpreise – gemessen am Index der Erzeugerpreise der Produkte des Holzeinschlags – stiegen zuletzt zwar moderat an, lagen aber im Februar 2021 um 2,3 % unter dem Stand des Vorjahresmonats und weit unter dem Niveau des Jahres 2015 (-27,3 %). Der Preisindex für Rohholz wird bei den Forstverwaltungen erhoben; diese Preisbeobachtung erfolgt bei der „Ernte“ des Holzes und damit ganz am Anfang der Produktionskette.

Die steigende Nachfrage aus dem In- und Ausland, die Angebotsverknappung auch aufgrund der Beschränkungen im Holzeinschlag sowie der Baukonjunktur haben einen preistreibenden Effekt auf die Außenhandelspreise für Rohholz.

Die Entwicklung der gewerblichen Erzeugerpreise gestaltet sich in den einzelnen Produktsegmenten des Holzmarktes sehr unterschiedlich, in Abhängigkeit von den einzelnen Schnittholzsortimenten und Holzwerkstoffen. So stiegen zum Beispiel die Preise für Verpackungsmittel aus Holz im März 2021 um 11,5 % im Vergleich zum Vorjahresmonat. Die Erzeugerpreise für Holzplättchen oder Holzschnitzel, die überwiegend für das Heizen eingesetzt werden, fielen dagegen im gleichen Zeitraum um 24,6 %.

Insgesamt stiegen die Erzeugerpreise für bearbeitetes Holz dagegen überdurchschnittlich. Im März 2021 lagen sie für Holz (gesägt, auch gehobelt oder imprägniert) um 13,9 % über dem Vorjahresmonat. Am stärksten stiegen die Preise für Nadelschnittholz, dazu gehören Dachlatten, Bauholz oder Konstruktionsvollholz: Im März 2021 lagen diese um 20,6 % höher als im März 2020. Zum Vergleich: Der Erzeugerpreisindex gewerblicher Produkte insgesamt erhöhte sich im selben Zeitraum um 3,7 %.

Säge-, Hobel- und Holzimprägnierwerke mit Umsatzrekord

Profiteure der Entwicklungen auf dem Holzmarkt sind u. a. die Säge-, Hobel- und Holzimprägnierwerke. Die Umsätze der Branche erreichten im Jahr 2020 einen Rekordwert von 6,5 Milliarden Euro. Im Vergleich zum Jahr 2015, als der Umsatz noch rund 5,5 Milliarden Euro betrug, war das ein Zuwachs von 18,3 %. Ursächlich für diese Entwicklung ist auch die gestiegene Nachfrage aus dem Ausland. Der Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz der Branche lag 2020 bei fast einem Drittel (32,5 %). Zum Vergleich: Im Jahr 2015 waren es 26,7 %.