Hohe Nachfrage trifft auf geringes Angebot. Das dann die Preise steigen, lernt jeder Betriebswirtschaftsstudierende im ersten Semester. Dazu verstärkt die Corona-Pandemie die Veränderungen in der Lebens- und Arbeitswelt. Wie kann und soll jetzt der Traum vom eigenen Heim aussehen? luckx – das magazin blickt im zweiten Teil auf einen unübersichtlichen Markt.
Preistrends ungebrochen
Insgesamt änderte sich im ersten Corona-Jahr nichts Grundlegendes am langjährigen Trend stark anziehender Immobilienpreise und wachsender Mieten: Bundesweit legten die Angebotspreise für Eigentumswohnungen zwischen dem 1. Quartal 2020 und dem 2. Quartal 2021 um durchschnittlich 17 Prozent zu, die für Einfamilienhäuser um 15,6 Prozent. Die Angebotsmieten für Neuverträge stiegen im gleichen Zeitraum um 5,0 Prozent. Der angestaute Nachfrageüberhang blieb in vielen Stadt- und Landkreisen groß, auch wenn die Pandemie den Baubetrieb kaum störte und im Jahr 2020 rund 306.000 Wohnungen fertiggestellt wurden.
Der Preisschub wurde wie in den Vorjahren durch niedrige Zinsen, finanzierungswillige Finanzinstitute und fehlende Anlagealternativen verstärkt. Hinzu kam, dass insbesondere wohlhabende private Haushalte in Zeiten geschlossener Läden und ausgefallener Urlaubsreisen mehr Geld zur Verfügung hatten. Private und institutionelle Investoren kauften Wohnungen als vergleichsweise lukrative und sichere Anlage. Und da zeitweilig pandemiebedingt Arbeitskräfte auf dem Bau fehlten, vor allem aber die Materialkosten deutlich stiegen, zogen Baupreise spürbar nach oben und verteuerten tendenziell neue Wohnungen.
Unterschiedlicher Corona-Effekt
Durch die leichten Verschiebungen in der Nachfrage fielen die spezifischen Corona-Effekte bei Kaufpreisen und Mieten allerdings je nach Siedlungstyp unterschiedlich aus. So bremste die Pandemie das Wachstum der Angebotspreise bei Eigentumswohnungen in Großstädten und etwas dichter besiedelten ländlichen Gebieten um 0,8 bzw. 0,2 Prozentpunkte ab. In von Mittelstädten geprägten „städtischen Kreisen“, wie sie sich oft im Umland von Großstädten finden, und vor allem in dünn besiedelten ländlichen Gegenden legten die Angebotspreise hingegen um 1,4 bzw. sogar 5,6 Prozentpunkte stärker zu, als das ohne Pandemie zu erwarten war. Bei den Hauspreisen beobachteten die Immobilienforscher eine dämpfende Wirkung lediglich in den Großstädten (um 1,7 Prozentpunkte), während infolge der Pandemie in den drei übrigen regionalen Typen die Preise stärker zulegten – am kräftigsten in den „städtischen Kreisen“ um zusätzlich 3,9 Prozentpunkte.
Damit zogen die Angebotspreise ausgerechnet in Regionen stärker an, die für Immobilieninteressenten mit kleineren oder mittleren Einkommen noch eher erschwinglich waren. Die Corona-Krise habe „die seit Jahren schleichend wirkende Asymmetrie, dass Wohneigentum für Haushalte mit geringen Einkommen weniger erschwinglich wurde, eher verstärkt. Für Haushalte mit hohen Einkommen sind die eingetretenen Verschiebungen indes nicht sehr groß gewesen.“
Belastung von Mieterhaushalten steigt
Den direkten Corona-Effekt auf die Mietentwicklung stufen die Experten im Vergleich zu den Kaufpreisen als deutlich geringer ein. Bundesweit rechnen sie mit einem zusätzlichen Anstieg der Angebotsmieten für Neuverträge um lediglich 0,1 Prozentpunkte, also 5,0 statt 4,9 Prozent im untersuchten Zeitraum. Allerdings konstatieren sie auch hier spürbare regionale Differenzen: In Großstädten bremste die Pandemie die Zuwächse um 0,1 Prozentpunkte auf 4,1 Prozent, in „städtischen Kreisen“ um 0,4 Prozentpunkte auf 5,1 Prozent. Dagegen legten die Mieten in etwas dichter besiedelten ländlichen Regionen um 5,1 Prozent zu – 0,7 Prozentpunkte mehr als ohne Pandemie. An der dünn besiedelten ländlichen Peripherie zogen die Angebotsmieten für Neuverträge um 6,6 Prozent an, davon 0,9 Prozentpunkte der besonderen Situation im Corona-Jahr zu.
Trotz recht geringer Corona-bedingter Beschleunigung bei den Mieten konstatieren die Forscher, dass „sich die Erschwinglichkeit von Mietwohnungen vielerorts weiter verschlechtert“ habe. Das liegt auch an einem zweiten Corona-Effekt, der Mieter, sowohl mit neuen als auch mit bestehenden Mietverhältnissen, ebenso wie Kaufinteressierte trifft: Staatliche Maßnahmen wie das Kurzarbeitergeld, der Kinderbonus oder Unterstützungsleistungen für Selbständige und Unternehmen federten die Krisenwirkungen auf Arbeitsmarkt und Einkommen zwar im Durchschnitt so stark ab, dass die nominalen Verfügbaren Einkommen der Haushalte 2020 sogar geringfügig zunahmen. Doch jenseits dieses Durchschnitts büßten viele Haushalte an Einkommen ein, die meisten moderat, doch einige auch erheblich. Nach aktuellen Studien der Hans-Böckler-Stiftung erlitten Haushalte, die bereits vor der Pandemie eher niedrige Einkünfte hatten, in der Corona-Krise überdurchschnittlich häufig Einkommenseinbußen. Selbst wenn ihre Miete nicht oder nur wenig steigen würde, müssten solche Haushalte einen spürbar größeren Teil ihrer nun geringeren Einkünfte fürs Wohnen ausgeben.
Prozentual mehr Ausgaben fürs Wohnen
Der Wirkungsmix aus anziehenden Mieten und teilweise sinkenden Einkommen ist nach Analyse der Forscher so ausgeprägt, dass er auch an einer Zunahme der durchschnittlichen Mietkostenbelastung in Deutschland ablesbar ist. Für Neuvermietungen können die Anstieg konkret beziffert werden, indem die Nettokaltmiete für eine durchschnittliche Mehrpersonenwohnung von 80 Quadratmetern dem durchschnittlichen Netto-Haushaltseinkommen gegenübergestellt werden. Das Verfahren definiert beispielhaft eine eher theoretische Untergrenze der Wohnkostenbelastung, weil keinerlei Nebenkosten und auch nicht alle Wohnungsgrößen einbezogen werden. Die gemessene Belastungsquote ist also zwangsläufig deutlich niedriger als bei anderen Untersuchungen, welche die tatsächlichen monatlichen Wohnkosten von Haushalten anhand der Bruttowarmmiete darstellen.
Gleichzeitig lässt sich so der Corona-Effekt bei Neuvermietungen gewissermaßen „in Reinkultur“ zeigen, und der fiel spürbar aus: Von 2011 bis 2020 wuchs die durchschnittliche Belastungsquote bei den Neu-Nettokaltmieten von 15 auf knapp 17 Prozent eines durchschnittlichen Netto-Haushaltseinkommens. Auf das Pandemiejahr 2020 entfielen davon gleich 0,6 Prozentpunkte, wovon die Hälfte ein spezifischer Corona-Effekt war. „Die Pandemie führte also direkt zu einer höheren Mietkostenbelastung der privaten Haushalte. Dieser Effekt wird umso größer sein, je höher die Wohnkostenbelastung bereits vor der Pandemie war“, ordnen die Forscher diesen Trend ein. „Da vornehmlich Mieterhaushalte mit niedrigeren Einkommen einen überproportional hohen Anteil für die Miete ausgeben, dürfte sich die Belastung durch hohe Wohnkosten gerade in den unteren Einkommensgruppen verschärft haben“, schreiben die Autoren. „Eine zusätzliche Asymmetrie dürfte dadurch eingetreten sein, dass Haushalte mit relativ hohem Vermögenseinkommen in der Pandemie zusätzlich durch Preisauftriebe der Vermögensmärkte begünstigt waren; vermögensschwache Haushalte profitierten hiervon nicht.“
Dieser Bericht basiert auf: Tobias Just, Rupert K. Eisfeld: Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die deutschen Wohnungsmärkte. IMK-Study Nr. 74, September 2021.