150 Jahre Tradition – es geht weiter

Aus den Strickmaschinen wurden Fahrräder, dann Motorräder und Autos. So lässt sich in wenigen Worten die Entwicklung der Traditionsmarke NSU darstellen. Und heute? Durch die Übernahme von Audi bliebt das Werk und ein Teil der Tradition erhalten und blitzt immer wieder auf, wie luckx – das magazin recherchierte und nun die Fortsetzung des ersten Teils liefert.

Fusion und Transformation

Am 10. März 1969 wurde ein Vertrag zur Fusion der NSU Motorenwerke AG und der Ingolstädter Auto Union GmbH unter dem Dach des Volkswagen-Konzerns unterzeichnet. Rückwirkend zum 1. Januar 1969 entstand damit die AUDI NSU AUTO UNION AG mit Sitz in Neckarsulm, an der die Volkswagenwerk AG eine Mehrheitsbeteiligung besaß. Die Modellpalette des neuen Unternehmens war durch eine große Vielfalt geprägt, auch in technischer Hinsicht: neben dem NSU Prinz und dem NSU Ro 80 wurden am Standort Neckarsulm fortan auch der Audi 100 gebaut. Die beiden NSU-Modelle allerdings sollten in den 1970er Jahren auslaufen: der Prinz 1973 nach 15 Jahren und der Ro 80 1977 nach zehn Jahren. Am 1. Januar 1985 schließlich wurde die AUDI NSU AUTO UNION AG in AUDI AG umbenannt und der Sitz der Gesellschaft von Neckarsulm nach Ingolstadt verlegt. Seither tragen Unternehmen und Produkte den gleichen Namen.

Transformation, sich und seine Produkte immer wieder neu erfinden – das gehört zur Geschichte von NSU und dem jetzigen Audi-Standort Neckarsulm. Dieser hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ebenso rasant wie kontinuierlich weiterentwickelt: Mit der Klein- und Großserienkompetenz ist das Werk Neckarsulm heute eines der komplexesten in Europa und zählt zu den Standorten mit der größten Produktvielfalt im Volkswagen-Konzern. Der Standort entwickelt sich Schritt für Schritt zur Smart Factory und bereitet sich außerdem auf die Elektrifizierung vor. Zudem ist er Kompetenzzentrum für Hochvoltbatterien. Neben dem Flaggschiff Audi A8, dem Supersportwagen Audi R8 sowie weiteren Modellen der B-, C- und D-Baureihe werden in Neckarsulm die sportlichen RS-Modelle entwickelt und gefertigt – nicht von ungefähr, denn hier sitzt die Audi Sport GmbH, die auf die 1983 gegründete quattro GmbH zurückgeht und 2023 deshalb ihr 40-Jähriges feiert. Seit Ende 2020 wird außerdem das erste vollelektrische Audi-Modell an einem deutschen Standort in Neckarsulm produziert: der Audi e-tron GT quattro. Mit rund 15.500 Mitarbeitenden ist die AUDI AG am Standort Neckarsulm heute eines der größten Unternehmen in der Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken. Begonnen hat alles vor 150 Jahren mit zehn Arbeitern – was für eine Geschichte, was für eine Dynamik, was für eine Entwicklung.

Die NSU-Werbung – kreativ, innovativ, wegweisend

Fixe Fahrer fahren Fox“, „Kluge Köpfe kaufen Konsul“ oder „Nicht mehr laufen – Quickly kaufen!“ – viele Werbesprüche von NSU sind legendär. In seinem Buch „Fahre Prinz und du bist König. Geschichten aus der NSU-Geschichte“ erzählt der ehemalige Werbeleiter von NSU, Arthur Westrup, dass NSU „das viele Geld“ in den 1950er Jahren „nicht zur Hand hatte“.

Umso kreativer gingen sein Team und er ans Werk: Neben den flotten Sprüchen ließen sich die Marketing-Experten besondere Aktionen einfallen: So erschien auf der Rückseite der BILD-Zeitung jeden Montag eine Anzeige speziell für die NSU Quickly. Dabei wurden mitunter auch aktuelle Themen aufgegriffen. Eine Werbeanzeige nach einem Länderspiel Deutschland-England lautete: „Man sieht die Spieler aus Berlin geschlagen wieder heimwärts ziehen. Und alle Stürmer seufzen matt: Wohl dem, der eine Quickly hat!“. Ein weiterer großer Wurf in der Werbung gelang dann im Jahr 1971: „Ro 80. Vorsprung durch Technik.“ stand in großen Lettern auf dem Werbeplakat für den NSU Ro 80. So entstand in der Werbeabteilung bei NSU der berühmte Audi-Markenclaim, der sich Menschen weltweit einprägen sollte: „Vorsprung durch Technik“.

NSU – im Rennsport aktiv

NSU kann auf eine lange und erfolgreiche Geschichte im Motorsport zurückblicken – vor und nach dem Zweiten Weltkrieg. An dieser Stelle eine kleine Auswahl: Mit dem 500er NSU Rennmotorrad gewann der englische Rennfahrer Tom Bullus 1930 den „Großen Preis von Deutschland für Motorräder“ auf dem Nürburgring. Nachdem Bullus mit der NSU 500 SSR zahlreiche weitere Rennen und den Großen Preis der Nationen in Monza als Gesamtsieger in Rekordzeit gewonnen hatte, war im Hinblick auf sein Motorrad von der erfolgreichsten deutschen Rennmaschine die Rede. Zwischen 1931 und 1937 wurde NSU elfmal Deutscher Meister und fünfmal Schweizer Meister. Die „Bullus“, wie Fans die NSU 500 SSR Rennmaschine nannten, gab es auch als Straßensportmaschine – allerdings weniger leistungsstark.

In den 1950er Jahren verkündete NSU wieder: „Siege am laufenden Band“. 1950 wurden sowohl Heiner Fleischmann (auf einer NSU 500 ccm Kompressor-Rennmaschine) als auch Hermann Böhm mit Karl Fuchs im Seitenwagen in einer 600 ccm Maschine ihrer Klasse Deutsche Meister. Ab der Saison 1951 waren Kompressoren im Motorradsport nicht mehr zugelassen. Die NSU-Kompressormaschinen lebten jedoch weiter: Mit im Windkanal optimierten Stromlinienverkleidungen und verlängerten Fahrgestellen wurde Wilhelm Herz 1951 und 1956 mit 290 km/h beziehungsweise 339 km/h jeweils schnellster Mann der Welt auf einem Zweirad. Aufgrund ihrer Ähnlichkeit zu Walen und Delphinen sollten die NSU-Rennmaschinen bald „Rennfox Typ Delphin“ und „Rennmax Typ Blauwal“ heißen – und sie gewannen fast alles, was damals im Motorradsport zu gewinnen war. Legendär auch die Siege von NSU bei der Tourist Trophy (TT) 1954: Das Werkteam auf der Isle of Man bildeten neben Werner Haas noch H. P. Müller, Hans Baltisberger und Rupert Hollaus. Das Rennen, das als das gefährlichste Motorradrennen der Welt gilt, beendete Hollaus in der 125er Klasse als Sieger. In der Klasse bis 250 ccm belegten Haas, Hollaus, Armstrong und Müller die Plätze 1 bis 4.

Auch auf vier Rädern fuhr NSU immer wieder Siege ein – ein paar Highlights aus mehreren Jahrzehnten: 1926 holten vier NSU-Kompressor-Rennwagen des Typs 6/60PS auf der Berliner AVUS einen Vierfach-Sieg beim „Großen Preis von Deutschland für Sportwagen“. In den 1960er und 1970er Jahren stellten dann der NSU Prinz, der NSU Wankel Spider und der NSU TT im Tourenwagensport ihr technisches Können unter Beweis, Millionen von Zuschauern an den Rennstrecken in aller Welt waren begeistert. Und ein Kleiner kam dabei immer wieder ganz groß raus: der NSU Prinz TT. Mit diesem Modell wurden insgesamt 29 nationale Meisterschaften in Europa und Nordamerika gewonnen, in Deutschland krönte sich Willi Bergmeister 1974 zum Deutschen Bergmeister.