Hieroglyphen entziffern

In den 1960er Jahren kam nach dem Schreiben mit Bleistift der Füller ins Programm. Jeder Schüler und jede Schülerin musste mit diesem Schreibgerät Texte zu Papier bringen. Und wer nicht mit der linken Hand schrieb, wurde auf Rechts umgepolt. Handschreiben ist zur Ausnahme geworden, wie luckx – das magazin recherchierte.

Digitalisierung

Natürlich gab es auch damals Lehrkräfte, die schon wussten, dass es Menschen mit unterschiedlichen Stärken gibt. So ließen sie Linkshändern weiterhin mit der Linken Hand ihre Hieroglyphen aufs Papier bringen. Denn heute weiß man, dass Linkshänder anders denken und sie Sinneseindrücke mit der gegenüberliegenden Gehirnhälfte verarbeiten. Der rechte Teil ist führend, insbesondere was Intuition, Kreativität und Wahrnehmung betrifft. Doch ob mit linker oder rechter Hand geschrieben wird: Die aufgeschriebenen Zeilen müssen lesbar sein. Doch das ist bei den heutigen Schülerinnen und Schüler als auch bei Erwachsenen nicht immer gegeben. Während früher zeilenweise das kleine „l“ schwungvoll geschrieben wurde, um die Bewegung zu erlernen, wird heute auf die Tastatur ausgewichen. Das ist sicherlich für die Bewertung des Textes und der Gedankengänge sinnvoll. Doch gerade wer mit der Hand schreibt, stärkt Konzentration, Gedächtnis und Merk-Leistung effektiv und nachhaltig.

Vielleicht sah es irgendwann mal so aus, als ob die Digitalisierung das Schreiben mit Stift und Zettel überflüssig machen würde. Inzwischen hat sich gezeigt, dass sich die wertvolle Kulturtechnik zwar verändert, aber keineswegs aus der Mode kommt. Im Gegenteil: Die Freude an edlen Schreibgeräten, Papieren, Notizbüchern und Kalendern wächst weltweit. Die Gründe dafür reichen von Lifestyletrends wie JOMO (Joy of missing out) und Digital Detoxing bis hin zu Studien in der Hirnforschung, deren Ergebnisse sich lesen wie ein Plädoyer fürs Handschreiben.

Warum Schreiben gut tut

Der Umgang mit digitalen Medien hat das Thema Handschreiben verändert – aber nicht unbedingt verschlechtert. Denn während in den „guten alten Zeiten“ das Schreiben mit der Hand eine notwendige Alltagsroutine war, sind es heute oft die besonderen Momente, an denen wir zu Stift und Papier greifen. Diese Entwicklung spüren traditionsreiche Hersteller, die mit ihren designorientierten Serien eine Generation an Digital Natives erreichen, die analoge Schreibgeräte auf neue Art wertschätzt. Einer, der sicher nicht auf Stift und Zettel verzichten möchte, ist der renommierte Gestalter Mark Braun. „Im kreativen Prozess bietet das Zeichnen viel Freiheit für die Kommunikation hier im Team. Das Schreiben wiederum ist ein unglaublich vitales Werkzeug in der konzeptionellen Phase. Meine Blöcke sind voller Notizen, Ideen und Textfragmente, die am Schluss ein rundes Ganzes ergeben“, berichtet Braun. Noch einmal anders bewertet er das Schreiben im privaten Kontext. Hier sieht er die Handschrift auch als Ausdruck der eigenen Gemütslage. „Es tut gut, Muße zu finden, sich mit Stift und Zettel hinzusetzen und die eigenen Gedanken zu sortieren.“

Während er im Alltag meist die im Studio überall parat liegenden Pigmentliner und Bleistifte nutzt, greift er zu speziellen Anlässen gerne zum Füllfederhalter, zu dem er auch beruflich einen besonderen Bezug hat. In der Designleistung, betont Braun, gehe es nur sekundär um das Äußere: „Natürlich soll mir mein Füller gefallen. Aber das Wichtigste bei diesen hochwertigen Geräten ist die Schreibperformance. Mit einem wirklich guten Füller zu schreiben, kann Glücksmomente erzeugen.“

Ein wichtiger Grund, warum Braun gerne mit der Hand schreibt, ist, dass er damit Inhalte besser strukturieren und erinnern kann, als wenn er mit digitalen Medien arbeitet. Damit stimmen seine Erfahrungen mit der aktuellen Forschung überein. Diese beweist nämlich, dass das Schreiben mit der Hand sehr viele positive „Nebeneffekte“ hat, etwa auf das konzeptionelle Denken, das Erinnern und die räumliche Auffassungsgabe. Gleich mehrere internationale Studien zeigen, dass Studierende, die Gehörtes mit Stift und Notizblock mitschreiben in Sachen Konzeptwissen besser abschneiden als diejenigen, die gehörte Inhalte in den Laptop tippen. Dabei sind zwar die Aufzeichnungen der „Tippenden“ im Wortlaut genauer, Handschreibende können sich aber die Zusammenhänge besser merken.

Handschreiben macht schlau

Woran das liegt, erklärt Dr. Henning Beck, Neurowissenschaftler und Bestsellerautor. Während beim schnellen Eingeben über die Tastatur das Gehörte meist einfach 1:1 übernommen wird, müssen wir beim langsameren Handschreiben entscheiden, was aufs Papier kommt. Daher konzentrieren wir uns schon während des Hörens auf das Wesentliche. Wir verarbeiten die Inhalte direkt und schreiben mit eigenen Worten auf, was wir verstanden haben. Kurz: Das Mittippen beschränkt sich auf den rein auditiv motorischen Prozess, das Handschriftliche schließt einen Denkprozess ein. Ähnlich positive Effekte weist auch das Schreiben mit Surface-Pen und Touchscreen auf. Allein die Schreibbewegung scheint dabei zu helfen, sich an die Inhalte erinnern zu können.

Allerdings bleibe, gibt der Wissenschaftler zu bedenken, ein Touchscreen immer eine Scheibe, der die räumliche Komponente fehle. Genau diese hilft uns aber immens beim Erinnern. Vorstrukturierte oder farbige Blöcke, Eselsohren oder Kaffeeflecke auf dem Papier: Mit Details wie diesen verknüpfen wir unbewusst die Inhalte und können uns besser an sie erinnern. Innovative Produkte dafür bietet die Branche viele

Freies Schreiben fürs Lernen

Und es gibt noch viele weitere gute Argumente fürs Handschreiben. Studien zeigen: Das Arbeiten mit Stift und Papier spricht wesentlich mehr Hirnregionen als digitale Alternativen an, fördert die Ausbildung der feinmotorischen Fähigkeiten und aktiviert das räumliche Verstehen. So lernen Kinder Buchstaben nachweislich besser, wenn sie diese frei per Hand schreiben statt geführt nachmalen oder gar nur anklicken. Schöne Stifte in ansprechenden Farben und tollen Effekten wie die Duftstifte sowie Hefte in „coolen“ Designs animieren die Kleinen zu großen Lernerfolgen und sorgen für anhaltende Freude am Malen, Zeichnen und Schreiben.

Handschreiben macht also schlau. Aber nicht nur das. Es entspannt auch in Zeiten, in denen die digitale Welt immer schneller taktet. Lifestyletrends wie JOMO, also die Freude, etwas zu verpassen, Journaling oder das Schreiben von „Not-to-Do-Listen“ sind bewusste Gegenreaktionen auf das digitale Tempo sowie Social-Media-Phänomene wie FOMO (Fear of missing out) – die Angst, etwas zu verpassen. Für das Digital Detoxing mit Stift und Papier bietet die Branche eine Fülle an attraktiven, emotionalen Produkten, die alle Sinne ansprechen: Tagebücher, Notizblöcke, Journaling- und Bullet-Point-Hefte aus haptischen Hochwert- und Naturpapieren treffen dabei auf individuelle Schreibgeräte, die dazu einladen, sich mit Ruhe zu strukturieren und kreativ zu entfalten.

Handschreiben ist persönlich

In eine ähnlich Richtung geht der Trend des Handgeschriebenen als Wertschätzung sich selbst und anderen gegenüber. Geboren aus dem Überdruss an schnelllebiger digitaler Kommunikation, wächst die Freude an dem, was bleibt. In diesem Kontext stehen Hobbies wie die Kalligrafie aber auch das Führen des persönlichen Tagebuchs oder das Briefeschreiben, für das der eine besondere Stift reserviert ist.