In wenigen Tagen trifft Landwirtschaft auf Verbraucher. Die Grüne Woche in Berlin vom 17. bis 26. Januar 2020 wird wieder eine Leistungsschau der Landwirtschaft sein. Doch nicht nur Bauern werden die Messe erobern. Auch die Lebensmittelindustrie sowie viele weitere Anbieter werden ihre Produkte präsentieren. Darüber hinaus gibt es viel zu probieren und zu erleben.
Krisenbewältigung
Doch damit ist es nicht getan. Proteste aus der Klimabewegung, Proteste der Landwirte, Proteste der Verbraucher: die Landwirtschaft hat sich selbst in die Krise manövriert. Überdüngung, Zerstörung der Landschaft, abkassieren von Subventionen ist in den Köpfen der Verbraucher fest eingebrannt. Da ist es nicht verwunderlich, dass auch sie einen Teil der Brüsseler Finanzmittel auf den Teller haben möchten. Sowohl der Bauernverband als auch die Lebensmittelindustrie bieten den Verbrauchern wenig bis keine Angebote um gemeinsam aus der Krise zu kommen. Wenn sich die Bauern über zu geringe Milchpreise beklagen, dann liegt es an ihnen, alternativen zu bieten.
So stellte der Bio-Dachverband Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) die Frage, wie eine Zeitenwende hin zu enkeltauglicher Landwirtschaft und Ernährung gelingt – mit Blick auf Arten- und Klimakrise, Bauern- und Bürgerproteste.
„Eine Zeitenwende braucht aktive Regierungspolitik“, sagt BÖLW-Vorsitzender Felix Prinz zu Löwenstein. „Während sich die Gesellschaft wieder stärker politisiert, passiert in der Großen Koalition das Gegenteil. Zwar erkennt die Bundesregierung Klimakrise oder Artensterben an und benennt auch die richtigen Themen in der Landwirtschaft und Ernährung. Doch wo ist der Plan für den Umbau der EU-Agrarpolitik, so dass die Steuer-Milliarden künftig für Umwelt- und Klima- und Tierschutz investiert werden? Warum fehlen im Klimaschutzgesetz die wirksamsten Maßnahmen für Landwirtschaft und Ernährung? Warum konzentriert sich die Düngeverordnung auch nach 27 Jahren nicht auf die Verursacher der Wasserverschmutzung?“, fragt Löwenstein und ergänzt: „Anstatt wirksame Regeln und einen straffen sowie verbindlichen Zeitplan für den nachhaltigen Umbau aufzustellen, laviert die Bundesregierung herum und schiebt ihre Verantwortung ab.“
Alexander Gerber, BÖLW-Vorstand für Landwirtschaft, kommentiert die aktuelle Zuspitzung im Sektor: „Einerseits verschärfen die Krisen bei Klima, Biodiversität, Wasser und Bodenfruchtbarkeit sich dramatisch und bedrohen auch die Landwirtschaft und ihre Grundlagen. Andererseits sind Bio-Bauern und auch viele konventionelle Kollegen bereits auf dem Weg zu einer enkeltauglichen Landwirtschaft.
Umbau der Landwirtschaft
So sieht es der BÖLW als wichtig an, dass die Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und ihre Kollegen in Bund, Ländern und der EU den Umbau der gesamten Landwirtschaft ohne weiteren Verzug angehen.
Ein Schlüssel zur erfolgreichen Transformation sei die EU-Agrarpolitik (GAP), so der Landwirtschaftsvorstand und gibt zu bedenken. „Die GAP bestimmt mit vielen Milliarden Euro, welche Landwirtschaft sich lohnt. Statt 70 % Pauschalzahlungen nach Fläche müssen wir jetzt dringend 70 % der gesamten EU-Fördermittel investieren, damit die Bäuerinnen und Bauern für ihre Umwelt-, Klima- und Tierschutz-Leistungen honoriert werden können. Denn nur so können sich die Betriebe mehr Leistungen leisten. Und nur so erfährt die GAP Anerkennung durch die Bürgerinnen und Bürger.“
Nach Ansicht des BÖLW sollte bei Investitionen sich auf die richtigen Zielgruppen fokussiert werden. Kleine und mittlere, dezentral aufgestellte Unternehmen sind ökologische, ökonomische und auch soziale Impulsgeber für ihre Regionen. Viele Förderprogramme seien aber auf große Industrieunternehmen zugeschnitten. Ökologisches Engagement wird viel zu wenig in der Wirtschaftsförderung unterstützt. Es ist genau wie in der Landwirtschaft: Mit dem Großteil der Mittel werden Maßnahmen mit ökologisch nachteiliger oder zumindest nicht vorteilhafter Wirkung gefördert und dann soll mit viel zu kleinen ‚Umwelt-Programmen‘ der angerichtete Schaden repariert werden. Das kann nicht funktionieren!“