Um bestimmte notwendige menschliche Eigenschaften zu entwickeln, benötigt es praktische Übungen. Das bekannteste Beispiel ist Laufen lernen. Ohne entsprechende Übungen bleiben wir sitzen, meint luckx – das magazin.
Schreibenlernen
Also üben wir auch Radfahren, üben wir Klettern, üben wir Schwimmen und ebenso das Schreiben. Das sind alles motorische Anforderungen, die wir nicht nur an unsere Beine, Arme, Füße und Finger stellen. Auch unser Gehirn wird dabei belastet und weiter entwickelt. Je mehr, je kleinteiliger, desto größer sind die Anforderungen. Insbesondere gilt das für das Schreiben. Durch das Schreibenlernen werden erst bestimmte Regionen im Gehirn entwickelt. Ohne diese Entwicklung können wir später bestimmte Dinge gar nicht oder nur sehr schwer bewältigen. So ist die Handschrift ein Schlüssel zum Lernerfolg – auch im digitalen Zeitalter. Doch immer mehr Kinder kämpfen mit Schwierigkeiten beim Schreibenlernen. Umso wichtiger, sie schon im Kindergartenalter dabei zu unterstützen, ihre Handschreibkompetenz auszubilden.
Studien belegen: Das Schreiben mit der Hand spielt eine zentrale Rolle für die kognitive Entwicklung und den späteren Lernerfolg. Handschreiben bietet Vorteile, die digitale Tools und Methoden noch nicht ersetzen können. Hoch alarmierende Zahlen zeigen jedoch, dass viele Kinder bereits beim Schuleintritt Probleme mit der Handschrift haben. Jedes dritte Mädchen und jeder zweite Junge kämpft mit einer unleserlichen Schrift oder einer verkrampften Stifthaltung. Auch das Schreibtempo hat nachgelassen. Die Covid-Pandemie hat diese Entwicklung verstärkt: 79 Prozent der Lehrkräfte berichten von verschlechterten Kompetenzen bei Schulanfängern, so das Ergebnis der STEP-Studie 2022 („Studie über die Entwicklung, Probleme und Interventionen zum Thema Handschreiben”), die das Schreibmotorik Institut gemeinsam mit dem Verband Bildung und Erziehung (VBE) durchgeführt hat.
Handschrift
„Probleme mit dem Handschreiben beginnen bereits im Kindergartenalter und verflüchtigen sich leider meistens nicht einfach von selbst, sondern bleiben über die Schulzeit hinweg bis ins Berufsleben bestehen, wenn keine gezielte Förderung stattfindet“, erklärt PD Dr. Tal Hoffmann, Leiterin des Schreibmotorik Instituts. Dies werde immer wichtiger, da viele Kinder zuhause nicht die nötige Unterstützung erfahren – sei es, weil diese ebenfalls nur wenig selbst mit der Hand schreiben oder aus Kulturen mit anderen Schriftsprachen zugewandert sind. Eine gut ausgebildete Schreibmotorik bildet die Grundvoraussetzung für das Schreibenlernen. Sie entwickelt sich bereits ab einem Alter von drei Jahren, wenn Kinder das erste Mal zu Stiften greifen und mit dem Kritzeln beginnen. „Was zunächst einmal wie wildes Krickelkrakel aussieht, ist der Startpunkt für die Entwicklung einer individuellen Handschrift“, so Hoffmann. „Bis etwa zum 15. Lebensjahr dauert dieser Prozess und benötigt eine gezielte Förderung vom Kindergarten bis über die Grundschule hinaus. Deswegen hat das Schreibmotorik Institut bereits 2016 die Initiative ‘Kritzelpate‘ ins Leben gerufen. Damit möchten wir Kindern die Chance geben, frühzeitig eine ermüdungsfreie, schnelle und lesbare Handschrift zu entwickeln“, so die Expertin für Physiologie und Pathophysiologie weiter.
Kritzelpate
Das Projekt Kritzelpate ist bereits seit acht Jahren in mehreren Regionen deutschlandweit aktiv. Sowohl Ehrenamtliche als auch Angestellte, die im Rahmen von Corporate Social Responsibility-Formaten dafür vom Arbeitgeber freigestellt werden, engagieren sich. Der große Vorteil des Konzepts: Die Materialien sind so aufbereitet, dass Laien sie ohne Vorkenntnisse gemeinsam mit einer pädagogischen Fachkraft in der Kita einsetzen können. In vier Fördereinheiten von 60 bis 90 Minuten werden die Kinder nachhaltig beim Erwerb der Handschrift unterstützt. Ziel ist es, mit kreativen Übungen und Materialien die Freude am Kritzeln und die motorischen Grundlagen fürs Schreiben zu fördern.
Aber auch später im Leben gibt es spezifische Bedürfnisse und Herausforderungen, die jeweils eine besondere Herangehensweise erfordern. Diese Entwicklungsphasen untersuchen die Wissenschaftler am Schreibmotorik Institut.
Ein aktuelles Forschungsprojekt des Instituts untersucht beispielsweise den Mehrwert analoger, digitaler oder hybrider Lernmittel in der Grundschule. Auch Fortbildungen für Lehrkräfte aus dem Primar- und Sekundarbereich, Erzieherinnen sowie Therapeutinnen gehören zum Angebot des Schreibmotorik Instituts. Darin vermitteln die Experten des Instituts fundiertes Wissen für die Praxis rund um das Handschreiben und die Schreibmotorik auf Basis aktueller Forschungsergebnisse – von grundlegenden (neurowissenschaftlichen) Informationen über den motorischen Schreibprozess bis hin zu vertiefenden Inhalten wie beispielsweise gezielte Beobachtungen zu einzelnen Schreib-Vorläuferfertigkeiten und Möglichkeiten der Prävention beziehungsweise Intervention bei bereits bestehenden Schreibproblemen.