Seit einigen Wochen sind unsere Mitmenschen mehr aus Angst und Panik als aus Notwendigkeit dabei und hamstern Toilettenpapier in ihren Wohnungen und Kellerräumen. Ob sie es tatsächlich brauchen? Wir von luckx – das magazin sind der Meinung – so jedenfalls das Ergebnis in unserer letzten Telefon-Redaktionskonferenz – bestimmt nicht. Weiter haben wir recherchiert, dass Hamster auch kein Toilettenpapier mögen. Doch wo kommt denn nun der wertvolle Menschen-Hamster-Gegenstand her?
Kahlschlag in Wäldern
Damit wir genug von dem anscheinend goldwerten Papier im Rollenhalter haben, erfolgt in den Urwäldern Russlands, Kanadas und Skandinaviens ein Kahlschlag. Zu diesem Ergebnis kommt eine gemeinsame Studie der Naturschutzorganisation WWF Deutschland und der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde. Sie waren eindringlich vor den Folgen. Dort wird fast ausnahmslos das Kahlschlagverfahren praktiziert. Das sei, so die Kritik, ein „schleichendes Gift“ für den Zustand dieser Ökosystems. Zugleich liegt hierzulande der Pro-Kopf-Verbrauch an Papier mit etwa 250 Kilogramm auf einem Spitzenplatz. Weltweit verbrauchen nur Belgier und Luxemburger mehr. Mit fast 3,5 Millionen Tonnen importierten Zellstoffs kommen über die Hälfte unseres Bedarfs aus den borealen Wäldern der Nordhalbkugel.
„Kahlschläge in borealen Wäldern sind leider legale und weithin übliche Praxis. Auch für Taschentücher oder Toilettenpapier werden die Urwälder platt gemacht“, kritisiert Dr. Susanne Winter, Programmleiterin Wald beim WWF Deutschland. Die Studie untersuchte ein 3000 km² großes Gebiet. Das Ergebnis: Die Kahlschläge haben sogar Auswirkungen auf die umliegenden Areale, indem der Baumbestand auch in der näheren Umgebung der Kahlschläge abnimmt. Dadurch wiederum sind weitere wichtige Ökosystemfunktionen betroffen. Das gesamte Ökosystem wird destabilisiert. Es wird weniger Kohlenstoff gespeichert, was in Zeiten der Klimakrise ein entscheidender Faktor ist. WWF-Waldexpertin Winter fordert daher, die letzten intakten Waldlandschaften in Russland unter strengen Schutz zu stellen. Verbraucher ruft sie dazu auf, den persönlichen Papierkonsum deutlich zu reduzieren und bei Einmal-Produkten aus Zellstoff, wie etwa Servietten oder Kosmetiktücher, auf Recyclingprodukte umzusteigen.
Verantwortungsvolle Forstwirtschaft
Besonders kritisch beurteilen die Autoren der Studie die Kahlschlag-Praxis unter dem nationalen Standard des FSC-Siegels für verantwortungsvollere Forstwirtschaft in Russland. Ein Ziel des russischen FSC-Standards ist es, die Kahlschlagsflächen zu verringern, mehr Bäume stehen zu lassen und die Belastungen des Bodens durch das Befahren mit schwerem Gerät zu verhindern. Die Untersuchung zeigt, dass FSC keinerlei Veränderung bei der Kahlschlagswirtschaft bewirkte und sich die negativen Effekte im Ökosystem weiter ausbreiten werden.
Während in Deutschland FSC-Zertifizierungen Kahlschläge grundsätzlich nicht tolerieren, ist es in Russland oder Skandinavien gängig möglich, Holz aus Kahlschlägen als nachhaltige Alternative mit dem offiziellen Stempel des FSC zu vertreiben. „FSC-zertifizierte Waren bleiben neben Recycling-Produkten unsere Verbraucherempfehlung, da das Siegel auch in anderen Ländern immer noch weiter geht, als die gesetzlichen Mindestvorgaben. Trotzdem haben wir mit der gängigen Praxis erhebliche Bauchschmerzen“, fasst Winter zusammen.
Nachhaltige Holzwirtschaft
In Deutschland, dem Ursprung der nachhaltigen Holzwirtschaft, wird dagegen eine völlig andere Methode angewandt. Es wird nur soviel Holz dem Wald entnommen wie nachwächst. Dabei werden einzelne Bäume aus dem Bestand entnommen. So können andere Bäume weiter wachsen. Der Vorteil ist, dass keine Bodenerosion stattfinden kann. Denn die anderen Bäume halten den Wald mit ihren Wurzeln sozusagen „zusammen“. Aktuell verfügt der Deutsche Wald über soviel Holz wie nie zuvor.
Doch auch bei uns gab es Kahlschläge – vor mehreren hundert Jahren. Ursache war die Industrialisation. Unter anderem wurde in den Bergwerken immer mehr Holz zum Abstützen der Stollen benötigt, was dann zu Kahlschlägen in den Wäldern führte.