Selbst ist der Mann und die Frau. Was uns in vielen kleinen Dingen im Haushalt gelingt, kann doch auch in anderen Bereich möglich sein. So werden selbst Möbel entworfen und gebaut, Gartenhäuser und Outdoor-Pools aufgestellt, Zimmer tapeziert und gestrichen und wenn wir gesundheitlich angeschlagen sind, so verordnen wir uns selbst Medikamente. Da kann es doch auch möglich sein, sein eigenes Beatmungsgerät zu konstruieren und zu bauen. Gerade in der aktuellen Situation der Corona-Pandemie sind solche Fertigkeiten Goldwert.
Prototypen
Nun haben Forscher der Hochschule Kaiserslautern zwei Prototypen für ein kostengünstiges Beatmungsgerät entwickelt. Das Ziel: Jede und jeder mit etwas handwerklichem Geschick soll es im Falle einer Unterversorgung von Beatmungsgeräten mit leicht zu beschaffenden Bauteilen nach Anleitung selbst zusammenbauen können. Jetzt wird das Projekt auch die Lehre bereichern. Studierende sollen beispielsweise daran arbeiten, die ohnehin schon geringen Kosten weiter zu senken und die Sicherheit weiter zu erhöhen.
In der Zeit des Lockdowns wollte Prof. Oliver Maier vom Fachbereich Angewandte Ingenieurwissenschaften der Hochschule Kaiserslautern ein aktuelles Entwicklungsprojekt aufsetzen. Da in den Nachrichten immer wieder zu hören war, dass Intensivbetten mit der Möglichkeit zur künstlichen Beatmung nicht nur in Deutschland, sondern weltweit knapp werden können, beschloss er, mit möglichst einfachen Mitteln ein Beatmungsgerät zu entwickeln, mit dem man bei Engpässen einen gewissen Zeitraum überbrücken kann, bis ein vollwertiger Beatmungsplatz wieder zur Verfügung steht. Damit es auch in ärmeren Ländern von Nutzen sein kann, sollte es so kostengünstig wie möglich und ohne großen Aufwand herzustellen sein.
Aus dem Bastelkeller
Viele der benötigten Bauteile fand er in seinem Keller: Elektromagnetische Ventile, Gartenschlauch, Rohrstücke, Low-Budget-Controller und manches mehr. Bevor er aber loslegte, suchte er den Kontakt zu Kollegen aus anderen Disziplinen und zu Ärzten aus dem Westpfalzklinikum in Kaiserslautern und der Uniklinik Homburg, wo seine Idee offene Ohren fand. Ein „Konsortium“ aus Medizinern und Ingenieuren wurde gebildet, um die notwendigen Anforderungen festzulegen. Zur Einschätzung des Potentials der verschiedenen Konzeptvarianten wurde ein dynamisches Simulationsmodell mit der Software Matlab/Simulink aufgestellt, das es auch ermöglicht, die Auswirkung der Änderung einzelner Parameter zu analysieren.
Nach dem Vorstellen des Projekts beim Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE in Kaiserslautern wurde ein von der Fraunhofer-Gesellschaft finanziertes Projekt zur Risikobewertung des Aufbaus des Beatmungsgeräts aufgesetzt, das noch bis Ende 2020 läuft. Die Verwendung von Beständen aus dem eigenen Haushalt und Sachspenden wie eine Testlunge und ein Hochdruckgebläse erlaubten dem Professor für Systemsimulation und modellbasierte Entwicklung noch während des frühen Lockdown den ersten funktionsfähigen Prototyp zu bauen.
Basierend auf den daraus gewonnenen Erkenntnissen wurde mit Unterstützung seiner Kollegen Prof. Lutz Gäng und Prof. Karl-Herbert Schäfer vom Fachbereich Informatik und Mikrosystemtechnik ein zweiter, wesentlich kompakterer Prototyp gebaut. Hier wurde beispielsweise das industrielle Hochdruckgebläse ersetzt: „Eine einfache elektrische Pumpe, wie man sie im Discounter für 5,99 Euro zum Aufpumpen von Luftmatratzen erhält, tut es genauso, wie wir beim Bau festgestellt haben“, verrät Maier. Wurde der erste Prototyp noch auf einer Schranktür als Basis gebaut, hat der zweite nur noch die Größe eines kleinen Schuhkartons. Und Maier sieht noch mehr Potential zur Optimierung.
Aber das sollen jetzt seine Studierenden übernehmen. Beispielsweise die Suche nach kostengünstigeren Komponenten und Lösungsansätzen. Ein weiterer Aspekt muss die Implementierung des von Fraunhofer ausgearbeiteten Sicherheitskonzepts sein, was auch eine Schnittstelle zur Überwachung des Geräts beinhalten soll. „An einem realen Projekt mit aktuellem Bezug zu arbeiten, macht den Studierenden natürlich wesentlich mehr Spaß, als nur in den Vorlesungen zu sitzen“, weiß der Professor, „und es bleibt natürlich auch mehr hängen, insbesondere, wenn man das Gefühl haben kann, mit seiner Arbeit etwas Gutes zu tun“.