Second-Hand

Der Modefachhandel zeichnete sich früher durch eine Frühjahr/Sommer- und eine Herbst/Winter-Kollektion aus. Doch das war den Großformen des Handels nicht genug. Schon seit vielen Jahren landen deshalb alle vier Wochen neue Kollektionen in den Outlets. So wurde 130% des eigentlichen Bedarfs produziert und an die Stange gehängt oder ins Regal gelegt. Was nicht verkauft wurde, ging in die Tonne. Für gebrauchte Bekleidung war da kein Platz. So landet bisher bei uns in Deutschland gebrauchte Bekleidung in der Altkleidersammlung. Von dort geht sie meist den Weg über Rohstoff-Händler in Länder, wo gebrauchte Bekleidung üblicherweise getragen wird. Nun soll sich dann doch der Nachhaltigkeitsgedanken allmählich in der Bevölkerung eingeschlichen haben. Aber so richtig kommt das wohl noch nicht in Schwung. Aufgrund der Coronakrise könnte sich in vielen Haushalte der Spargedanke breitmachen. Ein großes Hindernis für eine stärkere Nachfrage bleibt einfach, dass neue Bekleidung so billig ist. Das lässt unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern weiterhin zu den Billigangeboten greifen. Aktuell haben viele aber auch Bedenken, ob mit gebrauchter Bekleidung keine Viren übertragen werden. Letzteres lässt sich wohl ausschließen.

Trend: Gebrauchte Bekleidung?

Doch ein – wenn auch kleiner – Second-Hand-Trend wurde durch die Krise ausgelöst, der sich von eBay-Kleinanzeigen über rasch wachsende „Buy Nothing“-Facebook-Gruppen bis hin zu spezialisierten Plattformen und Smartphone-Apps erstreckt. Ob die Modebranche darauf reagiert, ist noch nicht so richtig zu bewerten. Denn das Potential ist eher noch gering.

Aber, so ergaben YouGov Befragungen, sollen rund 14 Prozent der Verbraucher mindestens einmal im Monat Second-Hand-Kleidung kaufen. Rund 13 Prozent machen davon alle zwei bis drei Monate Gebrauch. Aus einer Hochrechnung soll sich daraus eine Zielgruppe von etwa 20 Millionen Deutschen ergeben, die sich dem Zweitmarkt zuwenden. Wenn dem so wäre, so müssten in den Wochen nach dem Lockdown die Second-Hand-Läden wie Pilze nach einem warmen Regen aus den Boden schießen. Denn dann wäre ein Viertel der bundesrepublikanischen Bevölkerung willig sich mit gebrauchter Ware zu versorgen.

Online-Handel

Doch ob Second-Hand im stationären Handel zu einem Boom führen wird, wird sich zeigen. Jedenfalls sind aktuell die wichtigsten Plattformen für dies eWare eBay und eBay Kleinanzeigen. Mehr als die Hälfte der Menschen, die Second Hand bevorzugen, hat in den vergangenen zwölf Monaten dort etwas Gebrauchtes gekauft. Wer aber genauer hinschaut wird erkennen, dass die meisten Waren bei unkommerziellen Lösungen wie Flohmärkten und Garagenverkäufen oder dem Weiterreichen unter Freunden und in der Familie stattfinden. Wohltätige Gebrauchtwarenläden wie Oxfam haben nur elf Prozent der Second-Hand-Fans genutzt.

Eib weiterer Anbieter ist Sellpy. Seit Sommer letztem Jahres sind die Schweden auch in Deutschland unterwegs. Eine Besonderheit dieser Plattform ist die weitere Verwendung der getragenen Kleider. Was nach vier Wochen nicht verkauft ist, wird gespendet, recycelt oder an den ursprünglichen Besitzer zurückgeschickt. Nun steht hinter Sellpy kein Unbekannter der Modebranche. Zu 70 Prozent ist die Modekette H&M daran beteiligt.

Dass die großen Modeketten unter dem Lockdown leiden, bleibt nicht verborgen. H&M, C&A oder Deichmann und auch Esprit, New Yorker und Primark verloren signifikant an Kaufinteresse. H&M musste in der Gruppe der Second-Hand-Verbraucher erheblich mehr Verluste einstecken.

Weitere Online-Händler wie Zalando und die Otto-Tochter About You bieten Second-Hand-Ware in ihren Online-Shop an. „Pre-Owned“ heißt die Kategorie bei Zalando, „Second Love“ nennt sie About You. Über 300.000 Artikel sollen dort verfügbar sein.

Modehändler ergänzen ihr Sortiment

Die letzten beiden, Zalando und About You, konnten unter den Modehändlern in den vergangenen zwölf Monaten signifikant an Kaufinteresse zulegen. Doch hier zeigt sich wohl das der Pandemie geschuldete Einkaufsverhalten durch ein Mehr an Online-Handel. Ob nun das Second-Hand-Angebot von Modehändlern auch das Potenzial für neue Kundengruppen hat, diese dann auch in die eigenen Shop zu ziehen, wird sich zeigen. Dann trennt sich die Spreu vom Weizen: Wer nachhaltig unterwegs ist, wird nicht auf die Billig-Produkte der großen Modeanbieter zugreifen. Oder doch?