Das Gesicht eines Autos ist der Kühlergrill. Über Jahrzehnte wird daran gefeilt damit die Wiedererkennung der Marke erhalten bleibt. Doch mit der Elektromobilität wird alles anders, wie luckx – das magazin recherchierte.
Kühlergrill als markenprägendes Stilelement
Das Jahr 1900 markierte einen Durchbruch in der beginnenden Automobilität: Wilhelm Maybach realisierte im Mercedes 35 PS zum ersten Mal seine Erfindung des „Bienenwabenkühlers“. Die patentierte Konstruktion löste endgültig das Kühlungsproblem des Verbrennungsmotors und ermöglichte den Bau von leistungsstärkeren und zuverlässigeren Fahrzeugen. Der Kühler stand mittig in der Wagenfront und prägte von da an das Erscheinungsbild der Marke. Eine neue Ära hatte begonnen. Zahlreiche Wettbewerber folgten diesem Vorbild – eine Frontansicht mit hoch aufragendem Kühler war bis in die 1930er Jahre weltweit gebräuchlich. Jetzt, mehr als 120 Jahre später, ist es wieder so weit: Die batterie-elektrischen Mercedes-EQ Fahrzeuge zeigen ein neues eigenständiges Gesicht der Marke mit dem Stern – mit tiefschwarzem Kühlergrill (Black Panel), der sich nahtlos mit den Scheinwerfern verbindet und gleichzeitig als Technologie-Träger fungiert.
„Der tiefgreifende technologische Wandel hin zu Elektromobilität und autonomem Fahren eröffnet uns vollkommen neue Möglichkeiten im Exterieur-Design. Der klassische Kühlergrill verliert seine originäre Funktion und wird zum avantgardistischen Design- und Technologieträger. Mit dem Black-Panel-Grill unserer EQ-Modelle setzen wir in dieser Hinsicht einen Meilenstein und zeigen, wie Mercedes-Benz das Design seiner Kühlergrills in die vollelektrische Zukunft überführt“, so Robert Lesnik, Leiter Design Exterieur Mercedes-Benz AG.
Röhrchen brachten das Automobil in Fahrt
In der Frühzeit des Automobils gehörte die Kühlung des Motors zu den größten Herausforderungen. Es fehlte ein effizienter Kühler, der einen geschlossenen Kühlkreislauf ermöglichte. Eine erste Lösung war der 1897 von Maybach erdachte Röhrchenkühler. Er bestand aus einem flachen Wasserkasten, der von offenen Röhren durchzogen wurde. Diese wurden vom Fahrtwind durchströmt. Ein auf die Motorwelle gekuppelter Ventilator sorgte für eine funktionierende Kühlung auch im Leerlauf. Erst der Röhrchenkühler machte die Konstruktion stärkerer Motoren möglich.
Der endgültige Durchbruch gelang im Jahr 1900 mit dem „Bienenwabenkühler“ im Mercedes 35 PS. Er bestand aus mehr als 8.000 Röhrchen mit quadratischem Querschnitt und rund sechs Millimeter Seitenlänge. Die quadratischen Röhrchen ermöglichten aufgrund der größeren Stirnfläche und des erhöhten Luftdurchsatzes eine deutlich höhere Kühlleistung. Sie waren zu einem neuartigen, rechteckigen Kühler mit integriertem Vorratsbehälter zusammengelötet. Ein Ventilator hinter dem Kühler verbesserte die Temperaturregulation bei langsamer Fahrt. Der 35-PS-Motor des ersten Mercedes benötigte nur noch neun Liter Wasser, statt zuvor 18 Liter. Ein Jahr und zahlreiche Verbesserungen später waren es sogar nur noch sieben Liter.
Mercedes Kühlergrill setzte Maßstab im Design und Funktion
Das Design des Mercedes 35 PS mit seinem stark senkrecht im Fahrtwind stehenden Kühlergrill überzeugte die Automobilwelt. Fast alle Serienautomobile zeigten bis Mitte der 1930er Jahre ein ähnliches Kühlergesicht – mit leichten Abwandlungen hin zu einem flachen Kühler oder einem Spitzkühler. Der Kühlergrill mit dem markanten Knick in der Mitte entstand 1911 und ermöglichte eine etwas größere Kühlfläche, war aber aufwändiger in der Fertigung. Deshalb kam er meist nur für Fahrzeuge mit starken Motoren zum Einsatz.
In den ersten 40 Jahren der Automobilgeschichte hatte der Kühler eine rein praktische Funktion. Als ein prägendes Alleinstellungsmerkmal einer Marke betrachteten ihn die Automobilhersteller zunächst noch nicht. Individuelles Design lag meist in den kreativen Händen der Karosserie-Couturiers, die auch bei der Kühlerform gern experimentierten – von opulenten Rundungen bis zur Stromlinie, die von der Luftfahrt inspiriert wurde.
Die Wende brachte im Jahr 1931 der Mercedes-Benz 170 (Typ W 15). Erstmals war der Kühler geschützt hinter einem Grill montiert. Das neue Bauteil war Teil der Motorhaube und sorgfältig gestaltet. Die elegant abgerundete, rechteckige Form war dem Kühler nachempfunden. Gleichzeitig wurde sie von einem breiten Chromrahmen veredelt, der eine hohe Wertigkeit und zeitlosen Glanz versprach. Der Mercedes Stern fand gleich zweimal seinen Platz auf der Kühlerverkleidung: als Plakette und als stolze Kühlerfigur. Das feine Wabenmuster erfüllte nicht nur ästhetische, sondern auch funktionale Aufgaben. Es hielt Schmutz und Steinschlag vom eigentlichen Kühler fern. Denn in die Kühlrippen einschlagende Steine konnten zu Beschädigung führen und verschmutzte Kühlerlamellen hatten eine geringere Kühlwirkung als saubere. Der Motor konnte überhitzen.
Der Kühlergrill des Mercedes-Benz 170 V behielt 1937 zwar die hohe, schlanke Grundform grundsätzlich bei. Er war aber leicht nach hinten geneigt und lief unten schmaler zu. Das machte die Dynamik der neuen Limousine optisch deutlich sichtbarer. Die leichte Spitzkühlerausprägung verstärkte diesen Effekt auf subtile Weise. Liebe zum Detail bewiesen auch das feine Gittermuster und die verchromten Querstreben, welche die Oberfläche grafisch präzise gliederten. Wird fortgesetzt.