Wenn wir der Statistik des Verbandes der Deutschen Wohnungswirtschaft (GdW) vertrauen, fehlen in Deutschland 700.000 Wohnungen. Um diese Lücke zu decken plant die Bundesregierung einen jährlichen Neubaubedarf von 400.000 Wohnungen. Doch die Realität sind anders aus, wie luckx – das magazin recherchierte.
Regelungswut
Große Wohnungswirtschaftsunternehmen beklagen schon seit Jahren die unterschiedlichen Bauordnungen in den einzelnen Bundesländern. Das fängt beim Balkon-Geländer an und hört bei der Bodenplatte nicht auf. Doch damit nicht genug. Aufgrund bürokratischer Anforderungen erhöhen sich die Anforderungen auch an die privaten Bauherren, so dass erhebliche Kosten und Verzögerungen die Konsequenzen sind. Aktuell, wie schon mehrfach berichtet, behindern steigende Hypothekenzinsen, überhöhte Baustoffpreise und zusammengebrochene Lieferketten die Lust am bauen. Wer dann doch den Bagger bestellen möchte, kann nur hoffen, dass die Finanzierungsauflagen durch irgend eine europäische BASEL Verordnung die Hausbank nicht an der Finanzierung eines guten Kunden hindert.
Doch es kommt noch härter. Wer nun sich für ein Mikrohaus entschieden hat, muss sich mit den gleichen, großen Anforderungen auseinandersetzen. So zum Beispiel auch beim Gebäude Energiegesetz. Dort findet sich in §104 eine Größenangabe von 50qm und eine Ausnahmeregelung für die Energieeffizienz. Wer nun meint, beim Tiny House die strengen Regelungen der Gebäude Energie-Gesetzes umgehen zu können, muss sich eines besseren belehren lassen. Dort gibt es weder eine (legale) Möglichkeit noch gibt es eine „Regelungslücke“ für Wohngebäude, wie eine Bewertung des Gesetzes durch einen staatlichen Energieberaters im Auftrag des Bundesverbandes Mikrohaus gezeigt hat.
Anforderungen an Mikro-Häuser
Häufig können in diesem Zusammenhang Teile des Gebäude Energie Gesetzes (GEG) vermischt werden, die für Bestandsgebäude oder Wohnneubauten gelten. Zu zweiten Gruppe zählen ja alle aktuell produzierten Mikrohäuser. Der § 48 GEG „Anforderungen an ein bestehendes Gebäude bei Änderung“ ist eindeutig auf bereits errichte Gebäude bezogen, ebenso die Anlage 7: „Höchstwerte der Wärmedurchgangskoeffizienten von Außenbauteilen bei Änderung an bestehenden Gebäuden“. Für Neunbauten, wie Mikrohäusern und anderen ortsveränderlichen (Wohn-)Gebäuden, gilt dieses nicht!
In § 104 GEG wird auf § 48 „Anforderungen an ein bestehendes Gebäude bei Änderung“ Bezug genommen. In Satz zwei wird die Nutzungsdauer auf höchstens fünf Jahren festgesetzt und begrenzt die Größe der Raumzellen bis zu 50 qm Nutzfläche und bezieht sich nicht auf Wohngebäude (ggf. können temporäre Unterkünfte für Saisonarbeiter darunter subsummiert werden).
Bei jedem Bauvorhaben für Wohngebäude und regelmäßig genutzte Ferienhäuser (mehr als drei Monate pro Jahr) muss im Zuge des Bauantragsverfahrens ein individueller Wärmeschutznachweis vorgelegt werden. Dieser ist auf das jeweilige Grundstück und die Position des Hauses ausgelegt. Beispielsweise haben die Ausrichtung des Gebäudes zur Sonneneinstrahlung oder die Menge und Art der Fenster unmittelbare Auswirkungen auf die zu errechnenden Wärmegewinne und -verluste.
Der § 79 GEG befasst sich mit dem Energieausweis. Entsprechend ist er auch überschrieben mit „Grundsätze des Energieausweises“. Der Energieausweise selbst ist wenig aussagefähig, auch wenn jeder Hausbesitzer ihm beim Verkauf eines Hauses nachweisen muss.
Nachweise erforderlich
Im Gegensatz dazu ist für die Genehmigung eines Neubaus ein umfangreicher Wärmeschutznachweis erforderlich, der eine ganz andere Qualität und Nachweistiefe hat. Diese Dokumentation kann schnell 30 Seiten umfassen. Zum Vergleich dazu hat der Energieausweis gerade einmal vier Seiten (inkl. der 2-seitigen Rechtsbelehrungen). Daher ist für ein Baugenehmigungsverfahren ein „Energieausweis“ nicht ausreichend.
Dem Bundesverband Mikrohaus ist es immerhin gelungen, bei der Novellierung zu erreichen, dass keine Festlegung bei der Gebäudehülle erfolgte.
Der Maßstab für Neubauten ist jetzt mit „Primärenergie-EH55“ festgelegt. Wäre die Bedingung „EH55“ eingeführt worden, hätten neben dem heutigen Primärenergiebedarf und der CO2-Emission auch noch die Gebäudehülle – siehe „Außenbauteile“ – berechnet werden müssen. Der Bundesverband hat den Gesetzgeber überzeugen können, dass das diese verdoppelte Prüfung keinen zusätzlichen Nutzen gebracht hätte: wenn die Anforderung an den Primärenergiebedarf erfüllt ist, muss nicht zusätzlich noch die Hülle berechnet werden. Es ist also gleichgültig, ob dieser aus zwei Metern Dämmwolle oder aus dünnerem Material besteht.
Daher warnt der Bundesverband Mikrohaus aber vor Umgehungsversuchen der gesetzlichen Regelungen und der Suche nach „Gesetzeslücken“. Wenn bereits keine gesetzliche Baugenehmigung mit dem umfangreichen Wärmeschutznachweis erwirkt wurde, kann der Besitzer bei einer späteren Verlegung des ortsveränderlichen Mikrohauses auch nicht auf den Status als „Bestandsimmobilie“ setzen. Dieses Thema versucht der Bundesverband gerade in die Landesbauordnungen aufnehmen zu lassen. Schon bei der aktuellen Verschärfung des Baurechts zum 01.01.2023 läuft der Besitzer Gefahr, auf dem (neuen) Grundstück keine Baugenehmigung mehr erteilt zu bekommt. Die Konsequenz ist, dass das ortsveränderliche Gebäude nicht umgesetzt werden kann. Um eine längere, als eine fünfjährige Nutzung zu erreichen (z.B. bei Unterkünften für Saisonarbeitskräften), ist ein vollständiger Bauantrag mit Wärmeschutznachweis die Grundlage der Genehmigung.
Ein orts- und objektbezogener Wärmeschutznachweis von einem staatlich zugelassenen Energieberater ist für jeden geplanten Neubau zwingend. Und da spielt die Größe des Wohngebäudes keine Rolle.
Fazit
Nach allem Gelesenen macht es dann noch Spaß sich einem Hausbau zu widmen? Auch wenn das Haus noch so klein ist? Da müssen Bauwillige schon sehr schmerzfrei sein, um nicht an diesen und vielen weiteren Verordnungen zu verzweifeln. Sicher, ein Hausbau ist nicht zu vergleichen mit einer Hundehütte. Sicherheit und Stabilität müssen über viele Jahre gewährleistet werden. Doch dringliche Aufgabe der Politik ist eine sinnvolle Entschlackung der Verordnungen. Das kann wieder die Bautätigkeit anregen und die Kosten deutlich senken. Dann können sich Neubauwohnungen wieder normale Arbeitnehmer leisten.