Die Vertreter der Automobilbranche müssen künftig den Gürtel enger schnallen. Anscheinend werden Rettungspakete der Bundesregierung wie während der Finanzkrise nicht noch einmal zu neuem Aufschwung verhelfen. Denn der Autogipfel wurde abgesagt. Dabei haben wohl alle Hersteller an vielen Fronten zu kämpfen: die Dieselproblematik beschäftigt weiterhin alle Hersteller, die Einführung neuer Modelle bei Volkswagen ist mit vielen Problemen behaftet, Renault hat Liquiditätsprobleme. So lässt sich die Liste beliebig fortführen.
War es früher üblich, mit 18 Jahren den Führerschein zu machen und ein Auto zu kaufen, findet beides so nicht mehr statt. Vielleicht wird noch die Fahrprüfung abgelegt. Doch ein Auto wird eher geliehen als gekauft. So stellt sich die Situation gefühlt dar. Doch Gefühle können trügen. Ein Blick in eine aktuelle Studie zeigt die konkrete Situation.
Auto dominiert den Personenverkehr
Noch ist der Pkw das dominierende Verkehrsmittel unserer Zeit. Gerade in Zeiten von Corona vermittelt es ein Gefühl von Sicherheit und Kontrolle. Doch dass man selbst unbedingt ein Auto besitzen muss – davon verabschieden sich immer mehr Menschen. Auch schon vor Corona stagnierte oder sank die Zahl der Neuzulassungen in allen wichtigen Absatzmärkten weltweit. Gleichzeitig verliert das Auto als zentrales Statussymbol an Bedeutung. Mittlerweile können sich 45 Prozent der Deutschen und 55 Prozent der Europäer vorstellen, kein Auto zu besitzen beziehungsweise ihr Auto komplett aufzugeben. Insbesondere für 61 Prozent der jungen Menschen (18-34 Jahre) und für 66 Prozent der Städter ist das eine Option.
Auto verschwindet aus den Städten
Am schnellsten verliert das eigene Auto in den Großstädten an Bedeutung. Private Autofahrten werden in den Metropolen der Welt im kommenden Jahrzehnt um zehn Prozent zurückgehen. Das legt eine im September 2019 veröffentlichte Studie des Marktforschungsinstituts Kantar nahe. Für den Wandel sei die alternde Weltbevölkerung ebenso verantwortlich wie Sharingmodelle sowie das Aufkommen autonomer Autos. Als ernsthafte Alternative gelten aber auch das Fahrrad und die Fortbewegung zu Fuß.
Der öffentliche Nahverkehr wird dabei mehr und mehr als mögliche Alternative wahrgenommen. Laut Automobilbarometer glaubt jeder Zehnte weltweit, dass ein eigenes Auto wegen Bus und Bahn oder anderer Mobilitätsangebote nicht mehr erforderlich ist.
Wie groß diese Konkurrenz ist, hängt indes auch davon ab, wie die Autofahrer das öffentliche Verkehrsnetz bewerten. Weltweit geben 67 Prozent der Befragten dem Netz vor Ort gute Noten, in Deutschland sogar 71 Prozent. Auch hier sind es aber vor allem wieder die Städter und die jungen Menschen, die wegen Bus und Bahn auf das eigene Auto verzichten können.
Verbundenheit zum Auto
Dennoch ist die Automobilität in unserer Gesellschaft noch nicht wegzudenken, auch nicht bei den Jüngeren. So sagen weltweit 82 Prozent der jungen Menschen, dass sie sich mit ihrem Wagen verbunden fühlen. In der älteren Generation ist das bei 75 Prozent der Fall. Hauptgründe sind die Flexibilität und Unabhängigkeit, die der eigene Wagen einem verleiht. 39 Prozent sehen in ihrem Auto ein essenzielles Transportmittel.
Noch scheint die Verbundenheit mit dem Auto zu bestehen. Wie lange noch, bleibt dabei offen. Doch das hilft den Herstellern auf keinen Fall in der aktuellen Situation weiter. Denn die Kunden erwarten noch mehr Bequemlichkeit. Dafür haben die Ingenieure in der Vergangenheit mit immer neuen Entwicklungen gesorgt. Ob künftig ein autonomes oder teilautonomes Fahren überhaupt möglich sein wird, ist ebenfalls offen. Denn dafür wird ein neues Mobilfunknetz benötigt, dass überall eine 100 prozentige Abdeckung garantiert. Sonst landet die Fahrerin oder der Fahrer im Wald. Apropos Wald: Umweltschutz, Nachhaltigkeit, Energiewende nehmen einen immer größeren Diskussionsraum gerade bei der jungen Bevölkerung ein. Ob hierbei das Auto in der Diskussion überhaupt noch einen Platz findet, setzen die Vertreter der Autobranche und deren Aktionäre gerade aufs Spiel.
Über die Studie
Das Automobilbarometer International wird jährlich von Consors Finanz herausgegeben. Die Verbraucherstudie wurde vom 30. August bis 20. September 2019 durch Harris Interactive in 15 Ländern durchgeführt: Belgien, Brasilien, China, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, den Niederlanden, Polen, Portugal, Südafrika, Spanien, Türkei, Großbritannien und den USA. Insgesamt wurden über 10.000 Personen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren befragt (Online-Befragung über CAWI). Diese Personen wurden aus einer repräsentativen nationalen Stichprobe des jeweiligen Landes ausgewählt.