Eigentlich sollten in einer Krisensituation die Preise sinken. Doch in vielen Branchen und wirtschaftlichen Bereich tritt genau das Gegenteil ein. Noch zu Beginn der Corona-Krise spekulierten einige auf sinkende Immobilienpreise, sinkende Aktienkurse und vielem mehr. Doch schon nach einigen Wochen kletterten die Aktien wieder auf unerwartete Höhen. Auch die Preise für Baumaterialien und im Friseursalon stiegen Corona-bedingt deutlich an. Das trifft nun auch auf die Mieten zu. Zu Groß- als auch Studentenstädten sind fallende Mieten nicht zu beobachten. Berlin mit der Mietpreisbremse stellt aktuell eine Ausnahme da. Wie lang, darüber werden die Gerichte entscheiden. Doch in diesem Einzelfall hilft das Mietern in anderen Städten überhaupt nicht. So wurde in einer Analyse eine Mietportals festgestllt, dass die Miete in jeder zweiten deutschen Großstadt für Familien kaum bezahlbar ist.
Finanzielle Herausforderung
Für Familien ist das Wohnen in vielen deutschen Großstädten zur finanziellen Herausforderung geworden. Für Arbeitnehmer ohne Hochschulabschluss erreichen die Mietkosten für eine familientaugliche Wohnung vielerorts die Grenzen des Leistbaren. In München und Berlin müssen selbst Eltern mit anerkanntem Berufsabschluss bei Neuvermietungen über 40 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens für die Miete aufwenden. Doch nicht nur Metropolen sind betroffen: In Heidelberg, Freiburg im Breisgau und Rostock beläuft sich die monatliche Belastung trotz Berufsabschluss auf 38 Prozent. In der aktuellen Analyse von immowelt wurden für Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern die monatliche Belastung durch Miet- und Nebenkosten einer Wohnung mit 80 bis 120 Quadratmetern in Relation zum mittleren Haushaltsnettoeinkommen einer 4-köpfigen Familie berechnet. Als Grundlage dienen die von der Bundesagentur für Arbeit veröffentlichten Bruttoeinkommen, unterschieden nach Berufsabschlüssen (ohne, anerkannter, akademischer). Diese wurden in entsprechende Nettogehälter umgerechnet.
Hohe Wohnkostenbelastung
Ein Mietanteil von mehr als 25 Prozent am Haushaltsnettoeinkommen gilt als hohe Belastung. Mehr als 33 Prozent gelten gemeinhin als Überbelastung, weil dann nur noch wenig Geld zum Leben bleibt. In jeder 2. untersuchten deutschen Stadt müssen sogar Eltern mit anerkanntem Berufsabschluss mehr als ein Viertel des Haushaltsnettoeinkommens aufwenden, um eine familientaugliche Wohnung anzumieten. Sind beide Elternteile ohne Berufsabschluss, trifft das gar in 71 von 79 untersuchten Städten zu. Angesichts der hohen Mietkosten in deutschen Großstädten bliebt vielen Familien, wenn die Wohnung zu klein wird, oftmals nur noch Wohngeld zu beantragen, in der aktuellen Wohnung zu bleiben, oder aufs Land zu ziehen. Es mangelt in vielen Städten an Sozialwohnungen, die für Familien günstigen Wohnraum bieten.
Über 33 Prozent
Für Familien, in denen beide Elternteile einen anerkannten Berufsabschluss vorweisen können, ist eine geräumige Wohnung bei Neuvermietung in deutschen Großstädten fast nicht mehr zu bezahlen: Selbst mit einem mittleren Verdienst belaufen sich in 11 Städten die Wohnausgaben auf über ein Drittel des Budgets eines Haushalts mit einem Voll- und einem Halbverdiener – so etwa in Hamburg (36 Prozent), Frankfurt (37 Prozent), Berlin (42 Prozent) und München (46 Prozent). In kleineren Großstädten wie Heidelberg, Freiburg im Breisgau und Rostock (je 38 Prozent) sind es vor allem die geringeren Einkommen, die das Wohnen schwere bezahlbar machen. Im Ruhrgebiet hingegen sind familientaugliche Wohnungen mit einem Berufsabschluss noch bezahlbar: In Gelsenkirchen, Duisburg oder Recklinghausen beispielsweise liegt die Wohnquote bei unter 20 Prozent.
Besonders schwer wird es in vielen Städten für Familien ohne Berufsabschluss: In mehr als der Hälfte der untersuchten Städte belaufen sich Miete und laufende Kosten auf mehr als 33 Prozent des mittleren Nettoeinkommens eines Haushalts. Besonders hoch ist die Belastung in Berlin (49 Prozent) und München (55 Prozent).
Spitzenreiter
Akademikerfamilien verfügen tendenziell über ein höheres Haushaltseinkommen, daher ist für sie die monatliche Belastung durch Miete und Nebenkosten auch geringer. So jedenfalls die allgemeine Vorstellung. In Frankfurt, Hamburg (jeweils 27 Prozent) und Stuttgart (26 Prozent) ist die Mietbelastung zwar hoch, aber kann noch als leistbar gelten. In München (33 Prozent) und Berlin (31 Prozent) ist aber auch für Akademiker fast die Grenze dessen erreicht, was gemeinhin als noch zumutbare Wohnkostenbelastung gilt. Das tendenziell höhere Einkommen in diesen Metropolen wird durch die hohen Mietpreise wieder aufgefressen – Eltern haben am Ende des Monats sogar oftmals weniger übrig als in kleineren Städten, obwohl sie dort weniger verdienen.
Datenbasis für die Berechnung der Mietpreise in den deutschen Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern waren auf immowelt.de inserierte Angebote. Die Mietpreise spiegeln den Median der Nettokaltmieten bei Neuvermietung für Wohnungen mit einer Fläche von 80 bis 120 Quadratmetern wider, die im 1. Halbjahr 2020 angeboten wurden. Der Median ist der mittlere Wert der Angebotspreise. Als Nebenkosten wurden 217 Euro veranschlagt. Die Daten für die Bruttogehälter stammen von der Bundesagentur für Arbeit. Diese wurden in entsprechende Nettogehälter mit einem Vollverdiener (Steuerklasse 3) und Teilverdiener (Steuerklasse 5) umgerechnet. Lohnnebenkosten sowie Kindergeld für 2 Kinder wurden berücksichtigt.