Antibakteriell

In der heutigen Zeit versuchen wir uns gegen alles mögliche zu schützen. So wird noch neuen Medikamenten und Schutzvorrichtungen wie zum Beispiel Filteranlagen in Autos oder Wohnung geforscht. Dabei liegt manchmal das Gute näher als gedacht. So jedenfalls schaut es wohl mit der Pflanze des Jahres 20212 aus. Der Meerrettich wird zur Behandlung von Infektionen der oberen Atemwege und der Harnwege seit Jahrhunderten in der Erfahrungsmedizin geschätzt. Mittlerweile bestätigen zahlreiche deutsche und internationale Forschungsarbeiten, dass die in der Wurzel des Meerrettichs enthaltenen aktiven Pflanzensubstanzen, die Senföle, Bakterien und Viren bekämpfen und zudem entzündungshemmend wirken. Das traditionsreiche Kreuzblütengewächs wurde daher nun vom NHV Theophrastus zur Heilpflanze des Jahres 2021 gewählt. Eine aktuelle, 2019 veröffentlichte internationale Laborstudie belegt erneut die antibakterielle Wirkung von Meerrettich bei der Therapie von Blasenentzündungen. Gegen alle elf in der Forschungsarbeit untersuchten Krankheitserreger, darunter E. coli, der häufigste Auslöser von Infektionen der Harnwege, zeigte Meerrettich ausgeprägte keimhemmende Effekte. Eine Kombination aus Meerrettich mit der ebenfalls Senföle enthaltenden Kapuzinerkresse wird seit 1958 erfolgreich in der Therapie von Erkältungskrankheiten (Sinusitis und Bronchitis) und Blasenentzündungen eingesetzt. Zwei Untersuchungen der Universität Freiburg belegen, dass sich durch die Kombination dieser beiden Pflanzen ein breites Spektrum therapeutisch relevanter Wirkstoffe ergibt, die sich in ihrer Wirkung zum Teil noch gegenseitig verstärken.

Heilpflanze des Jahres

Der NHV Theophrastus kürt seit 2003 jährlich die Heilpflanze des Jahres. Mit der Initiative möchte der Naturheilverein Informationen zu heilenden Wirkungen von wertvollen Pflanzen vermitteln und auf die Bedeutung der Pflanzenheilkunde in der Medizin aufmerksam machen. Meerrettich habe als Heilpflanze ein großes und bisher zu wenig ausgeschöpftes Potenzial, begründet der NHV Theophrastus die Wahl. So liegen für den Nachweis der antibakteriellen, antiviralen sowie entzündungshemmenden Wirkung der in Meerrettich sowie auch in der Kapuzinerkresse enthaltenen Senföle bereits eine Vielzahl von Publikationen vor. Darunter sind auch zahlreiche internationale unabhängige Untersuchungen sowie zwei umfangreiche Übersichtsstudien aus den Jahren 2015 und 2017, die die antibakteriellen Eigenschaften und Wirkmechanismen der Senföle anhand von jeweils mehr als einhundert Forschungsarbeiten analysiert und zusammengefasst haben.

Wirkungsvoll gegen Bakterien und lindert Entzündungen

Meerrettich (lat.: Armoracia rusticana) ist ursprünglich in Südrussland und der östlichen Ukraine heimisch, gelangte um 1000 n. Chr. nach Mitteleuropa und wird aufgrund seiner antibakteriellen und entzündungshemmenden Inhaltsstoffe, u. a. den Senfölen, schon seit Jahrhunderten als Heilpflanze eingesetzt. Aufgrund seines hohen Vitamin-Gehalts und seiner langen Haltbarkeit wurde er in der Seefahrt gegen Skorbut verwendet. Die in der Erfahrungsmedizin gesammelten positiven Erkenntnisse zum therapeutischen Einsatz des Meerrettichs (in Kombination mit Kapuzinerkresse) bei Infektionen der Harn- und Atemwege, konnten in den letzten Jahren erfolgreich in mehreren Studien wissenschaftlich bestätigt werden. Eine 2019 veröffentlichte Forschungsarbeit der Universität Majmaah/Saudi-Arabien liefert einen weiteren Beleg für das antiinfektive Potenzial der traditionsreichen Heilpflanze. Die Wissenschaftler untersuchten 15 verschiedene Pflanzen auf ihre antibakterielle Wirkung gegen häufige Erreger von Blasenentzündungen. Darunter zählte der Meerrettich zu den vier effizientesten Arten, so ein Ergebnis der Analyse.

Gegen Biofilme

Weitere Studien belegen, dass die Senföle die Bildung von sogenannten bakteriellen Biofilmen hemmen. Einen solchen „Schutzschild” bilden Bakterien aus, um sich gegen äußere Einflüsse, wie zum Beispiel Antibiotika oder das Immunsystem, zu wehren. Konsequenterweise wird daher in der für Ärzte wichtigen und 2017 aktualisierten Behandlungsleitlinie „unkomplizierte Harnwegsinfektionen” nun auch der Einsatz von Meerrettich und Kapuzinerkresse als pflanzliche Therapieoption bei häufig wiederkehrenden Blasenentzündungen empfohlen. Im Hinblick auf die zunehmende Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen ist zudem von besonderer Relevanz, dass bei Bakterien die Entwicklung möglicher Resistenzmechanismen gegen die Senföle auf Grund der vielfältigen Wirkansätze dieser Pflanzenstoffe deutlich erschwert wird.

Weitere entzündungshemmende Substanzen

Bei Infektionserkrankungen wie zum Beispiel Erkältungskrankheiten und Blasenentzündungen ist die Entzündungsreaktion primär für die Beschwerden verantwortlich. Daher sollten bei Infektionen der Harnwege nicht nur die bakteriellen Erreger beseitigt, sondern begleitend auch die entzündliche Reaktion bekämpft werden. Eine Laborstudie der Universität Freiburg belegt, dass neben den bisher bekannten Senfölen noch weitere Inhaltsstoffe des Meerrettichs eine antientzündliche Wirkung besitzen. Die durch einen Meerrettichwurzel-Extrakt – welcher keine Senföle enthielt – hervorgerufene antientzündliche Wirkung, konnte auf weitere Bestandteile aus dem Meerrettich zurückgeführt werden, heben die Wissenschaftler hervor.

Ungeklärte Herkunft

Woher der deutsche Name der therapeutisch wertvollen Wurzel stammt, ist nicht abschließend geklärt. Eine Theorie geht davon aus, dass “Meer” im deutschen Namen “Meerrettich” auf die fremde Herkunft („über das Meer zu uns gekommen”) hindeutet. Andere behaupten, die richtige Schreibweise sei „Mährrettich” (Mähre bezeichnete ursprünglich ein weibliches Pferd, das heute Stute genannt wird) oder „Pferderettich” (analog zum englischen Namen „horse radish”). Diese Bezeichnung lässt bereits Rückschlüsse auf die antibakterielle und entzündungshemmende Wirkung der Pflanze zu. Denn die bei Pferden weit verbreiteten entzündlichen Huferkrankungen hat man bereits vor Jahrhunderten mit einer Paste aus zerriebener, frischer Meerrettichwurzel behandelt – eine Anwendung, die bei Pferdehaltern heute noch immer bewährt ist.