Stress

Am Anfang war es noch ganz schön: Der Convid-Virus ließ uns zuhause bleiben. Nun konnte endlich einmal in Ruhe aufgeräumt, die fehlenden Folgen der Lieblingsserie angeschaut oder auch notwendige Eigenreparaturen durchgeführt werden. Denn nach draußen durften wir nur mit Einschränkungen. Was für den einen ideal war, um aufgeschobene Dinge zu erledigen, war für andere ein Graus. Es bedeutet psychischen Stress: Angst vor der Ansteckung, aber auch Angst vor dauerhaftem Abstand und Einschränkungen im täglichen Leben. Belastungsfaktoren gibt es zahlreiche. Noch ist kein Ende der Pandemie in Sicht, die Bedrohung bleibt. Experten erwarten daher einen Anstieg an psychischen Erkrankungen, Wachsamkeit und Zuwendung bei ersten Anzeichen sind gefragt.

Depression

Bei Depressionen denken die meisten vor allem an Niedergeschlagenheit und Antriebslosigkeit. Doch das Erscheinungsbild einer Depression sowie die Ursachen und Auslöser können vielfältig sein. Das sorgt häufig dafür, dass die psychische Erkrankung nicht erkannt oder nicht ernst genommen wird.

Bis heute ist die Entstehung von Depressionen wissenschaftlich noch nicht vollständig geklärt. Als sicher gilt, dass zur Entstehung einer Depression immer mehrere Faktoren beitragen, sie also multifaktoriell entsteht. „Bis zu 50 Prozent des Risikos für affektive Störungen sind genetisch veranlagt oder in früher Kindheit erworben. Dazu kommen im Laufe des Lebens weitere Belastungen, die Depressionen auslösen können. Auch ungünstige Arbeits- und Lebensumstände – wie eine weltweite Belastungssituation durch die aktuelle Pandemie – erhöhen das Risiko für Depressionen“, erklärt Prof. Dr. Dr. Matthias J. Müller, CEO, Ärztlicher Direktor und Medizinischer Geschäftsführer der Oberberg Kliniken. Was Auslöser für eine Depression sein kann und wie sie sich schließlich zeigt, kann ganz verschieden sein.

Verstimmung

Das wohl bekannteste Gesicht der Depression ist eine ausgeprägte und anhaltende Verstimmung mit Interessenverlust und Antriebsmangel. In diesem Fall ist die Verstimmung besonders schwer ausgeprägt und die emotionale Schwingungsfähigkeit häufig stark eingeschränkt. Betroffene berichten häufig, dass sie nichts mehr fühlen können. Die Auslöser sind zahlreich. So kann sie zum Beispiel in der Folge eines belastenden Ereignisses, wie dem Verlust eines nahestehenden Menschen oder nach einer Geburt (Wochenbettdepression), aber auch durch den Jahreszeitenwechsel (Saisonal Abhängige Depression / SAD) in Erscheinung treten.

Körperliche Beschwerden

Eine Depression kann sich aber auch vorrangig über körperliche Beschwerden, wie etwa Herzrasen, Kopfschmerzen, Verdauungsstörungen oder Schwindelattacken zeigen, für die es keine erklärenden organischen Ursachen gibt. Bei dieser Somatisierten Depression ist den Betroffenen meist zunächst nicht bewusst, dass der Kern ihrer Beschwerden psychischer Natur ist, was häufig zu zahlreichen Arztbesuchen führt, bevor die Diagnose schließlich gestellt wird. Über unspezifische, körperliche Beschwerden zeigt sich eine Depression häufig auch bei älteren Menschen (Altersdepression). Sie verdecken die darunter liegende Depression, die meist schleichend über einen längeren Zeitraum auftritt, weshalb sich diese Form der Depression nicht immer leicht diagnostizieren lässt.

Untypische Reaktionen bei Kindern

Auch bei Kindern und Jugendlichen treten Depressionen nicht immer mit typischen Symptomen auf, unspezifische körperliche Beschwerden (Kopf-und Bauchschmerzen, Übelkeit) und Verhaltensänderungen (u.a. Rückzug, Schulabsentismus, Unlust und Reizbarkeit, Meiden von früheren Hobbies) stehen häufig im Vordergrund. Untersuchungen legen bereits nahe, dass im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie und den damit verbundenen Restriktionen gerade Kinder und Jugendliche in verstärktem Maße Angst- und Depressionssymptome entwickeln. Auch das Risiko für einen erhöhten Substanzkonsum (Alkohol, Drogen, Medikamente) und für nicht stoffgebundenes Suchtverhalten (Alkohol, Gaming, Internet) steigt in allen Altersgruppen.

Depressionen treten jedoch auch nicht selten im Zusammenhang mit körperlichen Erkrankungen auf, z.B. ist das Risiko an einer Depression zu erkranken nach Schlaganfällen oder bei Bestehen einer chronischen internistischen Erkrankung (v.a. bei Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz und anderen Erkrankungen) besonders hoch.

Nach Infektionen

Auch nach durchgemachter SARS-CoV-2/COVID-Erkrankung (auch bei milden oder mittelschweren Verläufen der Infektion) können wie auch nach anderen schweren Infektionserkrankungen depressive Verstimmungen zusammen mit anderen psychischen und somatischen Beschwerden, insbesondere einer ausgeprägten Ermüdung und Erschöpfung (Fatigue), Kurzatmigkeit, Muskelschmerzen etc., auftreten (Post-/Long-Covid-Syndrom).

Weitere Erscheinungen

Oder die Depression zeigt sich zusammen mit anderen Symptomen wie Wahnideen oder Halluzinationen. In diesem Fall spricht man von einer Psychotischen Depression (Depression mit psychotischen Symptomen), bei der zudem die Symptomatik schwerer ausgeprägt ist, die depressiven Phasen länger andauern, und ein höheres Risiko für Suizidalität besteht.

Ebenfalls kann die Depression Teil einer weiteren Erkrankung wie einer bipolaren Störung sein (Bipolare Depression). In diesem Fall wechseln sich Episoden mit gehobener Stimmung, vermehrtem Antrieb und gesteigerter Aktivität (Hypomanie oder Manie) ab mit Phasen, die durch ein Stimmungstief, verminderten Antrieb und geringe Aktivität (Depression) gekennzeichnet sind.

Wer dauerhaft antriebslos und niedergeschlagen ist und unter anhaltender Lust- und Interesselosigkeit sowie Schlaf- und Appetitstörungen leidet, sollte professionellen Rat und Hilfe in Anspruch nehmen“, rät der Experte der Oberberg Gruppe. Auch Angehörige und Freunde sollten solche Veränderungen und Stimmungsschwankungen ernst nehmen und das Gespräch mit dem Betroffenen suchen.