Gesundheitsvorsorge kann so einfach sein: genug schlafen, ausreichende Bewegung, gesundes Essen. Das „Raus in die Natur“ auch Gesundheitsvorsorge sein kann, wurde schon seit vielen Jahrzehnten bewiesen. Doch so richtig will das keiner wahrhaben. Eine besondere Form des draußen sein und seiner Gesundheit etwas Gutes tun, ist Waldbaden.
Der Begriff ist etwas verwirrend. Denn zum Waldbaden wird keine Schwimmbrille oder sonstige Badebekleidung benötigt. Es ist wahrscheinlich eine etwas ungelenkte Übersetzung aus dem Japanischen: Denn „shinrin yoku“ wird mit Waldbaden übersetzt. Dabei ist es eher zu verstehen als „Aufenthalt in der Natur“ um die Vorzüge des Waldes zu nutzen
Studienergebnisse
Die ersten Studien zur heilenden Wirkung des Waldes kamen schon in den 1980er Jahren aus Japan. Sie konnten nachweisen, dass durch „shinrin yoku“ das parasympathische Nervensystem aktiviert wird und der Körper zur Ruhe kommt. Verantwortlich hierfür seien die sogenannten Phytonzide, flüchtige organische Verbindungen, die Pflanzen ausströmen, um Bakterien, Pilze und Insekten abzuwehren. Werden diese eingeatmet, lösen sie beim Menschen ein Gefühl der Ruhe aus und senken den Blutdruck sowie die Aktivitäten des präfrontalen Kortex. Das Stresshormon Cortisol wird verringert, das Immunsystem gestärkt und die Herzfrequenzvariabilität verbessert sich. Das macht den Wald zu einem optimalen Therapieraum für Menschen mit verschiedensten Erkrankungen.
Ein einzigartiges Therapieangebot
2016 entstand der erste Kur- und Heilwald in Deutschland auf der Insel Usedom. Vorreiterin dieser Idee für Deutschland war Dr. Karin Lehmann, der es aufgrund wissenschaftlicher Expertise gelang, den dortigen Wald als Kur- und Heilwald zu zertifizieren. Am Anfang belächelt, hat sich dieser Heilwald zu einer wahren Gesundheitsfundgrube entwickelt.
Heute bieten einige Kliniken in Deutschland die geführten Gesundheitswanderungen für ihre psychosomatischen Patienten/innen an. Chronisch erkrankte Patienten/innen z. B. mit Multipler Sklerose, Parkinson oder nach einem Schlaganfall, können jetzt von dieser modernen Therapie profitieren.
Sinne trainieren
Bis zu acht Patienten/innen gehen beim therapeutischen Waldbaden in einen kliniknahen, naturbelassenen Laubwald. Begleitet werden sie von speziell geschulten Therapeuten/innen der Klinik. Jede der jeweils einstündigen Wanderungen setzt andere Schwerpunkte und beinhaltet verschiedene Achtsamkeits- und Wahrnehmungsübungen. „Mit Parkinson- oder Schlaganfall-Patienten können wir so z. B. den Geruchs- oder Tastsinn trainieren, die durch die Erkrankung eingeschränkt sein können. Dabei wirkt der Aufenthalt im Wald gleichzeitig stimmungsaufhellend und stressreduzierend auf sie“, erklärt Uschi Menge-Voss, Gymnastiklehrerin der Dr. Becker Rhein-Sieg-Klinik.
Ein Herzensprojekt
Bei den Patienten/innen komme die sanfte Naturtherapie sehr gut an. „Das Feedback, das wir erhalten, ist sehr gut. Die Patienten/innen erleben den Wald als einen ganz eigenen Therapieraum. Hier empfinden sie eine besondere Zeit und Ruhe, ihre eingeschränkten körperlichen Funktionen wieder zu trainieren. Das ist ein großer therapeutischer Wert“, ist Menge-Voss überzeugt. Auch der neurologische Chefarzt der Dr. Becker Rhein-Sieg-Klinik, Dr. med. Robin Roukens, unterstützt das Waldbaden – es ist ihm ein ganz eigenes Herzensprojekt: „Ich halte mich selbst gern in Wäldern auf und kann dort unglaublich gut entspannen. Ich freue mich sehr, dass engagierte Kolleginnen und Kollegen das Angebot jetzt in unserer Klinik etablieren.“