Entlastung

Der Megatrend Urbanisierung deutet daraufhin, dass sich immer mehr Menschen in Richtung Stadt bewegen. Dabei geht es nicht nur darum, die Einkaufs- und Unterhaltungsmöglichkeiten zu nutzen. Der drangt, in der Stadt zu wohnen, ist ungebrochen. Doch gilt das auch heute noch während der Pandemie? Luckx – das magazin such nach Erklärung.

Wohnen im Umland

Familien zieht es ins Umland. Das hat in der Pandemie große Vorteile: Weniger Kontakt mit anderen Menschen, mehr Platz im eigenen Heim und Spielmöglichkeiten für Kinder draußen. Da Homeoffice und Homeschooling aktuell die vorherrschenden Beschäftigungen sind, ist diese Entscheidung unter den gegebenen Bedingungen richtig. Doch wie geht es weiter? Das hat das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) untersucht, wie das Wohnen im Umland von Großstädten die städtischen Wohnungsmärkte entlasten kann. Die Studie bezieht die Auswirkungen auf Infrastrukturen mit ein und berücksichtigt mögliche Folgen der Coronapandemie für den Wohnungsbau.

Ursache ist der angespannte Wohnungsmarkt in den Städten. Seit Jahren steigt der Druck auf die städtischen Wohnungsmärkte vor allem durch Zuzug. Neben dem Neubau und der Verdichtung in den Kernstädten kann auch der Wohnungsbau im Umland zur Entspannung der Situation beitragen. Damit dieser Stadt-Umland-Ausgleich fair gelingen kann, müssen Chancen und Hindernisse frühzeitig erkannt werden.

Um die Entlastung der Städte durch Wohnungsbau im Umland nachhaltig zu gestalten, muss die Stadtregion als Ganzes profitieren. Ziel des Entlastungswohnungsbaus sind weniger Ein- und Zweifamilienhäuser, die im Rahmen traditioneller Suburbanisierungsprozesse gebaut werden. Stattdessen sollte der Wohnungsneubau dazu beitragen, lebendige Quartiere zu schaffen und so auch Vorteile für die bereits ansässige Bevölkerung zu erbringen.

Daseinsvorsorge

Neubau im Umland ist vor allem dann wohnungspolitisch und städtebaulich sinnvoll, wenn bei der Planung auch die Infrastrukturen der öffentlichen Daseinsvorsorge berücksichtigt werden: Schulen, soziale Einrichtungen, Kulturangebote. Außerdem gilt es, eine Zunahme des motorisierten Individualverkehrs durch das Pendeln zu vermeiden. Die oft bereits ausgelasteten städtischen Verkehrsnetze sollten stattdessen durch den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und anderer umweltverträglicher Verkehrsformen entlastet werden.

Die Auswirkungen der Pandemie auf den städtischen Wohnungsbau ordnet Difu-Wissenschaftlerin Ricarda Pätzold wie folgt ein: „Corona wird das Wohnungsproblem nicht lösen, vielmehr kommen auf die Stadtregionen neue Herausforderungen zu. Eine Entlastung der Kernstädte kann – wie bereits zu beobachten – zu Preissteigerungen im Umland führen. Des Weiteren bedeutet die Integration des Arbeitens in die Wohnungen in der Regel eine Zunahme der Flächenbedarfe pro Kopf. Der Faktor der Wohnkosten wird damit die entscheidende Stellschraube bleiben.“

Difu-Institutsleiter Prof. Dr. Carsten Kühl zeichnet bei seiner Einschätzung der Folgen ein ähnliches Bild: „Die Coronapandemie wird die Bedürfnisse auf dem Wohnungsmarkt verändern. Die Möglichkeit zu Homeoffice in den eigenen vier Wänden oder der Wunsch nach mehr Naherholungsflächen sind Beispiele hierfür.“ Doch Kühl betont auch, dass die Wohnraumfrage nicht nur durch den in der Pandemie veränderten Bedarf gelöst werden kann: „Es bleiben bereits vor der Pandemie bestehende Fragen offen. Diese betreffen vor allem die Verfügbarkeit und Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, die Kapazitäten im Baugewerbe und die beschränkten Flächenverfügbarkeiten der Kommunen.“

Ob es mit dem Ende der Pandemie dann tatsächlich zu einer fortgesetzten „Landflucht“ kommt oder der weltweite Trend der Urbanisierung sich auch in Deutschland fortsetzt, bleibt abzuwarten. Zwar haben uns die Auswirkungen der Pandemie stark beeindruckt und verunsichert. Auch verharren die Immobilienzinsen weiterhin auf niedrigem Niveau. Doch die Immobilienpreise steigen unaufhörlich weiter. Das lässt viele Träume vom Haus im Grünen beenden. Auch verringert sich der persönliche Druck zur Veränderung mit fortschreitenden Impfen und neuen Medikamenten. Die Corona-Krise scheint überwunden und nach kurzer Zeit aus dem Gedächtnis verschwunden. Bis die nächste Krise durchs Dorf getrieben wird.