Vitamin D könnte das Leben verlängern

Immer wieder wird darüber berichtet, dass Vitamine wichtig für unseren Körper sind. Doch warum das so ist und was sie eigentlich so alles anstellen, wird selten verraten. So hat sich die Redaktion von luckx – das magazin damit beschäftigt. Anlass war, dass Vitamine – insbesondere Vitamin D – die Sterberate verringern könnte.

Vitamine als Biokatalysatoren-Helferlein

Katalysatoren kennen viele von eigenen Auto: vorn gehen schädliche Abgase hinein und hinten kommen sie als unschädliche Abgase heraus. So jedenfalls die Theorie. Dabei handelt es sich um eine heterogene Katalyse (heterogen, weil Gase auf Metalle treffen; bei homogener Katalyse dagegen treffen gleiche Aggregatzustände aufeinander (z.B. flüssig auf flüssig)).

Als dritte Form sind nun die Biokatalysatoren zu nennen. Dabei helfen Vitamine, die an der Gewinnung von Energie aus Kohlenhydraten, Fetten und Eiweiß beteiligt sowie am Aufbau von Hormonen, Enzymen und Blutkörperchen sind. So unterstützen sie bei der Verwertung der Nahrung, steuern zahlreiche biochemische Prozesse und schützen vor Schadstoffen. Vitamine dienen damit nicht als direkter Energielieferant oder sind Baustofflieferanten für Zellbestandteile. Hauptsächlich sind Vitamine dafür verantwortlich, Stoffwechselreaktionen als Bestandteile von Enzymen (Biokatalysatoren) zu ermöglichen.

Biokatalysatoren sind Enzyme (meist Proteine), die neben der Proteinstruktur zusätzlich nicht-proteinartige Molekülstrukturen, die sog. Coenzyme, enthalten. Proteingebundene Coenzyme werden auch als prosthetische Gruppen bezeichnet. Coenzyme werden häufig aus Vitaminen gebildet.

Studienergebnisse

Okay, das war nun etwas sehr theoretisch. Gehört aber heute zum Chemieunterricht der achten Klassen am Gymnasium. Doch diese Schutzfunktion der Vitamine – insbesondere von Vitamin D – könnte dazu führen, dass Krebszellen entweder zerstört oder deren Entstehung vermindert wird. Jedenfalls konnte in drei Metaanalysen klinischer Studien die Bestätigung gefunden werden, dass eine Vitamin D-Supplementierung (ergänzende Versorgung!) mit einer Verringerung der Sterberate an Krebs um etwa 13 Prozent einherging. Diese Ergebnisse übertrugen Wissenschaftler im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) nun auf die Situation in Deutschland und errechneten: Bei einer Vitamin D-Supplementierung aller Deutschen über 50 Jahre könnten möglicherweise bis zu 30.000 Krebstodesfälle pro Jahr vermieden und mehr als 300.000 Lebensjahre gewonnen werden – bei gleichzeitiger Kostenersparnis.

Seit einigen Jahren bereits untersuchen Wissenschaftler den Einfluss einer ausreichenden Versorgung mit Vitamin D auf die Prognose zahlreicher Erkrankungen. Im Fokus stehen dabei insbesondere entzündliche Krankheiten, Diabetes, Atemwegserkrankungen und Krebs.

Zur Frage, wie sich die Vitamin D-Versorgung auf die Sterberaten an Krebs auswirkt, kamen die Untersuchungen zu einem übereinstimmenden Ergebnis: Um rund 13 Prozent sinkt bei einer Vitamin D-Supplementierung die Krebssterblichkeit – über alle Krebserkrankungen hinweg. Welche biologischen Mechanismen dem zugrunde liegen könnten, ist noch nicht genau geklärt. In die Metaanalysen wurden ausschließlich methodisch hochwertige randomisierte Studien aus allen Teilen der Welt einbezogen.

Kostenvorteile

In vielen Ländern der Welt ist im letzten Jahrzehnt die altersbereinigte Rate der Krebssterblichkeit erfreulicherweise gesunken“, sagt Hermann Brenner, Epidemiologe vom DKFZ. „Doch angesichts der oftmals erheblichen Kosten vieler neuer Krebsmedikamente ist dieser Erfolg ist vielfach teuer erkauft. Vitamin D dagegen ist in den üblichen Tagesdosen vergleichsweise günstig.“

Ein Vitamin D Mangel ist in der älteren Bevölkerung und insbesondere bei Krebspatienten weit verbreitet. Brenner und Kollegen errechneten nun, welche Kosten durch eine Vitamin D-Supplementierung der gesamten Bevölkerung Deutschlands ab einem Alter von 50 Jahren entstehen würden. Dieser Summe stellten sie die möglichen Einsparungen für Krebstherapien gegenüber, die insbesondere bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen während der letzten Lebensmonaten der Patienten oft mit Kosten im Bereich von mehreren 10.000 Euro verbunden sind.

Für diese Berechnung legten die Wissenschaftler eine tägliche Gabe von 1000 internationalen Einheiten Vitamin D zu einem Preis von 25 Euro pro Person und Jahr zugrunde. Im Jahr 2016 lebten in Deutschland ca. 36 Millionen Menschen über 50 Jahre, daraus errechnen sich jährliche Kosten für die Supplementierung von 900 Millionen Euro.

Die Kosten für eine Krebsbehandlung entnahmen die Forscher der wissenschaftlichen Literatur und gingen dabei von mittleren zusätzlichen Behandlungskosten von 40,000 € allein für das letzte Lebensjahr der an Krebs verstorbenen Patienten aus. Eine um 13 Prozent verringerte Krebssterblichkeit in Deutschland entsprach im Jahr ca. 30.000 weniger krebsbedingten Todesfällen, deren Behandlungskosten sich in der Modellrechnung auf 1,154 Milliarden Euro beliefen. Verglichen mit den Kosten für die Vitamin-Supplementierung errechnet sich in diesem Modell eine Einsparung von jährlich 254 Millionen Euro.

Gewinn an Lebensjahren

Die Anzahl der verlorenen Lebensjahre zum Zeitpunkt des Krebstods ermittelten die Forscher anhand der Sterbetafeln des Statistischen Bundesamtes. Kosten und Aufwand einer routinemäßigen Bestimmung des Vitamin D-Spiegels hält Brenner für verzichtbar, da bei einer Supplementierung von 1000 internationalen Einheiten eine Überdosierung nicht zu befürchten sei. Eine solche vorherige Bestimmung war auch in den klinischen Studien nicht vorgenommen worden.

Angesichts der möglicherweise erheblichen positiven Effekte auf die Krebssterblichkeit – zusätzlich verbunden mit einer möglichen Kostenersparnis – sollten wir nach neuen Wegen suchen, die in Deutschland in der älteren Bevölkerung weit verbreitete Vitamin D-Unterversorgung zu verringern. In einigen Ländern werden sogar Nahrungsmittel seit vielen Jahren mit Vitamin D angereichert – etwa in Finnland, wo die Sterberaten an Krebs um rund 20 Prozent niedriger sind als in Deutschland. Ganz abgesehen davon, dass sich die Hinweise auf weitere positive Gesundheitseffekte einer ausreichenden Vitamin D-Versorgung verdichten, etwa bei den Sterberaten an Lungenerkrankungen“, sagt Brenner und ergänzt: „Schließlich halten wir Vitamin D-Supplementierung für so sicher, dass wir sie sogar für neugeborene Babys zur Entwicklung gesunder Knochen empfehlen.“

Um den eigenen Vitamin D-Spiegel völlig kostenfrei zu verbessern, empfiehlt der Krebsinformationsdienst des DKFZ, sich bei Sonnenschein im Freien aufzuhalten, zwei- bis dreimal pro Woche für etwa zwölf Minuten. Gesicht, Hände und Teile von Armen und Beinen sollten für diese Zeitspanne unbedeckt und ohne Sonnenschutz sein.