Zinswende!?

Neben dem Krieg in der Ukraine sind Energieversorgung, Inflation und Zinswende im Augenblick die alles beherrschenden Themen. Diese gesamte Situation lässt sich schwer überschauen. Doch alles hängt eng zusammen. Doch wie lässt sich dieses Knäuel auflösen? Luckx – das magazin versucht einen Faden zu finden.

Solidarität

Es muss eigentlich nicht betont werden: Wir leben in Freiheit, dürfen unsere Gedanken und Meinungen frei äußern und werden dafür nicht geschlagen, verhaftet oder mit Geldstrafen belegt. Russland zeigt dagegen genau die andere Seite. Sogar Kinder werden bei Demonstrationen gegen diesen barbarischen Krieg verhaftet. Vielleicht nimmt ihnen der russische Präsident noch ihr Taschengeld ab, damit sie sich keine Bonbons mehr kaufen können.

An den Tankstellen steht die Anzeige zwischenzeitlich auf zwei Euro. Da werden Erinnerung an den Neue Deutsche Welle Hit von Markus wach, der mit „ich will Spaß“ schon 1982 von drei Mark zehn sang. Warum die Ölkonzerne nun so rasch an der Preisschraube drehen, obwohl sie langfristige Verträge haben, bleibt ihr Geheimnis. Vielleicht auch nicht. Denn sie machen es ja immer so und heizen die Inflation an.

Was ist eine Zinswende?

Bei der Zinsentwicklung ist aktuell noch keine dieser Entwicklungen zu beobachten. Obwohl in den USA die FED für dieses Jahr mehrere Zinsschritte angekündigt hat, bleibt es bisher eher ruhig. Auch hierzulande sind Volkswirte und Analysten mehrheitlich der Meinung, dass eine Zinserhöhung – Angesicht der aktuellen Inflationsraten – überfällig ist und die EZB, wie die FED in den USA, reagieren muss und die Zinsen erhöhen wird. Kurz gesagt: alle prognostizieren eine „Zinswende“. Aber was bedeutet eine Zinswende genau?

Schauen wir uns einmal aktuelle Werte an:

Kurzfristiger Zins: Der 3-Monats-Euribor verharrt zwischen – 0,576% und – 0,530% und steht aktuell bei – 0,532% (2.3.22). Bis Mitte 2022 wird ein Seitwärtsverlauf erwartet zwischen – 0,50% und – 0,60%. Dieser orientiert sich an der Einlagenfazilität der EZB. Hier könnte im zweiten Halbjahr von aktuell – 0,50% ein Schritt Richtung -0,25% erfolgen.

Langfristiger Zins: Der 10jährige SWAP-Satz/6M steht derzeit bei 0,706% (3.3.22). Die nächsten 6 Monate wird ein leichter Zinsanstieg bis ca. 1,00% vorausgesagt. In der zweiten Jahreshälfte wird sich der Langfristzins weiter Richtung 0,50% oder darunter bewegen.

Wo bleibt die Zinswende?

In der aktuellen Diskussion um die Zinswende findet man keine einheitliche Definition, bzw. der Gebrauch des Begriffs „Zinswende“ wird unterschiedlich genutzt und verstanden: einmal im Zusammenhang mit der Straffung der ultralockeren EZB Geldpolitik, ein anderes Mal im Kontext einer möglichen Zinsanhebung seitens der EZB oder ganz grundsätzlich für ein Ende der Negativzinsphase. Aber kann man im aktuellen Zusammenhang überhaupt von einer „echten“ Zinswende, also einer Zinstrendwende wie wir diese formulieren, sprechen?

Als erstes muss unterschieden werden zwischen den Zielen und Statuten der jeweiligen Notenbanken: Die FED priorisiert zuerst einen stabilen Arbeitsmarkt und danach das Thema Geldwertstabilität (Inflation). Die EZB hingegen hat als oberste Aufgabe die Erhaltung der Preisstabilität (Inflation) und als zweites die Sicherstellung einer gleichmäßigen Konjunkturentwicklung. Beide Notenbanken sehen in einer starken Überhitzung der Wirtschaft eine Inflationsgefahr. Bei steigenden Lohnabschlüssen könnte sich eine Lohn- Preisspirale entwickeln. In den vergangenen Inflationsphasen haben die Notenbanken in diesen Situationen die Zinsen anheben müssen, um eine heiß laufende Wirtschaft wieder zu bremsen.

Die aktuelle Situation unterscheidet sich von den letzten großen Zinszyklen seit den 1970er Jahren dadurch, dass die Wirtschaft durch Anreize der Staaten und der Notenbanken massiv, eher zu viel, gestützt wurde. Im Jahr 2020 hatten wir eine deflationäre Phase, hergeführt durch einen Lockdown bedingte Rezession. Genau diese Stützungsmaßnahmen und Engpässe in den Lieferketten führen zu Preissteigerungen.

Zinstrendwende?

Gehen wir, wie derzeitin den USA von Analysten erwartet, von sechs Zinserhöhungen in 2022 aus, so steigt der Leitzins bei Schritten um 0,25% Prozentpunkte auf eine Bandbreite von 1,50% bis 1,75%. Wir sehen hier eine klassische Anpassung von einer ultralockeren Geldpolitik auf eine lockere Geldpolitik. Hier nehmen wir keinen Bremseffekt wahr, der eine heiß laufende Wirtschaft abwürgen sollte. Im Gegenteil stellt sich die Frage, ob sich die amerikanische Wirtschaft ohne weitere Stützungsmaßnahmen halten wird.

Das Geldmengenwachstum Im Euroland ist seit Februar 2021 im freien Fall bei nur mehr 6,9% auf Basis von M3. Dies deutet derzeit klar daraufhin, dass sich die Wirtschaft in der Eurozone abkühlen wird. Die Lohnabschlüsse sind ebenfalls überwiegend moderat ausgefallen. Damit lässt sich für uns schon jetzt mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit ein Rückgang der Inflationsrate bis Ende 2022 auf 2,0% bis 3,0% ablesen; abhängig vom Krieg in der Ukraine.

Für die nächsten Monate lässt sich wieder – wie jedes Jahr – ein „Zinsbuckel“, der ähnlich ausfallen wird, wie im Jahr 2011 und sich nach Normalisierung der beschriebenen Engpässe wieder zurückbilden wird. Auch die gestiegenen Energiepreise werden, sobald sich die Wirtschaft abkühlt und der Krieg beendet ist, zurückbilden.

Es bleibt abzuwarten, ob die EZB standhaft bleibt, oder ob diese eine moderate Zinserhöhung vornimmt. Eine Erhöhung der Einlagenfazilität von derzeit minus 0,50% auf 0,00% wäre aber eine sinnvolle Maßnahme und ein leichtes Kompromisssignal für die Marktteilnehmer.

Als Fazit lässt sich festhalten: Eine Zinstrendwende mit nachhaltigen und starken Zinserhöhungen, um eine heiß gelaufene Wirtschaft zu bremsen, sieht anders aus. Mit Zinsen im Bereich von acht bis neun Prozent wie in der siebziger und achtziger Jahren muss aktuell keiner kalkulieren.