Wenn das Leben beginnt

Fachkräfte werden überall gesucht. Nicht auf dem Bau oder in den Pflegeberufen. Schon seit Jahren werden Hebammen verzweifelt gesucht. Sicherlich ist ein Grund, dass die Arbeitsbedingungen für die meist selbständig arbeitenden vor einigen Jahren zu deren Nachteil geändert wurden, wie luckx – das magazin recherchierte.

Notstand

Ohne Hebamme kann das Leben nicht beginnen. Die Zahl der Hebammen befindet sich auf einem niedrigen Niveau, zusätzlich steigen die Geburtenzahlen an. Der Deutsche Hebammenverband e. V. (DHV) aktualisiert regelmäßig eine „Deutschlandkarte der Unterversorgung“, um die teilweise dramatische Situation abzubilden. Das Ausmaß der Unterversorgung variiert stark in den Bundesländern: Schleswig-Holstein befindet sich an der Spitze des Notstands, dicht gefolgt von Berlin. Am besten bestellt um die Hebammenversorgung ist es in Niedersachsen. „Als Ergänzung der Versorgung vor Ort finden Schwangere und junge Eltern mittlerweile allerdings online verschiedene Angebote, die sie bei Fragen und Problemen unterstützen können“, erklärt Nicole Höhmann, Mitgründerin und COO des Telemedizinanbieters Kinderheldin, die selbst jahrelang als Hebamme tätig war.

Trotz klarer Benennung des Problems in Deutschland, ist eine signifikante Verbesserung nicht erkennbar, wie ein Blick auf die aktuellen Zahlen zeigt: Vor allem in der Wochenbettbetreuung herrscht ein signifikanter Mangel: Von 2015 bis Ende 2019 wurden 21.870 Fälle fehlender Versorgung gemeldet, bis 2021 kamen fast 11.000 weitere Fälle hinzu, so dass die Zahl auf 32.481 stieg – circa drei Viertel der jungen Mütter beklagen diesen Mangel. Rosiger sieht es auch nicht bei der Schwangerenvorsorge und bei den Beleggeburten aus. Insgesamt meldet der DHV 43.768 Einträge zu fehlenden Hebammen. Diese Zahl beziffert angefragte Hebammenleistungen, die jedoch nicht umgesetzt werden konnten. Am gravierendsten zeigt sich der Mangel in Schleswig-Holstein, eng gefolgt von Berlin. Auch Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben mit einem erheblichen Mangel zu kämpfen. Am besten schneidet Niedersachsen ab.

Wenig Besserung in Sicht

Innerhalb des letzten Jahrzehnts hat sich die Hebammensituation nicht sonderlich verbessert, obwohl das Problem klar erkannt wurde. Die Zahl der Geburten stieg jedoch von 2010 mit ca. 678.000 Kindern auf etwa 795.000 bis 2021 – die Zahl der freiberuflichen Hebammen blieb dennoch ungefähr gleich. Laut GKV Spitzenverband stieg deren Zahl von 2010 bis 2019 von 4939 lediglich auf 5.490 freiberufliche Hebammen. Betrachtet man nur die freiberuflichen Hebammen, hätten diese circa 144 Geburten pro Jahr zu begleiten – unmöglich. Das Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage zeigt sich in der Praxis deutlich: Circa jede fünfte Frau sucht zwei Monate, oder sogar länger, nach ihrer Hebamme.