Mehr Unfälle

Sei es aus Unerfahrenheit oder weil jüngere Autofahrer eher ungestüm das Gaspedal betätigen: jedenfalls verursachen sie mehr Unfälle. Doch das soll möglichst bald vorbei sein, wie luckx – das magazin recherchierte.

Autofahrer werden jünger

Seit Jahrzehnten können junge Amerikaner mit 16 die Führerscheinprüfung ablegen. In Deutschland ist das Mindestalter bisher 17 Jahre. Zwar ist dann Autofahren nur in Begleitung eines Erwachsenenführerscheininhabers möglich. Doch es bewegt sich etwas. Aber auch 15 jährige können mit einem Rollerführerschein den Opel Rocks-e bewegen. Ein Auto für zwei Personen mit reinem Elektroantrieb. Wer also frühzeitig sich im Straßenverkehr bewegt kann so viel Erfahrung sammeln. Denn schon im Jugendalter zeichnet sich ab, wer als potenzieller Risikofahrer später einmal sich und andere Straßenverkehrsteilnehmer gefährden könnte. Dies bestätigt eine vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) herausgegebene Studie. Danach hat sich bei ganzen zehn Prozent der jugendlichen Studienteilnehmer eine hohe Risikoaffinität herauskristallisiert. Bei dieser Gruppe sei präventive Verkehrssicherheitsarbeit daher eminent wichtig, so die Studienverfasser.

Vision

Seit Langem setzt sich der Automobilclub KS e.V. für die Vision Zero ein. Deren Ziel ist es, die Zahl der Straßenverkehrstoten und -verletzten auf null zu senken. In diesem Zusammenhang haben Unfallstatistiken gezeigt, dass die Gruppe der 18- bis 24-Jährigen überdurchschnittlich oft im Vergleich zu anderen Altersgruppen in Verkehrsunfälle verwickelt ist. Insgesamt 351 junge Erwachsene zwischen 15 und 25 Jahren kamen im Jahr 2021 dabei sogar ums Leben. Knapp 80 Prozent der Getöteten dieser Altersgruppe waren männlich. Dies ist jedoch nicht nur auf das Anfängerrisiko zurückzuführen, bei dem die jungen Fahrer noch mit Unerfahrenheit, Überforderung und fehlender Routine konfrontiert sind. Vielmehr spielt auch ein Jugendlichkeitsrisiko eine Rolle. Das konnte die LAWIDA-Studie (Längsschnittliche Analysen der Wege in die Automobilität) mit dem Titel „Verkehrs- und fahrzeugbezogene Einstellungen von jungen Menschen im Übergang in die Automobilität“ (2022) bestätigen. Herausgeber der Untersuchung, die u.a. in Zusammenarbeit mit der Deutschen Hochschule der Polizei entstanden ist, ist der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR). Insgesamt geben die Ergebnisse der LAWIDA-Studie deutliche Hinweise darauf, dass die schulische Verkehrssicherheitsarbeit weiter als bis zur 4. Klasse gehen sollte.

Risikobereitschaft

Für die Studie wurden aus der Stichprobe der Jugendlichen drei Risikogruppen gebildet, die ein geringes, mittleres oder aber hohes Potenzial aufweisen, später mit einer höheren Risikoaffinität im Straßenverkehr aufzufallen. Dazu wurden drei Bereiche ausgewertet: der Aspekt „Imponieren“, der vom Wunsch nach Außendarstellung und kompetitivem Vergleich gelenkt wird, um Eindruck auf andere zu machen. Der zweite Bereich widmet sich der „verkehrsbezogenen Risikobereitschaft“, bei der Einstellungen zur aktiven Risikosuche abgefragt wurden (z.B. „Fahren ohne gefährliche Situationen ist langweilig“). Der dritte Bereich bezog sich auf „deviantes Verhalten mit hoher Sicherheitsgefährdung“, der die Einstellung zur Gurtpflicht sowie zum Fahren mit eingeschränkter Fahrtüchtigkeit, wie etwa unter Alkoholeinfluss, dokumentiert.

Während sich die Gruppen mit einer mittleren oder geringen Risikoaffinität im Laufe der Jahre mit der zunehmenden Bewältigung der Entwicklungsaufgaben (z.B. Identifizierung mit der eigenen Geschlechtlichkeit, Norm- und Werteverständnis, sozial verantwortliches Handeln oder auch reife Beziehungen und emotionale Unabhängigkeit von Eltern und Erwachsenen) immer weiter von risikobereiten Einstellungen wegentwickelten, behielten zehn Prozent der Studienteilnehmer ihre hohe Risikoaffinität bei. Genau diese Gruppe sei für die präventive Verkehrssicherheitsarbeit von größter Relevanz, so die Studienverfasser.

Junge Selbstdarsteller

Bei dieser – überwiegend männlichen – Hochrisikogruppe stärker als bei den anderen Gruppen ausgeprägt waren unter anderem ein sehr großer Wunsch nach Außendarstellung, eine starke Konsumgüterorientierung, die Werte für „innere Gewaltbereitschaft“ sowie die Aspekte Fahrspaß und Ausdruck an Individualität durch das Auto. Die Befragung zeigte auch: Normen und Regeln werden von dieser Gruppe – auch im Straßenverkehr – am schlechtesten akzeptiert und als Einschränkung der Individualität angesehen. „Bedenkt man, dass zu dieser Risikoneigung noch das Anfängerrisiko hinzukommt, ist deren Rolle für die Verursachung potenzieller Unfallgefahren sehr ernst zu nehmen“, so die Studienverfasser. Insgesamt wäre es nach Ansicht der Autoren daher auch nicht verwunderlich, wenn diese Jugendlichen später als Angehörige der Poser- oder Raserszene angetroffen würden.

Um den Jugendlichen den Weg zur sicheren motorisierten Verkehrsteilnahme zu ebnen und der Risikobereitschaft im Straßenverkehr gegenzusteuern, sollten laut der LAWIDA-Studie positive verkehrs- und fahrzeugbezogene Einstellungen gefördert werden. Allerdings reiche eine punktuelle Förderung während der Fahrrad- Ausbildung in der Grundschule und später durch die Fahrschule nach Ansicht der Studienautoren nicht aus. Die Studienergebnisse geben laut DVR vielmehr deutliche Hinweise auf die Notwendigkeit einer schulischen Verkehrssicherheitsarbeit in der Sekundarstufe I, also der 5. bis 9. bzw. 10. Klasse. Sie könnten dazu beitragen, frühzeitiger zu intervenieren. So könnten beispielsweise Empathietrainings oder Soziale-Kompetenz-Trainings angeboten werden. Auf diese Weise könnten Jugendliche, die den Einstieg in die Automobilität eher risikoreich angehen, intensiv betreut werden. Sie sollen zudem dabei unterstützt werden, die wichtige Risikokompetenz auf- und auszubauen.